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Innenpolitik Dieses Land braucht einen radikalen Umbau des Schulsystems

Elmos
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Re: Dieses Land braucht einen radikalen Umbau des Schulsystems
geschrieben von Elmos
Hallo,

heute gabs in Leonardo einen Beitag über die Abschaffung der Schulnoten, in der auch einige der hier angesprochenen Dinge erwähnt wurden.

Eine Beschreibung:
Ankündigung auf der WDR-Seite

Und hier noch der Link zum Podcast, leider gibts den nur auf die ganze Sendung und nicht zum einzelnen Beitrag, aber wenn ihr den Podcast ab Minute 12 hört, dann seit ihr richtig.

Leonardo: Schulnoten überflüssig

Liebe Grüße
Andrea
olga64
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Mitglied

Re: Dieses Land braucht einen radikalen Umbau des Schulsystems
geschrieben von olga64
als Antwort auf Elmos vom 08.07.2016, 17:39:54
Das betrifft nur NRW (SChule ist ja LÄndersache) und ist hier eine Einzelmeinung. Seit 2010 ist für Schule und Bildung dort Frau Löhrmann zuständig (m.W. eine ehemalige Lehrerin). Warum ändern dort Frau Kraft und Frau Löhrmann dies nicht, so lange sie noch ander Regierung sind und solche Neuerungen gut finden? Nächstes Jahr sind Wahlen in NRW und ob Rot-Grün dort wirklich wieder erfolgreich wird, kann man bezweifeln. Olga
Elmos
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Mitglied

Re: Dieses Land braucht einen radikalen Umbau des Schulsystems
geschrieben von Elmos
als Antwort auf olga64 vom 08.07.2016, 18:17:50
??? Ich verstehe deinen Beitrag nicht, Olga.
Das ist ein ganz allgemeiner Beitrag darüber, wie gut und sinnvoll es wäre Schulnoten abzuschaffen. Und dafür gelten wahrscheinlich (vermute ich mal) Bundeslandgrenzenüberschreitend so ziemlich die gleichen Argumente.

Lesen/anhören wäre also schon gut gewesen, aber - finde ich zumindest - das lohnt sich auch wenn man nicht hier "mitreden" möchte, einfach nur so für die eigene Argumentation. Es hätte etwas "tiefer" gehen können, aber so zum Einstieg war es ganz gelungen.

Liebe Grüße
Andrea

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Re: Dieses Land braucht einen radikalen Umbau des Schulsystems
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf Elmos vom 08.07.2016, 17:39:54
Liebe Andrea!
Hör mir auf mit dem Himmelrath!

Seit weit über 100 Jahren steht die Bewertung von Schülerleistungen durch Zensuren in der Diskussion.
Es ist also kein neuer Einfall eines "Bildungsjournalisten" - Marke Armin Himmelrath- sondern permanentes Diskussionsthema.
Ebenso, wie die Frage nach dem Nutzen von Hausaufgaben ...
Dabei ist der Herr Himmelrath nicht gerade prädestiniert, über den Ablauf, die Probleme und Notwendigkeiten, Schwierigkeiten im Schulbetrieb große Worte zu schwingen.
Er hat zwar auf Lehramt studiert, zeigte aber schon am Ende seines Studiums,dass die Arbeit mit Schülern nicht sein "Ding" ist.
Er kennt den Schulbetrieb und die wirklichen Probleme des Schulwesens nicht aus eigener Erfahrung, sondern ausschließlich aus Umfragen, Studium pädagogischer Artikel,Statistiken ...
Ich habe 1998 an der Humbold-Uni eine Diskussionsrunde mit ihm miterlebt.
Da ging es u.a. darum, dass im Bereich der Grundschule die Benotung grundsätzlich wegfallen und ersetzt werden sollte durch kurze Worturteile für die unterschiedlichen Fachgebiete.
Dem "Experten" Himmelrath gind das nicht weit genug. Er forderte den Wegfall aller Bewertungen durch Zensuren/ oder Punktbewertungen bis zur Abiturstufe.
Auf Zwischenfragen einiger Kollegen waren seine Pauschalantworten : "da gibt es bessere pädagogische Instrumente" oder "das ist pädagogischer Unfug"...
Konkretes hatte er nicht auf der Schippe.
--------
Ansonsten ist das Thema so umfangreich, dass eine Diskussion zum "...radikalen Umbau des Schulsystems" mit wenigen Sätzen kaum möglich ist.
Deshalb nur mal kurz einige Bemerkungen zu einem dieser Theoretiker, die alles wissen und trotzdem nichts Konkretes beitragen können.
Elmos
Elmos
Mitglied

