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Innenpolitik Dieses Land braucht einen radikalen Umbau des Schulsystems

ehemaligesMitglied24
ehemaligesMitglied24
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Re: Dieses Land braucht einen radikalen Umbau des Schulsystems
geschrieben von ehemaligesMitglied24
als Antwort auf Femmefatale vom 12.06.2016, 08:28:27
Grüß dich, ff!

Ich glaube, wir müssen zwei Dinge auseinanderhalten, nämlich "Versagen" und "Mißerfolg".
Selbstredend müssen Kinder/Jugendliche (altersadäquat!) lernen, mit Erfolg und eben auch Mißerfolg umzugehen, sie müssen lernen und üben zu kritisieren, ohne zu beleidigen und Kritik zu akzeptieren, ohne in Tränen auszubrechen. Das kann man mit ihnen trainieren, behutsam und sachlich-respektvoll. Nur muss sich der Lehrer/die Lehrerin dann die Zeit nehmen (können), ruhig mit den Schülern zu reden, gelassen ein Gespräch über das gerade Geschehene zu moderieren; genau diese Zeit fehlt aber, weil die Lehrer/innen allzu oft unter dem Stoffdruck stehen ("Ich muss bis zur Klassenarbeit noch das Passiv durchgenommen haben.").
Das "Versagenserlebnis" ist etwas anderes. Es qualifiziert die Persönlichkeit (ab). Wer sich als Versager begreift, als Loser, dessen dominantes Lebensgefühl ist Angst. Möglicherweise - ich wiederhole mich - sucht derjenige dann bei sich bietender Gelegenheit das wärmende Gefühl der Gruppe, die aus Menschen besteht, die ähnlich fühlen.
Lernen, das sagst du ja auch, läuft über Beziehungen; Beziehungen aber müssen gepflegt werden und das braucht Zeit, Zeit, die jedoch die herrschenden Simpelpädagogen in den Ministerien und Behörden glauben einsparen zu können: Falsch gedacht!

Alles Liebe!

Dooscastle
Edita
Edita
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Re: Dieses Land braucht einen radikalen Umbau des Schulsystems
geschrieben von Edita
als Antwort auf Elmos vom 12.06.2016, 08:49:56
Hallo,
Obwohl ich dir grundsätzlich zustimme, bin ich dennoch der Ansicht, dass Schüler auch lernen sollen, mit einem Versagenserlebnis umzugehen.

könntest du das für mich, als Nicht-Pädagogen, vielleicht etwas erläutern?
Liebe Grüße
Andrea


Lach Elmos, Deine wiederholt kundgetanenen defizitären Zugeständnisse auf allen möglichen Gebieten, ich bin da auch schon drauf reingefallen, können den Eindruck vermitteln, daß Du uns "prüfen" möchtest, auf welchem Level Du Dich mit jedem Einzelnen von uns " verständigen " könntest!?

Man muß kein Pädagoge sein um zu wissen, daß zum Hinfallen das Aufstehen gehört, zum Nichtkönnen das Können und zum Versagen der Triumpf, und das gilt es kleinen und großen Kindern zu vermitteln, damit sie so gestärkt sich selbst und das Leben entdecken können!

Edita
Femmefatale
Femmefatale
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Re: Dieses Land braucht einen radikalen Umbau des Schulsystems
geschrieben von Femmefatale
als Antwort auf ehemaligesMitglied24 vom 12.06.2016, 10:11:58
Das meinte ich mit Mut zur Lücke.
Es gibt(?)/gab in den Lehrplänen stets Sachen, die man getrost beiseite lassen konnte, um z.B. mit der ganzen Klasse zu sprechen.
Wie oft habe ich formellen Unterricht ausfallen lassen, weil es einfach nicht angeht, dass ein Schüler wegen seines toten Kaninchens heulend da sitzt und normal weiter gearbeitet wird.
Aber auch nach der Stunde ergab sich oft mal die Gelegenheit, mit einem Schüler alleine zu sprechen. Manchmal habe ich auch jemand in meiner Freistunde aus einem anderen Unterricht geholt zum Sprechen.
Mach mir keiner weis,dass jede einzelne U-Stunde für den Abschluss unentbehrlich ist.
Der Erfolg hat mir recht gegeben.

