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Innenpolitik Herr Gabriel und sein Nazi-Vater

olga64
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Herr Gabriel und sein Nazi-Vater
geschrieben von olga64
Nachdem der Vater von Sigmar Gabriel jetzt verstorben ist, erzählt er von ihm und seinen lebenslangen Problemen in dieser Konstellation. Als sich die Eltern scheiden liessen, kämpfte der VAter verbissen um das Sorgerecht für seinen Sohn, was ihm nie zugestanden wurde, aber die Verbindung zwischen Sohn und Vater zerstörte. Der Vater war anscheinend ein unverbesserlicher Nazi; auch nach dem Tod und bei der Haushaltsauflösung fand der Sohn Unterlagen über Nazi-Traktate und Verbindungen zu dieser Szene, die der alte Herr bis zu seinem Tod anscheinend pflegte.
Zwischendrin versuchte der erwachsene Sohn nochmals Kontakt zum Vater herzustellen, was daran scheiterte, weil dieser an seinem politischen Sohn "Umerziehungsmassnahmen" in alter Nazi-Manier zu starten. Als dies nicht gelang, wandte sich der alte Herr an die einschlägige Presse und jammerte, von seinem Sohn im Stich gelassen worden zu sein.
Ich kann es nachfühlen: Sigmar Gabriel dürfte eine enorme Befreiung verspürt haben, dass dieser Vater nun in die ewigen Jagdgründe verschwunden ist. Nur mit Rücksicht auf seine alte, kranke Mutter sprach er bis jetzt nicht im Detail über diese beklagenswerte Beziehung zu diesem Elternteil. Olga
subasio
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Re: Herr Gabriel und sein Nazi-Vater
geschrieben von subasio
als Antwort auf olga64 vom 11.01.2013, 17:32:48
Da gibts wieder was zum auswaiden nach der Jagd.
Mitglied_5ccaf87
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Re: Herr Gabriel und sein Nazi-Vater
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf olga64 vom 11.01.2013, 17:32:48
Warum sollte er sprechen?

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Edita
Edita
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Re: Herr Gabriel und sein Nazi-Vater
geschrieben von Edita
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 12.01.2013, 18:07:30
Warum tut er das jetzt, daß habe ich mich auch gefragt, will oder braucht er einen Mitleidbonus, wenn ja, für was? Aber dann kam gestern, so ganz zufällig, aber dennoch wie gerufen, dieser Artikelin in der Frankf. Allgem. Die wissen auch nicht warum, stellen aber fest, daß es seit etlichen Jahren Usus für Politiker ist, Privates an die Öffentlichkeit zu zerren, vielleicht soll das ja nur dokumentieren, " hey, ich bin genauso wie du " !
Who knows? Ist mir aber auch egal

faz.net - Privates in der Politik

Edita
clara
clara
Mitglied

Re: Herr Gabriel und sein Nazi-Vater
geschrieben von clara
als Antwort auf Edita vom 12.01.2013, 18:31:12
Gerade vor anstehenden Wahlen können solche Offenbarungen ganz nützlich sein, wo die SPD ohnehin nicht aus dem Tief heraus kommt.
Weniger boshaft: Vielleicht will sich Gabriel eine lange mit sich herum getragene Last von der Seele reden, so etwas kann ja erleichternd wirken. Die Nazivergangenheit des Vaters kann auch beim Sohn unbewusste Schuldgefühle ausgelöst haben, die Psychologie kennt solche Übertragungen. Aber dafür kann er ja eine Psychotherapie machen, oder hat er das vielleicht schon getan?

Clara
Re: Herr Gabriel und sein Nazi-Vater
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf clara vom 12.01.2013, 18:59:20
Clara,
mit deinem ersten Satz tust du Siegmar Gabriel bestimmt Unrecht. Ich habe gerade heute den sehr langen und hochinteresssanten Artikel in der „Zeit“zu seiner Kindheit gelesen, auf den alle anderen Zeitungsartikel rekurrieren. Der Anlass zu den Enthüllungen ist der, dass die NPD ihn denunziert hat als den bösen Sohn, der sich nicht um seinen sterbenden Vater kümmert, dieser starb im Juni letzten Jahres und hinterließ seinem Sohn Siegmar, der 20 Jahre lang keinen Kontakt mit seinem Vater hatte, Unmengen an Akten mit Nazimaterial, die jetzt von Siegmar Gabriel ausgewertet werden. Bernd Ulrich hat daraufhin viele Gespräche mit ihm darüber geführt und einen hochinteressanten Artikel darüber geschrieben, allein dafür lohnt es sich, die letzte „Zeit“ zu kaufen, denn der Artikel ist leider nicht vollständig im Netz abgedruckt.

Ich verlinke hier mit einem „Stern“-Artikel, der das alles sehr gut gut wiedergibt: Wie Gabriel unter seinem Nazi-Vater litt .

Zitat:
"Im Frühjahr 2011 publizierte eine rechte Postille ein vierseitiges Rührstück über den pensionierten Beamten, der zu diesem Zeitpunkt in einem Pflegeheim in Ahrensburg bei Hamburg lebte - mit Schlesien-Karte über dem Schreibtisch. Der Tenor des Artikels: politisch verirrter Sohn lässt alten, kranken Vater im Stich. Die "Berliner Morgenpost" und der "Berliner Kurier" griffen den Spin auf, lieferten aber Wesentliches nach. "Menschlich und weltanschaulich trennen Vater und Sohn Welten. Denn Walter Gabriel ist ein unbelehrbarer Rechtsradikaler", schrieb der Berliner Kurier. Der alte Mann hatte sich den Reportern gegenüber als Abonnent der "National-Zeitung" zu erkennen gegeben und den Holocaust angezweifelt.
Gabriel reagierte damals nicht. Der braune Schatten seines Vaters blieb tabu."


