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Innenpolitik Die Ethik der Marktwirtschafrt

ehemaligesMitglied45
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Die Ethik der Marktwirtschaft
geschrieben von ehemaligesMitglied45
Der Titel ist keine Provokation sondern ernstlich so gemeint; es gibt eine solche, gerade auch für die (kap.) Marktwirtschaft. Wenn ich von ihr statt Kapitalismus spreche, dann deshalb, weil der letzte Begriff seit Marx ideologisch befrachtet ist und zum Kampfbegriff wurde.
Zentraler Bestandteil jeder (ordoliberalen) Marktwirtschaft ist der Wettbewerb. Die Aussicht auf Gewinn lockt die Unternehmer wie der Honig die Bienen. Finden sie eine ertragreiche Blüte, stürzen sich dank Wettbewerb auch andere darauf. Gewinn ist, was die Unternehmen suchen und zerstören, wenn sie ihn gefunden haben – durch den Wettbewerb. Er sorgt dafür, dass die Bäume nicht in den Himmel wachsen, er ist „das großartigste und genialste Entmachtungsinstrument der Geschichte“ (der Ordoliberale Franz Böhm). Er untergräbt die Marktmacht und selbst scheinbar omnipotente Quasimonopole, noch dazu wenn sie ihre Marktmacht durch überhöhte Preise missbrauchen, müssen ständig fürchten, gerade dadurch die Konkurrenz auf den Plan zu rufen. Über diesen Wettbewerb hat der Staat sorgfältig zu wachen (Kartellbehörde), dass die Spielregeln beachtet werden, keine Fouls geschehen und nicht mit unlauteren Mitteln gekämpft wird - wie ein Schiri beim Fußballspiel.
Gewinnstreben ist in der Marktwirtschaft nicht ein notwendiges Übel sondern erwünscht. Der Gewinn steuert Richtung und Ausmaß der Produktion, er schafft die Basis für Innovationen (bis zu 90% wird investiert, nur der kleinste Teil geht in den Konsum des Kapitalisten). Wehe dem Unternehmer, der sich den Gesetzen des gnadenlosen Wettbewerbs nicht beugt; er ist rasch „Weg vom Fenster“ - und mit ihm sind es die Arbeitsplätze.
Das Gewinnerzielung ist also nicht unsittlich sondern eine ist Pflicht.
Zur „schöpferischen Zerstörung“ (Schumpeter) des Wettbewerbs gehört aber auch, dass Unternehmen, die nicht mithalten können, aus dem Markt scheiden. So bitter es für die betroffenen Arbeitnehmer ist: Dieser Ausleseprozess ist notwendig. Würde man kranke Unternehmen durch Subventionen künstlich am Leben halten, sänke die Produktivität permanent und die Leistungsfähigeren müssten dafür aufkommen. Die DDR ist ein abschreckendes Beispiel dafür, wohin das führt, dann geht eine ganze Volkswirtschaft in Liquidation.
Der Wettbewerb zwingt zu ständig neuen Innovationen, ist kreativ, erfüllt von Dynamik. Wer sich gegen ihn abschottet, tritt den Marsch in die Armut an. Das gilt auch für die Globalisierung (aber auf diese Problematik soll hier nicht eingegangen werden)
Das Ethos der Marktwirtschaft liegt im Credo: Ich, der Bürger, will aus eigener Kraft und in eigener Verantwortung mein Leben in die Hand nehmen. Gib Du, marktorientierter Staat, mir die Chancen dazu. Und nur die wirklich Bedürftigen, sagen wir ruhig: die irgendwie vom Schicksal mit Behinderungen geschlagen sind, sollen und müssen die Hilfe der Gemeinschaft erhalten!
Der Vater des „Wirtschaftswunders“ (Ludwig Erhard hat diesen Begriff stets abgelehnt) – längst von der CDU verraten – hatte eine ganz andere Vorstellung der Wohlstandsentwicklung: Je höher der individuelle Lebensstandard steigt, desto eher und leichter ist der einzelne Bürger in der Lage, selbst Vorsorge für das Leben zu treffen, für Alter, Krankheit, Unfall. Und so könnte sich der Staat mehr und mehr aus der Daseinsfürsorge zurückziehen. Die tatsächliche Entwicklung ist genau anders gelaufen. Trotz des von 1950 bis 1990 in der alten BRD permanent steigenden Lebensstandards hat der Sozialstaat immer größere Anteile des BIP absorbiert (von 7% auf 33%) und ist zum totalen Versorgungsstaat mit einer gewaltigen, kostspieligen Bürokratie geworden, bei der jeder irgendwie irgendwas erhält. 180 Subventionen zählt P. Kirchhof auf.
Das ist längst die unsittliche Perversion einer Gesellschaft, die sich von der Ethik der Marktwirtschaft verabschiedet hat, wo Sozialhilfekarrieren bereits selbstverständliches Ziel werden. Dafür liefert die Tristesse der Spargelstecherei ein beredt Beispiel: Von 10 in Sachsen-Anhalt von der Arbeitsagentur vermittelten deutschen Arbeitslosen (junge Männer zwischen 20 bis 30 Jahre) erscheinen nach drei Tagen höchstens noch zwei. Die anderen „haben es im Rücken“, oder bekommen Kopfschmerzen, wenn sie um fünf Uhr morgens aufstehen sollen oder es tun ihnen nach einer Stunde Füße und Hände so weh usw.usw.
Noch ein letztes – auch als Nachtrag zu meiner Antwort an Frau Bertha – weder die Bibel noch Kant verdammen die Wahrnehmung des Eigeninteresses. Man soll seinen nächsten lieben wie sich selbst – aber man braucht ihn nicht stärker zu lieben. Vorteilsstreben ist legitim, wenn es auch dazu dient, einen Beitrag für die Gesellschaft zu leisten. Das ist die eingebaute „unsichtbare Hand“ der martktwirtschaftlichen Ethik, die dafür ganz ohne staatlichen Befehl oder moralische Appelle auskommt.

