Innenpolitik Gestern in Panorama

qilin
qilin
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Re: Gestern in Panorama
geschrieben von qilin
als Antwort auf circe vom 23.08.2013, 16:42:27
Ich habe keine Ahnung wie das zugrundeliegende Problem zu lösen ist, aber ich denke diese Inklusionsmethode ist im Prinzip eine gute Idee - nur braucht es dazu, wie auch der Schulleiter sagt, zusätzliche Ressourcen, und davon ziemlich viele... Einfach zwei LehrerInnen in eine solche 'gemischte' Klasse zu stellen ist zu wenig - und etwas Augenmaß und Kopfrechnen ist auch bei Lehrerposten gefragt - meine Exgattin war Sonderschullehrerin, ebenso wie meine Mutter - eine 'Normal'klasse hatte vielleicht 25 Schüler, eine Sonderschulklasse 15 oder 20 - dafür brauchte man zwei Lehrer. Wenn man in eine Inklusionsklasse 17 Regelschüler und 6 Lernbehinderte setzt wie hier, braucht man ebenso zwei Lehrer, hat aber nur halbsoviele Schüler - d.h. man müsste die Zahl der Lehrer verdoppeln - und die Klassenzimmer, um die gleiche Zahl von Schülern betreuen zu können. Das sollte man sich aber schon überlegt haben, bevor man solche Experimente beginnt... Ein reines Rechenexempel - die menschliche Seite ist da noch gar nicht angesprochen, weder bei den Lehrern noch bei den Schülern

() qilin
Re: Gestern in Panorama
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf qilin vom 23.08.2013, 17:14:49
@quilin
Es ist zwar nicht nur ein quantitatives Problem, sondern auch ein qualitatives Problem - aber du hast, was die Inklusionsmethode betrifft, eine sehr richtige Einschätzung gegeben.
Du schreibst, dass du keine Ahnung hast, wie das hier angesprochene Problem zu lösen ist.
Mach dir nichts draus, denn seit Jahrhunderten versucht man das Problem mit unterschiedlichsten Herangehensweisen zu lösen. Die Methodenvielfalt ist enorm, füllt hunderte Pädagogik-Lehrbücher und NIEMAND weiß, welches DIE Lösung ist.
Natürlich wäre einer der Hauptpunkte, dass die Anzahl der betreuenden Fachkräfte (Lehrer, Erzieher, Spezialkräfte)deutlich erhöht wird. Das steht außer Frage.
Wer allerdings soll das bezahlen, und wie sollte man das Interesse bei jungen Menschen wecken, in dieser Richtung einzusteigen, denn - es gibt nichts Schwierigeres, als den richtigen Umgang mit so unterschiedlichen jungen Menschen.
mane
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Re: Gestern in Panorama
geschrieben von mane
Die Gesellschaft hat sich verändert, also muss sich auch die Schule ändern. Früher ging es mehr um Wissensvermittlung, während heute, je nach Schulform, mehr oder weniger Erziehungsarbeit geleistet werden muss. Dafür werden die Lehrer aber nicht genügend ausgebildet und die Schulen nicht entsprechend ausgestattet.

Den Schulleiter der Hamburger Gesamtschule, wo die Panorama-Redakteurin 4 Wochen den Unterricht in einer 6. Klasse begleitete, empfand ich sehr warmherzig, als er von seinen Schülern sprach, die z.T. kaum eine Chance haben: "Meine 600 Kinder, das sind Schätze und wir können sie nicht alle heben."
Im Umgang mit den Kindern sei es wichtig Ruhe zu bewahren und eine Beziehung zu den Kindern aufzubauen, dann käme man auch an sie heran.

Ich finde, Bildung sollte nicht mehr nur Ländersache, sondern Bundessache sein. Des weiteren einheitliche Lehrkonzepte und Gesamtschulen, wo die Kinder die ersten 10 Jahre gemeinsam unterrichtet werden und sich dann differenzieren können.
Auf Inklusion sind wir in Deutschland noch nicht genügend vorbereitet. Es fehlen u.a. gut ausgebildete Sönderpädagogen und nicht welche, wie in der Diskussion bei Beckmann erwähnt wurde, nur eine "Turboausbildung" bekommen.

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Wilhelmsburger
Wilhelmsburger
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Re: Gestern in Panorama
geschrieben von Wilhelmsburger
Kann dieses Problem nicht auch eine andere sichtweise vertragen?