Hach Leute, ich hab meine Schüler so gern gehabt!!!!!!!!!!

ff

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Re: Dieses Land braucht einen radikalen Umbau des Schulsystems
geschrieben von ehemaliges Mitglied
Ich habe gerade vor ein paar Tagen einen Artikel in der Süddeutschen gelesen über eine Schule, die den deutschen Schulpreis 2016 bekommen hat, weil sie so eine tolle Arbeit mit den Kindern macht.
Wenn man dem Artikel Glauben schenken darf, gehen alle Kinder gern in die Schule, mögen ihre Lehrer und sind obendrei noch in puncto Leistung herausragend.
Mir klingt das alles etwas übertrieben, habe so etwas noch nie gehört, aber wenn es denn stimmen sollte, warum machen es dann nicht alle Schulen so? Man braucht ja nur die guten Beispiele als Vorbild zu nehmen.

Hier der Artikel:
Elmos
Elmos
Mitglied

Re: Dieses Land braucht einen radikalen Umbau des Schulsystems
geschrieben von Elmos
als Antwort auf Edita vom 12.06.2016, 10:23:40
Hallo Edita,


Lach Elmos, Deine wiederholt kundgetanenen defizitären Zugeständnisse auf allen möglichen Gebieten, ich bin da auch schon drauf reingefallen, können den Eindruck vermitteln, daß Du uns "prüfen" möchtest, auf welchem Level Du Dich mit jedem Einzelnen von uns " verständigen " könntest!?


Sorry, aber ich empfinde das wirklich so, das ist keine "Veräppelung" noch weniger "Prüfung". Ich bin, das steht auch so in meinem Profil eigentlich Biologin, da ich in dem Beruf aber niemals gearbeitet habe hab ich davon tatsächlich auch nicht viel Ahnung. Arbeiten tu ich als statistische Programmiererin. Aber das, womit ich mich demnach wirklich auskenne, nämlich die Statistiksoftware "SAS" ist nun eigentlich nichts, das an Kenntnis im "echten Leben" von irgendeiner Bedeutung ist.

So gehe ich davon aus (und ich denke in der Regel ganz zu Recht) dass ein "richtiger" Biologe mehr Ahnung von Bio hat als ich, ein Bäcker mehr Ahnung vom Brotbacken und ein Pädagoge eben mehr Ahnung von Pädagogik.

Und dass zum aufstehen das hinfallen gehört, das ist mir natürlich auch klar. Aber warum Versagen (das für mich etwas ist, das ein Kind ausserhalb unserer Konkurrenz und Wettbewerbsgesellschaft so gar nicht kennen lernen würde) etwas ist das man schon als Kind lernen muss, das ist mir nicht einleuchtend, und daher habe ich das hinterfragt. Und ich hatte den Eindruck, dass FF diesen Begriff auch ganz anders versteht als ich.

Liebe Grüße
Andrea
Femmefatale
Femmefatale
Mitglied

Re: Dieses Land braucht einen radikalen Umbau des Schulsystems
geschrieben von Femmefatale
als Antwort auf Elmos vom 12.06.2016, 16:12:25
Können wir das klären, Andrea?
Wie verstehst du den Begriff? Dann hat meine Erklärung oben dir sicher nicht weiter geholfen, oder?
Das interessiert mich jetzt doch sehr!

LG, ff

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Elmos
Elmos
Mitglied

Re: Dieses Land braucht einen radikalen Umbau des Schulsystems
geschrieben von Elmos
als Antwort auf Femmefatale vom 12.06.2016, 17:21:06
Hallo FF,

ups, ich hatte dir eine total lange und ausführliche Antwort geschriben vorhin (vor meiner Antwort an Edita) und jetzt frage ich mich wo die hingekommen ist. Hättest du jetzt nicht um "Klärung" gebeten hätte ich mich einfach nur gefragt warum du mir nicht mehr geantwortet hast. Was jetzt dann sicherlich du dich gefragt haben wirst.

Ich werde aber noch mal versuchen die in etwa zusammen zu bekommen.

Liebe Grüße
Andrea
Elmos
Elmos
Mitglied

Re: Dieses Land braucht einen radikalen Umbau des Schulsystems
geschrieben von Elmos
als Antwort auf Femmefatale vom 12.06.2016, 09:52:54
Hallo,

wie blöd - ich bin auch noch mal in meiner "Chronik" jetzt zurück gewandert, in der Hoffnung meine Schreiberei wieder zu finden, aber da war nur das Zitat deines Textes gespeichert, nicht aber mein Sermon dazu...



An unserer Schule wurde z.B. des Langen und Breiten diskutiert, wie man mit Schülern umgeht, die z.B. beim Sportfest im Lauf letzte geworden sind.
Ich finde, das ist gar kein Problem.