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ziesemann
dutchweepee
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Re: Die Ethik der Marktwirtschaft
geschrieben von dutchweepee
als Antwort auf ehemaligesMitglied45 vom 15.07.2007, 14:37:17
"Mit entsprechendem Profit wird Kapital kühn. Zehn Prozent sicher, und man kann es überall anwenden; 20 Prozent, es wird lebhaft; 50 Prozent, positiv waghalsig; für 100 Prozent stampft es alle menschlichen Gesetze unter seinen Fuß; 300 Prozent, und es existiert kein Verbrechen, das es nicht riskiert, selbst auf die Gefahr des Galgens."

( Fußnotiz von Marx im "Kapital" )
ehemaligesMitglied45
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Re: Die Ethik der Marktwirtschaft
geschrieben von ehemaligesMitglied45
als Antwort auf dutchweepee vom 15.07.2007, 18:20:50
Das Wort kenne ich. Mit Marx hast Du natürlich einen geradezu hochobjektiven, absolut zuverlässigen Kronzeugen gefunden.
Aber was anderes: Wusstest Du, dass Marx ausdrücklich die persönliche Diffamierung des Unternehmers für falsch hielt? Auch wenn er in der rhetorischen Praxis schimpfte, weil er den Talar des Gelehrten oft mit dem Kampfanzug des Agitators tauschte. Unternehmer können gar nicht anders als systemimmanent handeln. Nun versuchte ich in meinem Beitrag darzulegen, bei dem ich mir gerade von Dir eine substantiellere Antwort erhofft hatte, dass dieser Zwang zur Gewinnthesaurierung im Rahmen der Konkurrenz den "Wohlstand für alle" zu schaffen vermag - 1989 lag er in der BRD um rd. 60% über der DDR.
Die Bedingungen habe ich genannt: Straffer staatlicher Ordnumgsrahmen. Afrika und viele andere Länder haben den Raubtierkapitalismus, den vom K. der Sozialen Marktwirtschaft Welten trennen.
--
ziesemann

