Forum Politik und Gesellschaft Innenpolitik Muss unsere repräsentative Demokratie reformiert werden?

Innenpolitik Muss unsere repräsentative Demokratie reformiert werden?

schorsch
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Re: Muss unsere repräsentative Demokratie reformiert werden?
geschrieben von schorsch
als Antwort auf Karl vom 23.10.2010, 13:22:53
Diese "Direkte Demokratie" kann leider auch zum Diktat Vieler gegen Einige werden. Beispiel:

Ich wohne im Radius des AKWs Gösgen und wir leiden unter der Dampffahne desselben. Nun soll ein zweites AKW gleich neben dem ersten gebaut werden. Kein Problem, denkt ihr? Da spielt doch die Direkte Demokratie, weil ja darüber vom Volk abgestimmt wird? Denkste! 99,9 % der Schweizer wohnen ja nicht in unmittelbarer Nähe eines AKWs. Denen kann es doch egal sein, dass der Schorsch und weitere 20`000 Menschen die üblen Emissionen ertragen müssen.

Aber Hauptsache, dass die Direkte Demokratie gespielt hat!

Übrigens: Im Moment laufen immer wieder Leserbrief-Kampagnen für dieses neue AKW und gegen die alternative Energie-Gewinnung. Und die meisten dieser Schreiber/innen stehen oder standen irgendwie im Sold der AKW-Betreiber!
JuergenS
JuergenS
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Re: Muss unsere repräsentative Demokratie reformiert werden?
geschrieben von JuergenS
Ich weiss ja nicht, ob man die Schweiz mit De vergleichen sollte, aber ein Aspekt neben dem des St-Florians-Prinzips ist schon wahrscheinlich, nämlich, dass sich mehr Menschen mit Politik befassen als in De.
Letzteres wird ja immer gefordert.
schorsch
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Re: Muss unsere repräsentative Demokratie reformiert werden?
geschrieben von schorsch
Noch ein Wort zu dieser Ausschaffungs-Initiative:

Im Moment redet oder schreibt man nur von Ausländern, die in den "Genuss" dieser kommen sollen; also 100prozentige Ausländer. Wie aber steht es dann mit den Halb- oder Viertel-Schweizern? Wenn nun ein liquidierender junger Mann, dessen Vater ein Schweizer, die Mutter aber Ausländerin ist, im Sinne der ausschaffungs-Initiative etwas verbrochen hat, wird er dann nur zu 50 % ausgeschafft, z.B. nach Lichtenstein? Und eine Generation später (1/8 Ausländer) wird er dann bis z.B. Grenze zu Albanien ausgeschafft?

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JuergenS
JuergenS
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Re: Muss unsere repräsentative Demokratie reformiert werden?
geschrieben von JuergenS
Ich habe zwei Verständnisfragen Schorsch:

*Was ist ein "liquidierender Mensch"????

*Sind alle Ausländer gleich eingestuft? Mulatten, Badener, Eskimos?
eko
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Re: Muss unsere repräsentative Demokratie reformiert werden?
geschrieben von eko
als Antwort auf Karl vom 23.10.2010, 13:22:53
Ich bin ganz klar gegen so genannte "Volksabstimmungen"!

Das ganze Hick-hack um S21 zeigt doch eindeutig, was schlussendlich dabei heraus kommt. Nämlich eine Abstimmung mit dem "Bauch". Da wird dann rein nach Gefühlslage entschieden und wie sehr diese Gefühlslage von daran interessierten Kreisen beeinflusst wird, zeigt S21. Hier haben sich die Medien ganz eindeutig auf die Seite der Gegner geschlagen und deren diffuse Gefühlslage entsprechend verstärkt und manipuliert. Das kann keine Grundlage für ein Votum sein.

Wie kann denn ein "Volk" über etwas abstimmen, wenn es viel zu wenig davon versteht und die Auffassungen derart diametral auseinanderdriften?

Schweizer Vorbild?