Re: Dieses Land braucht einen radikalen Umbau des Schulsystems
geschrieben von Elmos
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 09.07.2016, 09:42:24
Hallo Klaus,


Hör mir auf mit dem Himmelrath!


Gerne. Wobei ich mich freue, dass du den Beitrag offensichtlich angeschaut/gehört hast. Allerdings muss ich sagen, dass mir der Beitag in Leonardo gut gefallen hat, wobei er durchaus etwas an "Tiefe" vermissen liess, was ich aber nicht unbedingt als Manko empfand. Aber das Publikum waren ja keine Hochschullehrenden, sondern Radiohörer, das ist ja auch eine andere Situation.

Ich denke auch nicht, dass es eine neue Idee ist, aber fand die Sendung für Menschen, die sich damit noch nicht beschäftigt haben, einen guten Einstieg.


Dem "Experten" Himmelrath gind das nicht weit genug. Er forderte den Wegfall aller Bewertungen durch Zensuren/ oder Punktbewertungen bis zur Abiturstufe.


Hm, gibt es denn irgendetwas das dagegen spräche dies so zu handhaben?

Meine Kinder sind ja nun in einer Schule "gross geworden" in der es keine Noten, keine Hausaufgaben, kein "sitzenbleiben" gab, leider nur bis zur 10 Klasse. (Ich muss allerdings gestehen, in der 10 Klasse war durch die landesweite, einheitliches Prüfung für die qualifizierte Fachoberschulreife die vorher immer vorhandene "Leichtigkeit" ein kleines bisschen eingeschränkt, was aber dem System geschuldet war).
Ich könnte nicht sagen, dass sie dadurch ein Wissensdefizit erlangt haben. Im Gegenteil. Sie haben beide ein gutes Abitur gemacht später (das mussten sie, durch den Mangel an Alternativen hier in einer Regelschule machen). Meine Tochter und ihre beste Freundin (seit den Kindergartentagen) haben übrigens zwei der drei besten Abis in der Stufe (in einer doch sehr grossen Schule) gebastelt, und beide ohne viel "Aufwand", einfach weil sie nicht in den 10 Jahren davor "verlernt" hatten sich für den Unterrichtsstoff zu interessieren. Mein Sohn hat allerdings die Oberstufe wirklich gehasst, aber dennoch so viele Reserven aus seiner freien Schulzeit gehbabt zumindest ein gutes Abi zu bekommen.
Und so frage ich mich, welchen Vorteil es für andere Schüler bringen sollte, sie mit diesen seltsamen Noten zu quälen? Ich kann mich noch gut erinnern welcher Horror das für mich in der Schulzeit gewesen ist. Gruselig einfach.
Ich persönlich denke weiterhin, dass man nicht mal Abiturzeugnisse haben sollte, sondern einfach die Kinder "weiterschicken" sollte, wenn man meint sie sind fertig. Und sie dann das an den Unis lernen lassen sollte, was sie interessiert. So wie es heute ist, dass die Studienfächerwahl zu grossen Teilen durch das Erreichen oder Nicht-Erreichen eines NCs bedingt ist, das ist doch Banane. Finde ich zumindest.

