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Innenpolitik Paragrafen aus der NS-Zeit auf dem Prüfstand

clara
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Paragrafen aus der NS-Zeit auf dem Prüfstand
geschrieben von clara
Das ist die Überschrift zu einem Artikel in meiner Tageszeitung. Die Justizministerin von Schleswig-Holstein, Anke Spoorendonk vom SSW (= Südschleswigscher Wählerverband) möchte sprachliche Veränderungen zu Mord und Totschlag im Strafgesetzbuch erreichen. Begründung: Die Wortwahl würde die Strafrechtsideologie der Nazis wiederspiegeln.

http://www.shz.de/schleswig-holstein/politik/nazi-paragrafen-kaum-unterstuetzung-fuer-spoorendonk-id4115921.html

Ist diese Änderung wirklich wichtig? Spoorendonk bejaht dies mit dem Hinweis auf die historische Verantwortung. Sie warb dafür auf der neulich stattgefundenen Herbstkonferenz der Justizminister in Berlin. Inzwischen weiß ich, dass der Vorschlag auf kein großes Interesse der Ministerkollegen stieß, lediglich "zur Kenntnis genommen" wurde.

Clara
adam
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Re: Paragrafen aus der NS-Zeit auf dem Prüfstand
geschrieben von adam
als Antwort auf clara vom 18.11.2013, 12:48:22
Diese Änderung fände ich sogar sehr wichtig und richtig.

Zuerst einmal ist es geradezu absurd, daß der Paragraph für Mord und Totschlag die Handschrift von Roland Freisler trägt, der sich selber mindestens der Beihilfe von vielfachem Mord und Totschlag schuldig gemacht hat. Zu einer Änderung muss gehören, daß die Tat definiert wird und nicht der Mensch, der sie begeht.

Ein weiterer Grund:

Viele Völker sind untrennbar verbunden mit kulturellen Leistungen für die Menschheit. Zum Beispiel die Griechen mit der Demokratie des klassischen Altertums, die Italiener mit den Römern und der Entwicklung des Rechts, die Ägypter mit der Entwicklung der Schrift und die Araber mit der wissenschaftlich/medizinischen Entwicklung und der Verwaltung, Weiterentwicklung und Zusammenführung der Philosophien aus dem indischen bis in den europäischen Raum.

Die Deutschen werden wohl für immer mit dem Nationalsozialismus und dem Holocaust in Zusammenhanmg gebracht werden. Deshalb sollte alles dafür getan werden, daß die Deutschen sich vom Nationalsozialismus distanzieren und dazu gehört auch, einen R. Freisler aus deutschen Gesetzestexten zu tilgen.

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adam
olga64
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Re: Paragrafen aus der NS-Zeit auf dem Prüfstand
geschrieben von olga64
als Antwort auf adam vom 18.11.2013, 16:40:58
Die Deutschen werden wohl für immer mit dem Nationalsozialismus und dem Holocaust in Zusammenhanmg gebracht werden. Deshalb sollte alles dafür getan werden, daß die Deutschen sich vom Nationalsozialismus distanzieren

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adam
geschrieben von adam

Der Nationalsozialismus holt uns Deutsche ja auch immer wieder ein: sei es der NSU-Prozess in München, seien es die gefundenen Gemälde ebenfalls in München. Wie ich hörte, besteht heute noch das alte Nazi-Gesetz, demzufolge "entartete" Kunst seinerzeit bei oft jüdischen Sammlern aber auch Museen und Kunstsammlungen requiriert werden durfte - anscheinend haben auch die Allierten nach dem Kriege - hier z.B. die Amerikaner in München - dies nicht signifikant verändert. DAs macht anscheinend die Frage nach Rückgabe an die früheren Besitzer in der Gemälde-Causa juristisch so schwierig bis unmöglich. Olga

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clara
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Re: Paragrafen aus der NS-Zeit auf dem Prüfstand
geschrieben von clara
als Antwort auf adam vom 18.11.2013, 16:40:58
Diese Änderung fände ich sogar sehr wichtig und richtig.

Zuerst einmal ist es geradezu absurd, daß der Paragraph für Mord und Totschlag die Handschrift von Roland Freisler trägt, der sich selber mindestens der Beihilfe von vielfachem Mord und Totschlag schuldig gemacht hat. Zu einer Änderung muss gehören, daß die Tat definiert wird und nicht der Mensch, der sie begeht.
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adam
geschrieben von adam

Ja, Adam, mir lief es eiskalt den Rücken hinunter, als ich den Namen Freisler las. Deshalb finde ich es mehr, als bedenklich, dass die Justizminister auf ihrer Konferenz anscheinend andere Fragen wichtiger fanden. Oder sollten sie sich damit abfinden, dass es nur Worte sind und heute ohnehin anders ge - und verurteilt wird? Spoorendonk und noch mehr Leute sollten dies nicht einfach auf sich beruhen lassen. Worte können eine Gesinnung ausdrücken, deshalb müssen sie in diesem Fall im Strafgesetzbuch geändert werden.