Ich glaube mein "Problem" war der Begriff "Versagen". Der ist für mich sehr negativ belegt. Denn wenn ich bei etwas "versage" so bedeutet das für mich, dass ich das einfach nicht kann, zu dumm, zu ungeschickt, zu blöd bin das hinzubekommen.Und es impliziert, dass ich machen kann was ich will - denn ich bin ja ein Versager, und werde das auch zu einem späteren Zeitpunkt nicht können. So nach dem Motto: einmal Mathe-Niete, immer Mathe-Niete...

Wenn ich aber etwas einfach nicht kann, was normal ist (ich kann wie allem Menschen vieles nicht) dann kann ich es doch lernen. Im Prozess des Lernens werde ich etliche Rückschläge hinnehmen müssen, aber das würde ich nicht als Versagen ansehen.

Also ein ganz einfaches Beispiel. Drück irgendeinem Kind ein Fahrrad in die Hand und nach einer Weile wird es das Fahrrad fahren können. Bis es das richtig gut kann wird es etliche "Niederlagen" hinnehmen müssen. Nun aber jedes hinfallen, falsch lenken, im Graben landen, Leute überfahren als "Versagen" zu bezeichnen, das schiene mir doch übertrieben. Das sind einfach Rückschläge die jedermann während jedes Lernprozesses hinnehmen muss. Das ist normal. Und es ist auch normal, dass es immer jemanden geben wird der noch besser Radfahren kann als man selber. Das muss man halt hinnehmen, und natürlich müssen Kinder auch lernen, dass hinzunehmen. Das geht aber, würde ich behaupten, ganz automatisch. Wenn ein Kind das nämlich nicht möchte, dann muss es noch mehr radfahren üben, bis es irgendwann niemanden mehr gibt der besser fährt als es. In der Regel reicht es aber fast jedem Menschen aus mit dem Rad in einem netten Tempo von A nach B zu radeln, und daher wird es irgendwann aufhören noch mehr zu üben um noch besser zu werden. Und wird sich durch Rennradler, die an ihm vorbei zischen nicht wirklich als Versager fühlen. Denn - das übermässig tolle Radfahren das, so wird jedes Kind irgendwann erkennen, kann es sich nur dadurch "erkaufen" dass es im Gegenzug keine Zeit hat schwimmen zu lernen, oder Arithmetik, oder Pflanzenbestimmung, oder Kochen, oder World of Warcraft oder Waveboard fahren.
Was ich damit sagen möchte. Also einfach: ganz klar, man kann nicht alles "am besten" können und ich glaube das Kinder das auch genau wissen, das es sie aber eigentlich gar nicht stört. Dass sie überhaupt lernen müssen damit umzugehen das liegt in meinen Augen eigentlich nicht an ihnen.

Was ich sagen wollte: also da bin ich da eigentlich ganz bei dir (und auch bei Edita). Auch wenn wir andere "Begriffe" benutzen (von daher war die Begriffserklärung schon wichtig):
Es ist kein Problem langsamer zu laufen als andere. Es ist kein Problem "hinzufallen".
Das Problem wird eigentlich nur zum Problem weil unser ganzes System darauf ausgerichtet ist schon kleine Kinder in Wettbewerb miteinander zu setzen (so lange sie das von selber machen, sehe ich das nicht als Problem an. Aber - siehe dein Sportfest - die Wettbewerbssituation denken sich andere für sie aus).

Zu deinem anderen Beispiel möchte ich noch etwas sagen. Das ist spannend:


In Zeugnissen steht dann z.B.: XY kann problemlos im Zahlenraum bis 10 rechnen.
Dass sie/er das eigentlich im Zahlenraum bis 100 können müsste, steht nicht dabei, weil nichts Negatives mehr in Zeugnissen stehen soll.


Wer bestimmt denn, dass ein jedes Kind zu einem festgelegten Zeitpunkt im Zahlenraum bis 100 rechnen können muss?
Vielleicht ist es einfach noch nicht seine Zeit dafür gewesen? Ich muss mal hier ein wenig über meinen Sohn "ablästern". Dieses Kind, welches ich mein Eigen nenne, konnte am Ende des 4. Schuljahrs noch kein bisschen lesen. Ich glaube, er konnte noch nicht mal sicher alle Buchstaben identifizieren.
Glücklicherweise befand er sich damals nicht in einer Regelschule, ich glaube, sonst wären spätestens hier die Weichen für sein zukünftiges Leben ganz anders gestellt worden.