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dutchweepee
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Re: Die Ethik der Marktwirtschaft
geschrieben von dutchweepee
als Antwort auf ehemaligesMitglied45 vom 15.07.2007, 19:39:11
@ziesemann

hast du das "kapital" von marx je gelesen? das ist auch für "unternehmer" interessant. ---> HIER <--- hast du einen link zum einlesen. marx geißelt niemals das unternehmertum, sondern nur die ungehemmte gewalt des KAPITALS (wie übrigens auch altbundeskanzler helmut schmidt und der ex-präsident richard von weizsäcker).

ich könnte prima mit einer marktwirtschaft leben, wenn es keine zinsgewinne gäbe. DAS ist in meinen augen das verwerfliche des KAPITALS. solange ein "unternehmer" etwas unternehmen muß, um geld zu verdienen, ist er eine fortschrittstreibende kraft. wenn allerdings nur noch sein KAPITAL "arbeitet" wird er zur bremse.
EehemaligesMitglied58
EehemaligesMitglied58
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Re: Die Ethik der Marktwirtschaft
geschrieben von EehemaligesMitglied58
als Antwort auf dutchweepee vom 16.07.2007, 05:47:14
Was hast du gegen zinsgewinne?
Jeder(fast)jeder, der ein unternehmen gründet braucht erstmal kapital.
Da es ihm keiner schenkt, muß er es leihen,gegen zinsen, das ist erstmal nicht verwerflich, höchstens die höhe des zinssatzes.
Machst du nun mit deinem unternehmen gewinn, legst du den entweder wieder im unternehmen an, oder steckst ihn in den sparstrumpf oder gibst ihn ner bank, damit andere wieder geld leihen, unternehmen gründen oder erweitern können.
Insofern ist doch alles lege artis....oder?
Schlimm wirds doch erst dann, wenn vagabundierendes kapital zum zweck des aufkaufs mit kurzfristiger maximalgewinnerzielung unter einkalkulation der vernichtung von unternehmen eingesetzt wird.


--
gram
dutchweepee
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Re: Die Ethik der Marktwirtschaft
geschrieben von dutchweepee
als Antwort auf EehemaligesMitglied58 vom 16.07.2007, 12:47:35
@gram

an der marktwirtschaft wird immer gelobt, daß ein unternehmer ein gesteigertes interesse hat, auf veränderte sitationen schnell mit neuen produkten zu reagieren. das stimmt auch. wenn jedoch die haupteinnahmen eines unternehmens nur noch aus kapitalgeschäften und nicht aus warengeschäften bestehen, so ist das kontraproduktiv - auch für die volkswirtschaft.

ein beispiel: die firma SIEMENS wurde bereits in den 90ern von ihren eigenen mitarbeitern als "BANK MIT ANGESCHLOSSENER ELEKTROWERKSTATT" bezeichnet, weil 80% der gewinne durch kapitalgeschäfte und nicht durch warenproduktion erwirtschaftet wurden. was mittlerweile für ein schmieriger sumpf aus SIEMENS geworden ist, konntest du in den letzten wochen in der presse verfolgen.