Clara
adam
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Re: Paragrafen aus der NS-Zeit auf dem Prüfstand
geschrieben von adam
als Antwort auf clara vom 18.11.2013, 17:52:56
Clara,

ich bin mit sicher, daß es inzwischen Minister gibt, die den Namen Freisler nicht sofort zuordnen können und wie immer, gibt es Minister, die erst klären lassen, wieviele Wählerstimmen aus dem rechten Spektrum es sie kosten könnte, wenn sie den Änderungsvorschlag befürworten.

Dazu ein paar Gedanken:

Vielleicht ist jetzt die letzte Gelegenheit, dem braunen Spuk, mit Bezug auf die Nazizeit, zu begegnen. Das lahmpoige Geschwätz von der "Aufarbeitung" muß endlich aufhören und Taten müssen her. Als erstes muß die NPD verboten werden und in die Ecke gestellt werden, in die sie gehört: in die kriminelle. Das Argument, die Neonazis könnten sich dann in den Untergrund verziehen, greift nicht mehr, denn den Naziuntergrund gibt es bereits seit vielen Jahren. Wem die NSU-Morde als Beweis nicht genügen, dem ist nicht mehr zu helfen und der braucht sich nicht zu wundern, wenn er in nicht allzu ferner Zukunft mit den Nazis in seiner Nähe und bester Nachbarschaft zu tun hat.

Wollen wir darauf warten, von Nachbarstaaten dazu aufgefordert zu werden, endlich tätig zu werden? Dort ist nämlich weit weniger vergessen als bei uns verdrängt. Was mich anbelangt, geht mir die political correctness, mit der dem braunen Gedankengut wahrscheinlich solange mit Höflichkeit begegnet wird, bis die ersten wieder in aller Öffentlichkeit mit ausgestrecktem Arm durch die Gegend laufen, gewaltig auf den Geist.

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adam
clara
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Re: Paragrafen aus der NS-Zeit auf dem Prüfstand
geschrieben von clara
als Antwort auf adam vom 18.11.2013, 18:26:50

ich bin mit sicher, daß es inzwischen Minister gibt, die den Namen Freisler nicht sofort zuordnen können und wie immer, gibt es Minister, die erst klären lassen, wieviele Wählerstimmen aus dem rechten Spektrum es sie kosten könnte, wenn sie den Änderungsvorschlag befürworten.

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adam
geschrieben von adam

Adam, einige Justizminister sind relativ jung, der nordrhein-westfälische z. B. 1968 geboren, der bayerische 1965. In fast allen Bundesländern sind es Juristen. Sicher hörten sie im Studium auch Vorlesungen und hatten Seminare über Rechtsgeschichte. Das Thema "Recht" im Nationalsozialismus ist auch heute noch sehr wichtig und ein Justizminister muss sich einfach damit befassen. Genau wie er/sie den Namen Freisler kennen muss, der diese Paragrafen schuf.

Hier der Wortlaut des gültigen Paragrafen 211 zu Mord:
"Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft. Mörder ist, wer aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen, heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken, einen Menschen tötet."
Oberflächlich betrachtet mag diese Formulierung nicht abwegig erscheinen, aber der nationalsozialistischen Strafrechtsreform von 1941 ging es darum, spezielle ideologische Konstruktionen im Gesetz zu verankern. Zitat aus der "Welt":

"Nationalsozialistische Juristen wollten, dass nicht mehr das objektive Tatgeschehen für die Bestrafung ausschlaggebend sei, sondern die jeweils dahinterstehende "verbrecherische Gesinnung". Damit verbunden war auch die Vorstellung, dass es bestimmte "Verbrechertypen" gäbe, die aufgrund ihrer Persönlichkeitsstruktur "gemeingefährlich" seien oder als "Volksschädlinge" oder "Asoziale" einzustufen seien."

Alles, was von der Nazivergangenheit noch herumgeistert, muss verschwinden, so auch z. B. alte, nach Nazis benannte Straßennamen. Was die NPD betrifft, habe ich mich schon früher im Forum für deren Verbot ausgesprochen.
Es ist vorgesehen, die Sache Nazi-Paragrafen noch vor den Bundesrat zu bringen. Die Öffentlichkeit muss besser informiert werden.

Clara
olga64
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Re: Paragrafen aus der NS-Zeit auf dem Prüfstand
geschrieben von olga64
als Antwort auf clara vom 18.11.2013, 21:18:56
Auch ich bin schon immer dafür gewesen, diese unsägliche NPD abzuschaffen, mir ist aber auch klar, dass damit die Gesinnung bei leider zu vielen Menschen nicht begraben wird. Diese lebt weiter und zwar von Generation zu Generation und leider verstärkt im Osten unserer Republik. Die Gesinnung stirbt auch nicht mit irgendwelchen alten Idioten, sie wird wirklich weitergegeben an die jüngere Generation. Olga

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