Statt dessen ist er ganz normal weiter in die Schule gegangen, und hat dann eben in der 5. Klasse lesen gelernt. Sein Problem war da nämlich, dass er die Matheaufgaben zunehmend nicht mehr verstand (und sich auch nicht mehr alle vorlesen lassen wollte), weil die dann mit sehr viel Text daher kamen - ein Grund für ihn also mal lesen zu lernen. Und so hat er seine Liebe zur Mathe nicht verloren und zusätzlich dann lesen gelernt (was er auch bis heute hervorragend beherrscht).
Wäre er nicht in einer Schule gewesen, die ihm die Zeit gegeben hätte auch solche Dinge zu "seiner Zeit" zu lernen, dann hätter er sicher sein Abi kaum so locker machen können wie er es später dann gemacht hat.

Ich glaube, dass die normale Schul"planung" irgenwie nur auf Normkinder zurecht geschnitten ist. Kinder wie beispielsweise mein Sohn fallen da sehr leicht durchs Raster. Und auch die Kinder, die weniger "unnormal" sind, die lässt man nicht in Ruhe und mit ihrem Tempo lernen, was es immer auch für sie zu lernen gibt.

Ich glaube, dass man in der Schulzeit in der Regel extrem viel Ballast ansammelt. Wichtig ist meiner Meinung nach nur ein kleines "Polster" an gemeinsamen Wissen. Dass man am Ende der Schulzeit lesen kann, dass man schreiben kann und die Grundrechenarten beherrscht (wobei da eigentlich fast + und - reicht und das Verständnis für die Logik hinter x und /). Viel wichtiger ist es, dass man zu dem Zeitpunkt gelernt hat wie man LERNT. Und das man das immer noch mit Esprit und Elan gerne tut. Denn das hilft einem das ganze weitere Leben weiter, bei allem was man tut.
Infinitesimalrechnung, der Ablativ und auch die Abfolge der römischen Kaiser hat mir in meinem späteren Leben wenig geholfen. Da war es viel wichtiger, dass ich mir einen Rest an Begeisterung irgendwie gerettet hatte...

Liebe Grüße
Andrea
Femmefatale
Femmefatale
Mitglied

Re: Dieses Land braucht einen radikalen Umbau des Schulsystems
geschrieben von Femmefatale
als Antwort auf Elmos vom 12.06.2016, 18:15:01
Da gebe ich dir völlig recht, in allem, was du schreibst.
Allerdings habe ich meine Zweifel, ob wir in D jemals ein solches Schulsystem flächendeckend erreichen werden.
Es gibt eine Menge Dinge, bei denen Schüler mich gefragt haben, warum sie das lernen müssen.
Ich habe dann geantwortet, dass man es eben muss, um einen bestimmten Abschluss zu erreichen; wie bei der theoretischen Führerscheinprüfung. Da muss man auch eine Menge Dinge lernen, die man wissen muss, um die Prüfung zu bestehen. Aber frag mich mal heute, mit wieviel Tonnen man noch auf dem Bürgersteig parken darf.
Für die Prüfung musste man es halt wissen.

Also müsste man das gesamte System ändern, wenn man wirklich was erreichen möchte.

Noch was Lustiges vielleicht: Also ich könnte trainieren , wie ich wollte, auch schon, als ich noch jung war, ich könnte niemals die 100m unter 11 Sekunden laufen. Laufen war einfach nicht mein Ding.

LG, ff
Elmos
Elmos
Mitglied

Re: Dieses Land braucht einen radikalen Umbau des Schulsystems
geschrieben von Elmos
als Antwort auf Femmefatale vom 12.06.2016, 19:21:54
Hallo,


Noch was Lustiges vielleicht: Also ich könnte trainieren , wie ich wollte, auch schon, als ich noch jung war, ich könnte niemals die 100m unter 11 Sekunden laufen. Laufen war einfach nicht mein Ding.


Nun ja, ich hab das vielleicht etwas vereinfacht. Jeder Mensch hat irgendwo Grenzen, das denke ich schon. Aber die sind viel weiter "dehnbar" als man allgemeinhin so denkt.

Wer weiss, vielleicht wenn du in deiner Kindheit und Jugend ständig das rennen trainiert hättest, wärest du irgendwann wenigstens eine der besten in euerm Dorf/eurer Stadt geworden. Obs nun wirklich zum Weltmeistertitel gereicht hätte? Aber falls es dich tröstet, ich hab mal nachgeschaut. Auch die Weltmeisterinnen haben erst 1973 erstmals die 11 Sekunden unterschritten.

Und ansonsten: ich glaube (und hoffe) dass dieser Leistungswahn irgendwann beendet wird und das System tatsächlich geändert werden will. Das ist derzeit so eine Vergeudung, zum heulen.

Liebe Grüße
Andrea

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