Die Schüler, v.a. aus der Unterschicht, wissen genau, daß ihre Leistungen nicht belohnt werden (es kommt jeder durch), Versagen ebensoviel bringt wie Arbeit, wenn nicht noch mehr, weil eben sich der Pädagogik(wulst )dann bevorzugt um die Armen und Schwachen kümmert, während die Fleissigen derweilen sanktioniert werden.
Dazu ist auch klar, daß Arbeit unangenehm ist und selbst ohne Berufsabschluß (welcher beim Hartzen sogar noch hinderlich werden könnte) sichs flott im Hartzmilieu leben läßt.
D.h. es besteht überhaupt keine Notwendigkeit sich anzustrengen. Es wird lieber gechillt.
Kurz: Das gesamte sozialdemokratische social engineering geht hier den Bach runter. Aber die Forderung wird keineswegs die Abstellung sein, sondern die üblichen Forderungen nach mehr Lehrern, Pädagogen.
Ob ich damit richtig liege??? Ich zweifel ein wenig an meinen Gedanken.
dutchweepee
dutchweepee
Mitglied

Re: Gestern in Panorama
geschrieben von dutchweepee
Ich erfahre als Journalist, dass in meinem Ort die Inklusion und Integration an den Schulen gut funktioniert, wenn Politik, Pädagogen, Eltern und Schüler sich von Anfang an an einen Tisch setzen und beraten, was getan werden muss, damit das klappt.

Wenn man sagt DAS GEHT GAR NICHT, dann geht das gar nicht.

So wars auch schon mit der Dampfmaschine in OWL.

:)
mane
mane
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Re: Gestern in Panorama
geschrieben von mane
als Antwort auf dutchweepee vom 24.08.2013, 02:41:41
Wenn es bei der Inklusion um rein körperlich behinderte Kinder geht, kann ich mir vorstellen, dass beide Seiten von diesem Miteinander profitieren können. Wie ist es aber mit geistig behinderten Kindern? Das ist wahrscheinlich nur in Gesamtschulen möglich, denn ich kann mir nicht vorstellen, wie das an einem Gymnasium funktionieren soll. Nach UN-Vorgabe haben diese Kinder auch darauf einen Anspruch.
Ich glaube, dass keinem damit gedient wäre.
Es sei denn es handelt sich z.B. um autistische Kinder, die sehr wohl den Leistungsanforderungen an einem Gymnasium gewachsen sein können.

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qilin
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Re: Gestern in Panorama
geschrieben von qilin
als Antwort auf mane vom 24.08.2013, 10:42:49
Körperliche Behinderung war in keiner Schule noch ein besonderes Problem. 'Geistige Behinderung' hat ein sehr weites Spektrum - vom einfach 'Minderbegabten' bis zur Grenze der Bildungsfähigkeit. Ein Bruder von mir hatte Probleme in der Regelschule, konnte einfach nicht 'mithalten', und wurde von den Mitschülern erbarmungslos schikaniert. Die Überstellung in die Sonderschule war geradezu erlösend für ihn - keine Probleme mehr, erfolgreich abgeschlossen und später auch erfolgreich im Beruf. Ich bezweifle nicht, dass das unter idealen Voraussetzungen auch in einer Inklusionsklasse möglich gewesen wäre - halbe Klassengröße, zwei einschlägig ausgebildete Lehrer mit Unterstützung durch kompetente Psychologen - und die im Haus und nicht in der nächsten Kreisstadt...
Das war damals völlig undenkbar, und Jahrzehnte später, als meine Frau unterrichtete, ebenfalls noch - und wie's in dem Film aussieht, ist es heute vielleicht etwas besser, dafür jede Menge neuer, zusätzlicher Probleme. Wenn es irgendwo keine Probleme gibt, dann ist das schön, aber nicht unbedingt ein Beweis, dass diese Lösung in jedem Fall machbar und vorzuziehen wäre.

() qilin
mane
mane
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Re: Gestern in Panorama
geschrieben von mane
als Antwort auf qilin vom 24.08.2013, 11:52:52

Körperliche Behinderung war in keiner Schule noch ein besonderes Problem. () qilin


Hallo Qilin,

Kinder, die blind oder gehörlos sind oder im Rollstuhl sitzen, brauchen gewisse Voraussetzungen räumlicher und personeller Art, die bis jetzt in den meisten Regelschulen nicht gegeben waren.

Ich kann mir gut vorstellen, dass es für deinen Bruder ein Segen war, auf einer Sonderschule besonders gefördert zu werden und Erfolgserlebnisse zu haben, die er in der Regelschule nicht hatte.
Für solche Kinder wird die heutige Inklusion, wie du selbst schreibst, eine gute Lösung sein, wenn die Vorraussetzungen dafür geschaffen werden.

