Forum Politik und Gesellschaft Innenpolitik Erinnerungskultur - oder Geschichtsverdrängung?

Innenpolitik Erinnerungskultur - oder Geschichtsverdrängung?

miriam
miriam
Mitglied

Erinnerungskultur - oder Geschichtsverdrängung?
geschrieben von miriam
Kann man, bzw. darf man schweigen wenn wieder die altbekannten Parolen vernehmbar werden?

Darf man sich in der Illusion wiegen, dass diese von selbst wieder verstummen werden?
Eigentlich soll die Frage lauten: Ist es nicht so, dass das Schweigen der Generation die auf die Täter folgt, sich irgendwann ins Vergessen verwandelt?

Diejenigen die der Vergangenheit nachtrauern, haben andere Taktiken entwickelt: Schuldzuweisungen anderen gegenüber, das Aufrechnen der Opferzahlen (dabei werden auch gerne Zahlen gefälscht), die Frage nach dem wer-hat-da-eigentlich-angefangen?
Haben erst die Engländer Luftangriffe auf deutsche Städte verübt – oder gab es da etwa doch den gerne verdrängten Blitz auf London?
Dieser fand übrigens in September 1940 statt.

Es ist eigentlich wieder der gerne abgewartete bzw. taktisch günstige Moment gekommen, in dem Geschichtsverfälschung und zugleich das Verbreiten von rechtem Gedankengut, Konjunktur haben: die Überlebende unter den Opfern der NS-Zeit sterben aus oder sind schon zu alt – eine junge Generation wächst heran, die zum großen Teil keinen richtigen Geschichtsunterricht hatte und vielleicht auch dadurch eher unpolitisch ist.
Sie wurden auch von der so genannten Wohlstandsgesellschaft geprägt .

Natürlich finden noch vereinzelt Bestrebungen statt, Zeugnis abzulegen (siehe die Führungen in manchen KZs, die von ehemaligen Insassen durchgeführt werden)
Noch besuchen ehemals Inhaftierte manchmal Schulen – aber das wird auch seltener, weil auch diese alt sind und aussterben.

Das Schweigen ist auch anders betrachtet, ein seltsames Phänomen. Ich las irgendwo, dass man den Eindruck gewinnen könnte, es erfülle sich dabei nochmals ein Wunsch von Hitler: auf dem Genozid, folgte und folgt nun verstärkt der Mnemozid.

Miriam

dutchweepee
dutchweepee
Mitglied

Re: Erinnerungskultur - oder Geschichtsverdrängung?
geschrieben von dutchweepee
als Antwort auf miriam vom 31.01.2010, 14:58:54
Ich kann sehr gut verstehen, was du meinst. Ich habe a.a.O. den sagenhaft blöden Begriff "Auschwitzkeule" gelesen. Wie kann man nur so etwas schreiben? Als Schüler in der DDR wurden wir regelmäßig durch diverse KZs geführt, um das Erinnern wach zu halten. Auch in Auschwitz war ich. Ich wurde damals beim Anblick der tausenden Koffer, Schuhe und bündelweise Menschenhaare ohnmächtig, weil mir das Schicksal der dazu gehörigen Persönlichkeiten mehr als deutlich wurde.

Jede Art von Entschuldigung und Rechtfertigung oder Verdrängung dieser Verbrechen ist mir zuwider. Es ist unglaublich, dass es heute wieder Typen gibt, die behaupten, dass wir armen Deutschen uns ja nur gegen all die bösen Feinde gewehrt haben. Ja sicher habe ich mir keine Schuld aufgeladen, weil ich ja noch nicht geboren war, aber ich schäme mich zutiefst für die Generation meiner Eltern, die zumindest nichts gegen dieses grauenvolle Unrecht unternommen hat.
Karl
Karl
Administrator

Re: Erinnerungskultur - oder Geschichtsverdrängung?
geschrieben von Karl
als Antwort auf miriam vom 31.01.2010, 14:58:54
Kann man, bzw. darf man schweigen wenn wieder die altbekannten Parolen vernehmbar werden?
Nein, das darf man nicht!

Beste Grüße, karl

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cariha
cariha
Mitglied

Re: Erinnerungskultur - oder Geschichtsverdrängung?
geschrieben von cariha
als Antwort auf dutchweepee vom 31.01.2010, 15:19:02
Schämen tue ich mich für meine Eltern nun weiß Gott nicht, denn ich habe aus vielen ihrer Erzählungen gelernt. Auch ich habe das Glück gehabt, zu dieser Zeit noch nicht auf der Welt gewesen zu sein.

Ich bin nach wie vor der Meinung, dass es wichtig ist, nicht zu vergessen, was damals geschah, weil es wichtig für die Zukunft unserer Kinder und Kindeskinder ist. Und aus diesem Grund darf man nicht schweigen, wenn solche Gedanken, wie Miriam sie hier anführt, zu Tage kommen. Klar, es hat auch etwas mit Zivilcourage zu tun, aber die sollte man haben - dem entgegenwirken, damit nie wieder so etwas passieren kann.