Das sieht nur von aussen nachahmenswert aus. schorsch beschreibt es ja mit dem geplanten zweiten AKW deutlich genug. Die direkt Betroffenen gehen dabei unter, die große Masse derjenigen Abstimmer, die nicht direkt davon betroffen sind, haben dann das Sagen.

Nicht viel anders ist es auch mit allen anderen Abstimmthemen. Die meisten Abstimmer haben viel zu wenig Ahnung von dem, worüber sie abstimmen sollen und oft genug auch kein Interesse daran.

Diejenigen, die hauptsächlich nach Volksabstimmungen rufen, sind in der Regel solche Zeitgenossen, denen es wie an der Schaukel oder im Sandkasten darum geht: "Ich will auch mal dran!" Sie wollen halt auch mal an den Knöpfen drehen.


Machen wir uns nichts vor: All die Jahrzehnte nach dem Zusammenbruch des Nazi-Reiches hatten doch die meisten von uns die Nase voll von Politik. Man gab sich anderen Themen hin: Urlaub, eigenes Häuschen, Auto und und und.

Politik? Da ließ man besser die Finger davon.

Und nun soll plötzlich alles oder zumindest vieles besser durch Volkes Stimme geregelt werden?

Da staun ich aber !

Soll jetzt ein altes Mütterchen, das sich sein Leben lang nicht um Politik gekümmert hat, mit darüber entscheiden, ob Großprojekte wie S 21 oder AKW in der Schweiz realisiert werden? Rein statistisch würde diese Stimme genauso zählen wie die von Leuten, die wirklich etwas davon verstehen.

Nein, ich bilde mir nicht ein, soviel von der Materie zu verstehen, dass ich da ein richtiges Votum abzugeben in der Lage wäre.

Deshalb bin ich strikt gegen Volksabstimmungen.


e k o
JuergenS
JuergenS
Mitglied

Re: Muss unsere repräsentative Demokratie reformiert werden?
geschrieben von JuergenS
Und was ist mit dem Rauchverbot, eko, wo Bayern in einer Volksabstimmung das ursprünglich von der CSU beschlossene Gesetz,welches die CSU wieder verliess, weil es den Verlust der Mehrheit vermutete, wieder einsetzen liess?

Sollen solche KOrrekturen, die Machtarroganz kompensieren, nicht möglich sein?

Wie gesagt, auch ich befürworte eine nur kleine Dosis von Volksentscheiden, Kategorisches ist schädlich.

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entdeckerklaus
entdeckerklaus
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Re: Muss unsere repräsentative Demokratie reformiert werden?
geschrieben von entdeckerklaus
als Antwort auf JuergenS vom 24.10.2010, 15:52:18
Ja unsere repräsentative Demokratie sollte reformiert werden. Wahlpflicht könnte helfen.
ehemaligesMitglied23
ehemaligesMitglied23
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Re: Muss unsere repräsentative Demokratie reformiert werden?
geschrieben von ehemaligesMitglied23
als Antwort auf eko vom 24.10.2010, 14:09:36
Eko
Ich teile Deine Bedenken, nachdem ich miterlebt habe, welchen Schaden so eine Bürgerinitiative anrichten kann.

In Hamburg Eimsbüttel gibt es einen Platz mit Parkplätzen und einigen maroden Flachdachhäusern, mit vielen leerstehenden Läden und einem Mc Donalds. Nach jahrelangen Verhandlungen mit der Stadt und dem Naturschutzbund, war ein Plan ausgearbeitet und ein Investor gefunden, der für 20 Mio dort ein Bürogebäude, unterirdisches Parkhaus und gestalterische Maßnahmen mit Bäumen und Bänken bauen sollte. Plötzlich bildete sich eine Bürgerinitiative und sammelte Unterschriften für einen Bürgerentscheid ( der auf Bezirksebene in HH zuläßig ist). Kein Bürohaus , sondern einen Bürgerpark , war der Slogan.
23 % der Eimsbüttler ging zum Wählen. Letztendlich haben also 16 % der Bevölkerung des Bezirks die Bebauung gekippt.
Mit welchem Erfolg? Es wird natürlich keinen Park geben, denn die Grundeigentümer geben ein so wertvolles Innenstadtgrundstück dafür nicht her. Es bleibt also bei dem Schandfleck, wie bisher. Super!!