Liebe Grüße
Andrea
Re: Dieses Land braucht einen radikalen Umbau des Schulsystems
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf Elmos vom 09.07.2016, 10:44:18
"Und so frage ich mich, welchen Vorteil es für andere Schüler bringen sollte, sie mit diesen seltsamen Noten zu quälen?"


Ich glaube, dass ist zu einfach gedacht. So "seltsam" sind Zensuren für eine Leistungsbewertung nicht.

Über 80% ( Umfrage Berlin)der Eltern von Kindern der Grundschule ( ab 2. Klasse) möchten, dass ihre Kinder zensiert werden.
Umfragen bei Schülern sehen ähnlich aus.
Zensuren können Stress - aber auch Stolz und Antrieb bedeuten.
Es ist allerdings richtig, dass nicht unbedingt gute Zensuren später gute Leistungen, Engagement ... bei der Lehre, Studium ... bedeuten.

Hinzu kommt, dass Zensuren nicht automatisch objektiv sind.
Aber - sind denn Textbewertungen automatisch objektiv?
Im naturwissenschaftlichen Bereich sicher objektiver, als im philologisch-historischen Bereich.
Meine Meinung ist, dass Schüler besonders im oberen Klassenbereich wissen müssen, wo sie in welchen Fächern stehen, um sich motivieren zu können.
Ähnliches gilt für Eltern.
Arbeitgeber haben das Recht, zu wissen, welchen Leistungsstand der Bewerber in den ausbildungsrelevanten Fachbereichen hat.
Zugangsberechtigungen für Unis ... lassen sich derzeit nicht ohne eine Leistungsbewertung gewährleisten.

Natürlich wäre auch eine Textbewertung oder eine individuelle Entwicklungs- und Leistungsstand-Bewertungen möglich.
Das allerdings ist nur mit einer Absenkung der Klassenstärke und damit mit einer deutlichen Erhöhung der Lehreranzahlen zu realisieren.

Internationale Studien haben bewiesen, dass sowohl die "Schule ohne Zensuren" hohe Leistungsstandards erreichen kann ( siehe Finnland).
Als Gegenbeispiel lassen sich einige asiatische Staaten nennen, die mit konsquentem Notensystem noch deutlich besser abschneiden.
Entscheidend ist vielmehr, wie die individuelle Förderung sowohl leistungsstarker und leistungsschwacher Schüler aussieht und da sind wir wieder beim Thema Lehreranzahl und Qualität der Lehrer.

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Elmos
Elmos
Mitglied

Re: Dieses Land braucht einen radikalen Umbau des Schulsystems
geschrieben von Elmos
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 09.07.2016, 12:36:40
Hallo,


Ich glaube, dass ist zu einfach gedacht. So "seltsam" sind Zensuren für eine Leistungsbewertung nicht.


Das "seltsame" ist meines Erachtens nach schon diese "Leistungsbewertung" nach festgelegten Kriterien. Kinder sind doch keine normierten Dinger und von daher ist es unsinnig ihre Entwicklung nach "Standardvorgaben" zu bewerten. Das ist zumindest meine Meinung, und damit habe ich auch beste Erfahrungen gemacht. Ich muss dazu sagen, dass ich kein Pädagoge bin, sondern einfach "Elter".


Über 80% ( Umfrage Berlin)der Eltern von Kindern der Grundschule ( ab 2. Klasse) möchten, dass ihre Kinder zensiert werden.


Das glaube ich dir unbesehen, ich kannte diese Umfrage nicht, aber ich weiss genau, wenn ich erzählte, dass meine Kinder auf eine Schule ohne Noten gingen, dass die erste, ziemlich entsetzte Frage dann lautete: "aber woher weisst du denn dann ob/was/wieviel sie lernen?" und die nächste, ob ich denn keine Angst hätte, dass aus ihnen dann niemals etwas würde.

Umfragen bei Schülern sehen ähnlich aus.