Conny
schorsch
schorsch
Mitglied

Re: Erinnerungskultur - oder Geschichtsverdrängung?
geschrieben von schorsch
als Antwort auf cariha vom 31.01.2010, 15:32:29
Leider gibts inzwischen viele tausend junge Leute, die sich beim Gedanken an die Millionen von Vergasten oder sonstwie Umgebrachten aufgeilen - und denken: "Da wäre ich auch gerne dabei gewesen - auf der Seite derer, die die Macht hatten!".
cariha
cariha
Mitglied

Re: Erinnerungskultur - oder Geschichtsverdrängung?
geschrieben von cariha
als Antwort auf schorsch vom 31.01.2010, 15:38:24
Schorsch, gerade deswegen ist es ja so wichtig, dass wir alle dazu Stellung beziehen müssen! Die junge Generation muß von denen, die es besser wissen müßten, einfach nicht mit dem Denken der "Ewig-Gestrigen" gefüttert werden. Sie müssen aus dem lernen, was Schlimmes passiert ist, wenn Menschen allzuviel "krankhafte" Macht bekommen.

Conny

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Karl
Karl
Administrator

Re: Erinnerungskultur - oder Geschichtsverdrängung?
geschrieben von Karl
als Antwort auf schorsch vom 31.01.2010, 15:38:24
@ schorsch,


das glaube ich nicht. Ich glaube eher, dass viele einfach kein Geschichtswissen haben. Karl
uki
uki
Mitglied

Re: Erinnerungskultur - oder Geschichtsverdrängung?
geschrieben von uki
als Antwort auf cariha vom 31.01.2010, 15:32:29
Die Verbrechen des 2. Weltkrieges, besonders die Leiden der Inhaftierten in den KZ´s dürfen nicht vergessen werden und werden es wohl auch nicht.

Wie es aber mit der heutigen Zivilcourage aussieht, das sehen wir doch nur zu gut an dem Verhalten der Bürger bei Verbrechen und besonders bei brutalen Überfällen, wenn Menschen krankenhausreif oder gar zu Tode geprügelt, getreten werden.

Wo bleibt da die Zivilcourage? Fast alle schauen weg. Nur sehr selten traut sich mal jemand der Anwesenden zu helfen und bezahlt es dann selbst mit Prügel und der Gefahr des Todes. Das, obwohl der Staat und die Gesetze hinter ihm stehen.



-uki-

cariha
cariha
Mitglied

Re: Erinnerungskultur - oder Geschichtsverdrängung?
geschrieben von cariha
als Antwort auf uki vom 31.01.2010, 15:44:18
Du hast vollkommen recht - es ist sehr traurig, dass so etwas heutzutage einfach immer noch passiert. Ich habe es auch im privaten Bereich erleben müssen, dass bei einer massiven Auseinandersetzung auf der Straße, niemand der Zuschauenden eingegriffen hat.
Vielleicht hift es, wenn wir es vorleben? Es könnte ein Anfang sein, wenn der Mund aufgemacht wird und "Halt" gerufen wird, wenn "alte Parolen" wieder aufleben.

Conny
Re: Erinnerungskultur - oder Geschichtsverdrängung?
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf dutchweepee vom 31.01.2010, 15:19:02
Ja sicher habe ich mir keine Schuld aufgeladen,
weil ich ja noch nicht geboren war, aber ich schäme mich zutiefst für
die Generation meiner Eltern, die zumindest nichts gegen dieses grauenvolle
Unrecht unternommen hat.


Auch meine Eltern zum Beispiel tragen da gar keine Schuld daran.
Waren ja selber damit gestraft, aus der Heimat vertrieben zu werden.
Nur das mitnehmen, was man tragen konnte.
Dann noch zu sehen zu müssen,
wie man durch Hunger, die eigenen Kinder verliert, ist mehr wie hart.
Als Versteck war nur der Wald vorhanden, wobei aber in den
Städten ein Bunker, bzw. Hauskeller vorhanden waren, wo man
Zuflucht nahm/nehmen konnte.
Also kann man auch nicht unbedingt den Eltern die Schuld zu
weisen, da meinen Eltern noch dazu auf der Flucht, die Bomben
um die Ohren flogen, mal krass ausgedrückt. Denn Sie erlebten
beileibe Grauenvolles genug, unterwegs auf der Flucht.
Ich möchte nicht wissen wie viele Tote Sie sahen und Verletze.
Sie wollten ja nicht von zu Hause fort, man trieb Sie ja fort.
Wo bitte ist da die Schuld bei Denen zu suchen???
Sie konnten nicht dafür, daß der Krieg ausbrach.

Lieben Gruß, Astrid


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