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ehemaligesMitglied45
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Re: Die Ethik der Marktwirtschaft
geschrieben von ehemaligesMitglied45
als Antwort auf dutchweepee vom 16.07.2007, 05:47:14
Aber ja kenne ich "Das Kapital" - und ich bin so arrogant zu behaupten, dass ich zu den wenigen gehöre, die sich durch alle drei Bände in ihrem grauenvollen Stil, ,mit den vielen Redundanzen und ständig wechselnden Begrifflichkeiten durchgearbeitet haben. Die Arbeiter haben Marx nie verstanden, sie haben nur an ihn geglaubt.
Der Zins hat mehrere Funktionen; die wichtigste ist: Er lenkt als Preis für die Überlassung des Kapitals dies zum Ort der produktivsten Verwendung.
Sogar die kath. Kirche hat nach rd. 1500 Jahren ihren Frieden mit dem Zins gemacht, nachdem sie begriff, dass investives Kapital sehr wohl produktiv sein kann und damit einen Profit für Kapitalnehmer und -geber abwirft.
Noch 'ne Frage: Missgönst Du der Oma auch die Zinsen auf ihrem Sparbuch? (Oft decken diese nicht mal die Geldentwertungsrate.
--
ziesemann
dutchweepee
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Re: Die Ethik der Marktwirtschaft
geschrieben von dutchweepee
als Antwort auf ehemaligesMitglied45 vom 17.07.2007, 13:14:59
@ziesemann

kein "marxist" (sozialist, kommunist, oder von mir aus LINKER) will sich an omas sparbuch oder ihrem klein häuslein vergreifen. das ist eine billige propaganda lüge der neoliberalen.

es geht um die akkumulation und erweiterte akkumulation von geldwertem kapital, das keinerlei produktivkraft darstellt. es wird immer behauptet, daß diese geldmengen "investiert" werden und somit den produktionsprozess ankurbeln.

das gegenteil ist der fall. riesige kapitalmengen werden von yen in dollar, von dollar in euro umgerubelt, um mittels kursschwankungen geld zu vermehren. kein einziger mehrwert wird dadurch produziert, keine arbeitsstelle geschaffen, keine maschine gekauft - garnichts wird dadurch besser. nur die banken werden reicher und ein paar börsen brooker können sich einen neuen pool bauen lassen.

P.S.: der islam kommt prima ohne zinsen aus - die sind für muslime nämlich verboten. in holland gibt es eigens konten für muslime, die keinerlei zinsen ausschütten.
ehemaligesMitglied45
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Re: Die Ethik der Marktwirtschaft
geschrieben von ehemaligesMitglied45
als Antwort auf dutchweepee vom 17.07.2007, 13:55:14
OK, dann sage bitte, ab welchem jährlichen Zinsbetrag beginnt die unmoralische Akkumulation? Beachte bitte, dass die Ausschüttungen an die Kleinanleger bei Kapitalfonds aus gewaltigen Kapitalakkumulationen gespeist werden.
Die zinslosen Konten der Muslime sind mir neu. Aber ich halte jede Wette, dass jeder türkische Kaufmann hier in D in aller Regel rückständige Zinsen eintreiben wird, wenn sie ihm rechtmäßig zustehen.
Andernfalls hätte er einen erheblichen Wettbewerbsnachteil
Und hier in D kann er ja seine erhaltenen Bankzinsen jederzeit einem wohltätigen Zweck vermachen - bekommt dafür noch eine Spendenbescheinigung.
(Allerdings nicht für milde Gaben an Al Kaida.)
--
ziesemann
dutchweepee
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Re: Die Ethik der Marktwirtschaft
geschrieben von dutchweepee
als Antwort auf ehemaligesMitglied45 vom 17.07.2007, 16:43:46
@ziesemann

du denkst zu "kapitalistisch" )) (das war ein freundlicher scherz.)

es ist blödsinn einen grenzbetrag anzugeben. es geht um´s prinzip. natürlich braucht jedes unternehmen eine kapital-basis, die es sich erwirtschaftet hat, um modernisierungen und forschung zu betreiben. das ist auch in der sozialistischen ökonomie der fall.

wenn jedoch dieser kapital-fundus genutzt wird, um reine geld- und zinsgeschäfte abzuwickeln, so ist das gesellschaftlich gesehen kontraproduktiv. das unternehmen macht zwar (unter einem guten stern) profit, erwirtschaftet aber keinen warenwert, oder nutzen. das ist finanzielle masturbation, die im kapitalismus mit hohen dividenden belohnt wird.

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