Natürlich, Schüler stecken drin in dem System, und haben das in der Regel schon recht verinnerlicht. Ich habe in der Schule meiner Kinder auch folgende Beobachtung gemacht: die Mitschüler der beiden, die schon seit dem 1. Schuljahr mit ihnen in der Klasse waren, die haben bestens und mit viel Spass und Engagement in der Schule gelernt. Die Kinder, die aus Regelschulen in "unsere" Schule hineingewechselt sind, die hatten tatsächlich oftmals sehr lange Schwierigkeiten ohne diesen Leistungsdruck zu lernen. Ihnen war nämlich schon so jung der Spass am Lernen abtrainiert worden, dass es für sie erst einmal vollends absurd erschien freiwillig zu lernen. Dabei sind Kinder, wie alle Säugetiere, richtige "Lernmaschinen", lernen ist ihr einziger Lebenszweck, ich würde mal behaupten dagegen anzukommen ist sehr schwierig für einen jungen Säuger. Aber es war ihnen, oft schon nach der 3. oder 4. Klasse einfach ausgetrieben worden...


Hinzu kommt, dass Zensuren nicht automatisch objektiv sind.
Aber - sind denn Textbewertungen automatisch objektiv?


Wieso "objektiv"? Meine Kinder bekamen am Schuljahresende immer einen sogenannten "Jahresbrief". Auf den haben sie (und wir Eltern) uns schon lange gefreut, und diese Jahresbriefe werden sogar heute noch manchmal rausgekramt, weil es wunderbare Erinnerungen sind. Es sind Bilder von gemeinsamen Aktionen drin, es steht drin was die Kinder gemacht und gelernt haben und ähnliches. Und es steht nicht drin "XX hat gelernt den Zahlenraum bis 10 zu beherrschen obwohl er eigentlich schon bei 100 sein sollte". Weil nämlich "sollte" nicht existiert, wenn man akzeptiert, dass Kinder ganz individuell lernen. Und eben auch in einem individuellen Tempo.

Arbeitgeber haben das Recht, zu wissen, welchen Leistungsstand der Bewerber in den ausbildungsrelevanten Fachbereichen hat.


Ach, deswegen muss ich bei Bewerbungen bis heute mein Abizeugnis beilegen. Jetzt verstehe ich das...

Und wenn ich ehrlich sein soll, ich glaube, das hat, genauso wenig wie meine Diplomnote jemals irgendwen interessiert. Ausser mich vielleicht


Zugangsberechtigungen für Unis ... lassen sich derzeit nicht ohne eine Leistungsbewertung gewährleisten.


Hmmmm..... ich weiss nicht. Ich habe zum Beispiel fürchterliche Angst vor den meisten Ärzten mittlerweile. Da wäre mir der eine oder andere, der nicht schon in der Schule (und später im Studium) gelernt hätte zusammenhanglos Einzelfakten zu pauken, sicher lieber. Ich glaube, so etwas könnte man durchaus erreichen wenn die Kinder nicht mehr Arzt werden weil der NC das erlaubt, sondern weil sie Interesse an dem Beruf haben. Oder Biologe, oder Pharmazeut oder ...


Natürlich wäre auch eine Textbewertung oder eine individuelle Entwicklungs- und Leistungsstand-Bewertungen möglich.
Das allerdings ist nur mit einer Absenkung der Klassenstärke und damit mit einer deutlichen Erhöhung der Lehreranzahlen zu realisieren.


Abgesehen davon, dass ich die Noten gerne ersatzlos gestrichen hätte, wäre eine Absenkung der Klassenstärke doch sicher nichts falsches. Das hätte auch zur Folge, dass es weniger arbeitslose Lehrer gäbe, und sich mit Sicheheit auch wieder mehr Menschen für diesen Beruf interessieren würden. Und dass die Lehrer dann die Möglichkeit hätten sich individuell um die Kinder zu kümmern. In der Schule meiner Kinder wurde in den letzten Jahren die Regelklassenstärke leider von 18 auf 20 Schüler angehoben, was mir persönlich schon zu viel war.