Was ist aber mit Kindern, die Mehrfachbehinderungen haben, wie unsere kleine Enkelin? Meine Sohn und meine Schwiegertochter haben lange überlegt, sie in eine Regelschule zu geben und sich jetzt aber für eine Förderschule entschieden. Aufgrund ihrer vielfältigen Behinderungen würde sie möglicherweise in einer normalen Grundschule "untergehen" und immer die "Letzte" sein.
Nun befürchten sie, dass diese Förderschulen auf lange Sicht überflüssig "gemacht" werden sollen um die Ausgaben für die allgemeinbildenden Schulel, die anstehen, aufbringen zu können.
Edita
Edita
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Re: Gestern in Panorama
geschrieben von Edita
als Antwort auf mane vom 24.08.2013, 12:50:12
Als meine geistig behinderte Tochter 1982 eingeschult werden sollte, sie war zwar 6 Jahre alt, aber nach meinem Dafürhalten überhaupt nicht schulreif, die für sie zuständige Sonderschule bestand aber auf der Regeleinschulung, sicherlich aus Kostenzuschußgründen! Ich strengte damals eine Klage an um diese Einschulung zu verhindern! Damit ich meine Argumente stichhaltig formulieren konnte, bin ich zwei oder drei Wochen mit meiner Tochter in diese Schule gegangen, und habe ein Protokoll verfasst, wie dort mit den Kindern umgegangen wurde, sie wurden in Stühle verfrachtet, aus denen sie sich nicht alleine befreien konnten, und dann wurde ihnen ein Spielzeug vor die Nase gestellt, und das war's bis zum Mittagessen, wieviel die Kinder aßen, und ob überhaupt war egal, nach einer halben Stunde wurden die Teller abgeräumt, nachmittags war wieder Spielzeug dran, ohne jegliche Zuwendung und Betreuung! Es war mir ein Leichtes mit meinem Protokoll, und natürlich mit den Begleitbriefen der Ärzte, zu beweisen, daß diese Schule meine Tochter nicht fördert, sondern noch tiefer in ihre geistige Behinderung reißt!
Ergo haben mein Mann und ich uns überlegt, daß für unsere Tochter eine Staatliche Sonderschule nie in Frage kommen würde, und haben uns deshalb Alternativen gesucht, und sind in Stuttgart in einer Schule für Heil-und Seelenpflege-bedürftige Kinder fündig geworden! Meine Klage habe ich gewonnen, und mit 8 Jahren habe ich, und natürlich die Ärzte, meine Tochter für schulreif befunden, wir sind aus diesem Grund mit Sack und Pack nach Stuttgart gezogen ( 1984 ), haben unsere alte Existenz hinter uns gelassen, und haben uns in Stuttgart eine neue Existenz aufgebaut, und unsere Tochter hat sich hervorragend entwickelt! Ich mag mir nicht vorstellen, wie sie heute beinander wäre, wenn ich damals nicht so gehandelt hätte!

Edita
qilin
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Re: Gestern in Panorama
geschrieben von qilin
als Antwort auf mane vom 24.08.2013, 12:50:12
Ja, Mane -

wenn die Voraussetzungen dafür geschaffen sind. Das sind sie aber offenbar häufig nicht.

Das Problem mit den Förderschulen sehe ich auch - dass man alle Kinder in gemeinsamen Klassen unterrichten könnte und sollte, halte ich für eine reine Phantasievorstellung. Der Gefahr des 'Untergehens' sind auch die 'besseren' Schüler ausgesetzt - sieht man auch in dem Film - die 'brauchen' den Lehrer ja weniger als die Problemschüler...
Vielleicht ein Extremfall, aber es zeigt evtl. was ich meine: meine Frau wurde ins Schulamt gebeten und informiert, eine Kollegin auswärts wäre bei einem Unfall zu Tode gekommen - Suizid nicht ausgeschlossen - und die Schwerbehindertenklasse hätte jetzt keine Lehrerin. Wenn sie sich bereit erkläre die für den Rest des Schuljahrs zu übernehmen, könne sie sich im nächsten Jahr Klasse und Schule aussuchen. Als sie noch erfuhr dass in der Klasse 'nur' fünf Kinder waren, ließ sie sich darauf ein - allein dieses halbe Jahr brachte sie an ihre Belastungsgrenze...
'Die gleiche Schule für Alle' - ja, aber bitte mit Augenmaß.

() qilin

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