Über eure Mutmaßungen, dass es mit den anstehenden Wahlen und Werbung zu tun haben könnte, gibt es auch eine Passage:

Zitat:
"Timing einer Offenlegung
Wird es Gabriel schaden, dass er diese Offenheit zugelassen hat? Hätte er dies vor der Nominierung Peer Steinbrücks zum SPD-Kanzlerkandidaten getan, wäre es ihm als verkappte Bewerbung, als über biografische Bande gespielte Proklamation sozialdemokratischer Tugendhaftigkeit ausgelegt worden. Nun, nach der Nominierung, lässt sich der Text unbefangener lesen, zumal sich die Recherche nach Ulrichs Angaben über Monate erstreckte und Gabriel nicht wissen konnte, dass Steinbrück ins Straucheln geraten würde.
Die politischen Effekte des Textes dürften eher langfristig sein. Der SPD-Parteichef, oft als Tausendsassa und Luftikus bespöttelt, hat eine ernste, emotionale und zugleich tief politische Seite seines Lebens offenbart. Dies macht ihn verstehbarer und fordert Respekt."


Wie schon erwähnt: Der Artikel ist sehr erhellend, nicht nur wegen der politischen Person Gabriel, sondern auch psychologisch. Und es ist eine Studie über Täter und Opfer, ohne dass ein Mitleidsbonuns eingefordert wird.
Einfach lesen, es lohnt sich wirklich!

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pilli
pilli
Mitglied

Re: Herr Gabriel und sein Nazi-Vater
geschrieben von pilli
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 13.01.2013, 00:12:05
das gleiche marina

habe ich gelesen und möchte nur noch zusätzlich erwähnen, dass Gabriel das an unterschiedlichen terminen geführte interview schon vor einiger zeit gab und den zeitpunkt der veröffentlichung nicht gekannt haben soll.

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pilli
schorsch
schorsch
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Re: Herr Gabriel und sein Nazi-Vater
geschrieben von schorsch
als Antwort auf Edita vom 12.01.2013, 18:31:12
Irgendwann käme es einer Wühlmaus (BILD-Reporter) in den Sinn, in Gabriels Vergangenheit zu wühlen und er käme auf die Nazi-Vergangenheit seines Vaters. Und schon stünde auf Seite 1 in 5-cm-Schrift: "Was hat Gabriel zu verbergen?" Also war es doch besser, selber in die Offensive zu gehen.

Als ich meine eigene Vergangenheit im 1. Buch zu bewältigen begann, da war mein Vater bereits tot, Mutter aber lebte noch. Ich zermarterte mir den Kopf, ob ich dieses Buch tatsächlich zu Lebzeiten der Mutter veröffentlichen würde. Dann überlegte ich mir aber, dass, wenn ich bis nach dem Tode meiner Mutter warten würde, böse Mäuler gewiss unken würden: "Jetzt, da seine Eltern sich nicht mehr wehren können, rührt er alte Jauche wieder auf!".

Meine Mutter wurde übrigens 98!
Edita
Edita
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Re: Herr Gabriel und sein Nazi-Vater
geschrieben von Edita
als Antwort auf schorsch vom 13.01.2013, 11:14:48
@ Marina und Schorsch

Danke für Eure Infos, meine Grübelei hat sich durch Eure Beiträge erledigt!

Edita
Re: Herr Gabriel und sein Nazi-Vater
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf pilli vom 13.01.2013, 01:32:29
Ja, Pilli, das steht auch in meinem zweiten Zitat aus dem Stern-Artikel.
Und, Schorsch, die Initiative ging nicht von Gabriel selbst aus. Bernd Ulrich, der Journalist der "Zeit" ist nach der Schmutzkampagne der Nazis der Sache nachgegangen und hat Gabriel mehrfach interwiewt, über Monate hinweg, wie Pilli richtig schreibt. Daraus hat er dann diesen Artikel gemacht, den ich weiterhin nur empfehlen kann.

Ich habe nach dem Lesen einen riesengroßen Respekt vor Gabriels Leistung bekommen angesichts dieser Kindheit, bei der andere vielleicht drogensüchtig geworden und auf die schiefe Bahn geraten wären. Die Gefahr bestand auch vorübergehend, er hat als Kind zwischendurch eine Zeitlang geklaut und Reifen zerstochen und alle möglichen Sachen gemacht.
Zum Glück hatte er eine tolle Mutter, die, nachdem sie ihn mit 10 Jahren aus Vaters Klauen befreit hat (er wurde mit drei Jahren nach der Trennung gezwungen, bei ihm zu leben, worüber er sehr unglücklich war), mit viel Geduld und Liebe und Beharrlichkeit für ihn gekämpft und ihn wieder auf den richtigen Weg gebracht hat. Heute setzt er sich ganz im Gegensatz zu seinem Vater ganz besonders vehement gegen Rassismus und Ungerechtigkeiten ein, obwohl er behauptet, es habe damit nichts zu tun, weil er erst mit 18 Jahren von seines Vaters fanatischer Nazi-Ideologie erfahren habe.

Der Artikel erklärt aber viele Brüche in seiner Psyche, Schwankungen und Unsicherheiten mit den zum Teil traumatischen Erlebnissen in seiner Kindheit. Psychologisch alles sehr interessant, ich wiederhole es noch einmal.

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