Internationale Studien haben bewiesen, dass sowohl die "Schule ohne Zensuren" hohe Leistungsstandards erreichen kann ( siehe Finnland).
Als Gegenbeispiel lassen sich einige asiatische Staaten nennen, die mit konsquentem Notensystem noch deutlich besser abschneiden.
Entscheidend ist vielmehr, wie die individuelle Förderung sowohl leistungsstarker und leistungsschwacher Schüler aussieht und da sind wir wieder beim Thema Lehreranzahl und Qualität der Lehrer.


Hast du den Bericht gesehen, den Friedhelm hier verlinkt hatte, und ich auch einmal (das Problem ist, dass er immer wieder verschwindet). Da spricht lange ein "asiatischer" Mensch über das chinesische Schulsystem (das ja, was den Leistungsstandard angeht, anscheinend durchaus sehr "fortschrittlich" ist). Es ist, wie ich finde, sehr reflektiert und sehr ergreifend was er zum "Verschleiss" von Kindern in seinem Land sagt.
Hier ist er momentan zu sehen:
https://www.youtube.com/watch?v=BWM8SiQQXhk

Liebe Grüße
Andrea
ehemaligesMitglied24
ehemaligesMitglied24
Mitglied

Re: Dieses Land braucht einen radikalen Umbau des Schulsystems
geschrieben von ehemaligesMitglied24
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 09.07.2016, 12:36:40
Hallo Klaus,

du schreibst, dass das Thema "radikaler Umbau von Schule" sehr umfangreich sei; das sehe ich genauso. Es ist hochkomplex. Wenn man aber anfinge, den schulischen Alltag an irgend einer Stelle auf Sinn und Funktion hin radikal zu überprüfen, würde schnell der ganze, oft verlogene - und für die Schülerinnen und Schüler schädliche - Bau ins Wanken kommen. Deshalb schlage ich vor, in der Diskussion je einzelne Aspekte anzusprechen und eine solche Radikalüberprüfung mal exemplarisch zu diskutieren.

Hier nur ein paar Anmerkungen zum Thema "Noten".

Zunächst wiederhole ich Triviales: Noten haben keine pädagogische Begründung. Wenn Eltern, Lehrer und - trauriger Weise - auch oft Schülerinnen und Schüler danach rufen, hat das eine Geschichte, die sich zurückverfolgen lässt. Das würde ich dann übrigens unter "Radikalität" verstehen.

Noten (egal, in welchem Bundesland, Olga) täuschen Objektivität nur vor (abgesehen davon, dass die Forderung nach "Objektivität" m. E. im schulischen Rahmen ein leicht zu entlarvender Unfug ist; aber das ist ein anderes Bier): Sie sind keine Skala im Sinne eines Thermometers oder eines Zollstocks, sondern ein höchst subjektives Selektionsinstrument. Und dass sie in diesem Zusammenhang funktionieren, zeigt ja gerade der immer wieder auftauchende Schrei nach frühen und "gerechten" Zensuren. Wer dieses Instrument zur eigenen Chancenzuweisung (oder der seiner Kinder) bereits derart verinnerlicht hat, ist schon ein Produkt einer jahrzenhtelangen Gehirnwäsche, die längst zum Selbstläufer geworden ist.

Dies ist im übrigen keine Diskussion im luftleeren Raum. Die Subjektivität und mangelnde Verlässlichkeit irgendeiner Notenskala ist ja bekanntlich in Versuchen belegt worden, in denen Lehrern Arbeiten von (ihnen nicht bekannten) Schülern in allen einschlägigen Fächern zum Korrigieren vorgelegt wurden. Das Ergebnis war in allen Studien, dass ALLE Arbeiten am Ende auch ALLE Noten bekommen haben. So weit, so lächerlich.