Ich bin gegen Volksentscheide, solange gut organisierte Minderheiten ihr eigenes Süppchen kochen können.
stellamaris
hugo
hugo
Mitglied

Re: Muss unsere repräsentative Demokratie reformiert werden?
geschrieben von hugo
als Antwort auf ehemaligesMitglied23 vom 24.10.2010, 16:48:39
solange gut organisierte Minderheiten ihr eigenes Süppchen kochen können. (stellamaris)

ja, dieses Beispiel hatte ich ja neulich schon mal eingebracht.

Mehr direkte Demokratie ist eine der politischen Kernforderungen nicht nur von den GRÜNEN.

Was jedoch damit angerichtet, beflügelt ode verhindert werden kann wenn die Verbieger, Betrüger, Hinhalter und Bereicherer am Drücker sitzen, zeigte das Beispiel meiner Stadt.

Die wollten wohl ein tolles Privatgeschäft äh Privatisierungsgeschäft über die Köpfe und gegen den Willen der Mehrheit der Bürger abwickeln,,,und beinahe hätte das auch unter Ausschöpfung aller möglichen taktischen Tricks und der eigenen, gerade starken Position in der Bürgerschaft, auch geschafft, wenn nicht juristische Ungereimtheiten dieses Geschäft nachträglich verhindert hätten.


Es sollten Anteile der Stadteigenen Wohnungen verhökert werden.

Bei einem Bürgerentscheid (der gegen den Widerstand der "Verhökerer" durchgesetzt wurde, setzten Diese jedoch eine derart verquere Fragestellung und soche Vorbedingungen durch, das dieser Entscheid auf alle Fälle zu Ihren Gunsten ausfallen musste.

Anstatt die Frage zu stellen: "Sind Sie für einen Teilverkauf der WVG ja oder nein" oder so ähnlich lautetet die Frage:

"Sind Sie dafür, dass die Universitäts- und Hansestadt auf die Möglichkeit der Schuldenreduzierung durch den Verkauf eines Minderheitsanteils der Wohnungsbau- und Verwaltungsgesellschaft mbH (WVG mbH) verzichtet?"

Eine solche Fragestellung ist also suggestiv und verwirrend und damit laut Kommunalverfassung eigentlich nicht zulässig.

aber was solls,, wo der Stärkere Willkür einsetzt, hat das Recht zumeist verloren.

(86% der Wähler stimmten gegen einen Verkauf des Tafelsilbers, aber sie verloren trotzdem weil zu viele Bürger nicht an der Wahl teilnahmen und deshalb als Befürworter gezählt wurden.)

hugo
adam
adam
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Re: Muss unsere repräsentative Demokratie reformiert werden?
geschrieben von adam
als Antwort auf hugo vom 24.10.2010, 17:55:14
@hugo,

Du zeigst an einem guten Beispiel, wie selbst Volksentscheide manipuliert werden können. Deshalb halte ich nichts von dieser Art direkter Demokratie.

Ich meine, daß eine höhere Fluktuation der Volksvertreter durch eine begrenzte Wiederwahl den Zweck einer besseren Beteiligung der Bürger an Entscheidungen eher erfüllen kann. Ehe es sich die Damen und Herren Volksvertreter gemütlich machen können und dafür nach bürgerferner Unterstützung suchen, sind sie auch schon wieder weg vom Fenster. Es würde so auch mehr Idealismus in die Parlamente einziehen, wenn der Futterkorb höher hängt.

Ein weitere Dorn im Auge sind mir die Listenplätze, die von den Parteien bei Wahlen kontrolliert werden und die Parlamentarier beeinflußbar machen. Dieses Aufstellen der Listen sollten abgeschafft und damit auch die Macht der Parteispitzen beschränkt werden. Die Listenplätze sollten nach dem Zufallsprinzip vergeben werden. Auch das käme der Fluktuation und einer Demokratisierung der Politik zugute.

--

adam


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