Die viel schlimmere Auswirkung besteht darin, dass die Youngster in dem allmächtige Beurteilungskontinuum der Schule die alltägliche Erfahrung der Ohnmacht machen, des Ausgeliefertseins an den jahrelangen Bewertungsprozess, des ständigen Zu-kurz-Springens (oder wenigstens der Angst davor). Diese Erfahrungen häufen sich als eine Art psychisches Sediment zu Persönlichkeitszutaten an (jaja: es gibt auch Schülerinnen und Schüler, die den Prozess "gut", d. h. mit "guten" Zensuren durchlaufen, aber selbst das ist ein eigener Diskussiospunkt). Wie sich solche Persönlichkeitszutaten möglicher Weise auswirken, kann man etwa in Götz Eisenbergs "Zwischen Amok und Alzheimer" nachlesen.

Zur alternativen (geradezu diametral entgegengesetzten) Praxis: Man kann verblüffend leicht Lernergebnisse via Entwicklungsgesprächen verbessern. Damit meine ich nicht die von dir, wie ich finde, zu Recht bekrittelten Ersatzhandlungen: Ein paar Worte statt einer Ziffer ändern nix, ein Gespräch auf Augenhöhe mit dem Lerner schon.

Theorie und Praxis: Auch hier hast du Recht. In Schule und ihrem Umfeld fummeln viel zu viele Laienschauspieler rum, bis rein in die Unis. Zur Sicherheit: Ich vertrete hier nix, was ich nicht aus der Praxis kenne. Zudem behaupte ich auch nicht, den schulischen Stein der Weisen i. S. v. "Lösung für alle Probleme" zu haben. Aber wer sich in Kenntnis des oft beschämenden Schulalltags auch nur einige empathische Gedanken macht, kann nur den Kopf schütteln.

Ich lass es erstmal gut sein.

Lieben Gruß

Dooscastle
marianne
marianne
Mitglied

Re: Dieses Land braucht einen radikalen Umbau des Schulsystems
geschrieben von marianne
als Antwort auf ehemaligesMitglied24 vom 17.07.2016, 11:34:01
Hallo an alle,
jetzt habe ich mir hier alles durchgelesen. Und weil heute unsere lieben Zwillingsenkel aus dem 4. Schuljahr verabschiedet wurden, "passt es" doch!

Ich bin 80, was auf meiner HP nicht steht. Ich finde: die heutigen Schüler haben es gut, gg. dem, was wir erlebten....1942 wurde ich eingeschult. Das 3.Schuljahr fand wg. dem "Umsturz", wie verharmlosend gesagt wurde-
nicht statt.Das vierte schon....1946 mussten wir für die Mittelschule, wie es damals hieß, eine Aufnahmeprüfung machen. Dann wurde, weil hier franz.besetzte Zone war, erst Französisch gelernt, 2 Jahre später auch englisch.
Weil ich eine geizige Mutter hatte, musste ich nach dem 9.Schuljahr ausscheiden...
Die "Mittlere Reife" machte ich 1975, als Älteste in einer Abendrealschule.
Ein wunderbares Jahr!
So laufe ich jetzt noch rum, ohne Abitur...
Unsere 3 Kinder, die haben es....
Grüße an alle Wohlmeinenden, Marianne
olga64
olga64
Mitglied

Re: Dieses Land braucht einen radikalen Umbau des Schulsystems
geschrieben von olga64
als Antwort auf marianne vom 27.07.2016, 15:22:12
Gratulation - ist doch alles gut gelaufen, obwohl Sie im Krieg zur Schule gingen usw. Auch ohne Abitur, nach welchem Sie heute sicher keiner mehr so richtig fragen würde, auch wenn Sie es hätten.
Sie meinen also - um zum Titelthema zurückzukommen - dass es keinen radikalen Umbau des Schulsystems braucht? Sie lassen durchblicken,dass Ihre Kinder und Enkel dies wie Sie gut gemacht haben? Nochmals Glückwunsch.... Olga

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