Forum Politik und Gesellschaft Innenpolitik Priorisierung von medizinischen Leistungen?

Innenpolitik Priorisierung von medizinischen Leistungen?

Priorisierung von medizinischen Leistungen?
geschrieben von ehemaliges Mitglied
Bei der Eröffung des Ärztetages in Mainz am 19.05.2009 hat der Präsident der Bundesärztekammer Hoppe erneut eine offene Diskussion über eine Priorisierung von medizinischen Leistungen gefordert.
Schon jetzt, so Hoppe, sei eine "heimliche Rationierung" zu spüren, und diese Entwicklung werde sich zukünftig verschärfen - nicht zuletzt wegen der demografischen Entwicklung.

Die Politik dürfe (so Hoppe) die Menschen nicht weiter täuschen: "Wer sagt, die umfassende Gesundheitsversorgung ist sicher, sagt schlicht und einfach nicht die Wahrheit".

Hoppe fordert deshalb von der Politik die Einrichtung eines Gesundheitsrates, bestehend u.a. aus Ärzten, Ethikern und Juristen, der sich mit der Frage beschäftigen soll, wie die knappen Mittel im Gesundheitswesen künftig verteilt werden sollen und denkt dabei an die Erstellung (und regelmäßige Überprüfung) einer "Prioritätenliste": Die schwersten, lebensbedrohlichen Krankheiten kommen dann ganz oben auf die Liste und würden in jedem Fall übernommen. Krankheiten, die durch einen gesunden Lebensstil vermieden werden können, würden an unterste Stelle der Prioritätenliste gesetzt", sagte Hoppe.

(Quelle: Deutsches Ärzteblatt - s. Link)

Was ist von dieser Idee zu halten? Welche Alternativen gibt es?

Ursula
Karl
Karl
Administrator

Re: Priorisierung von medizinischen Leistungen?
geschrieben von Karl
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 23.05.2009, 09:38:25
Guten Morgen Ursula,


du schneidest ein wichtiges Thema an. Geht man davon aus, dass die Resourcen begrenzt sind, hat Hoppe nicht Unrecht. Verdrängen (wie durch die Politik speziell direkt vor der Wahl gewünscht) wird auf die Dauer nicht gut gehen.

Da niemand sich der Willkür einzelner Ärzte aussetzen sollte, finde ich die Anregung, Ethikkommissionen einzusetzen gut. Es braucht ethisch durchdachte Richtlinien, die verbindlich die Rangfolge notwendiger Leistungen entsprechend der medizinischen Bedürftigkeit und nicht entsprechend dem Geldbeutel des Patienten festlegen.

Persönlich bin ich skeptisch und leider nicht überzeugt, dass am Ende alle gleich behandelt werden, eher davon dass doch im Wesentlichen der Geldbeutel der Privatpatienten entscheiden wird.

--
karl
Re: Priorisierung von medizinischen Leistungen?
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf Karl vom 23.05.2009, 09:45:34


Da niemand sich der Willkür einzelner Ärzte aussetzen sollte, finde ich die Anregung, Ethikkommissionen einzusetzen gut. Es braucht ethisch durchdachte Richtlinien, die verbindlich die Rangfolge notwendiger Leistungen entsprechend der medizinischen Bedürftigkeit und nicht entsprechend dem Geldbeutel des Patienten festlegen.

Persönlich bin ich skeptisch und leider nicht überzeugt, dass am Ende alle gleich behandelt werden, eher davon dass doch im Wesentlichen der Geldbeutel der Privatpatienten entscheiden wird.

--
karl
geschrieben von karl


Hallo Karl, das sehe ich wie Du, teile auch Deine Skepsis.

Hoppe hat auf jeden Fall Recht, und es muss dringend nach einer Lösung gesucht werden, damit die knappen Mittel gerecht (nach medizinischer Bedürftigkeit) verteilt werden !

Schon jetzt ist unübersehbar, dass die Verteilung medizinischer Leistungen häufig nicht nach gesundheitlichen Kriterien erfolgt, sondern nach finanziellen, und das ist unerträglich!


--
ursula

Anzeige

rello
rello
Mitglied

Re: Priorisierung von medizinischen Leistungen?
geschrieben von rello
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 23.05.2009, 10:01:56
Ich hoffe sehr, dass jeder Arzt auch in Zukunft selbst entscheiden kann, ob er Kassenarzt oder Privatarzt sein möchte und dass auch weiterhin Privatkliniken in Deutschland nicht per Gesetz verboten werden. So viel Freiheit müssen wir den Medizinmännern schon zugestehen.
Wenn das gewährleistet bleibt, ist es mir egal, wieviel Gesundheitsreformen es noch gibt.
--
rello
ehemaligesMitglied65
ehemaligesMitglied65
Mitglied

Re: Priorisierung von medizinischen Leistungen?
geschrieben von ehemaligesMitglied65
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 23.05.2009, 10:01:56



Schon jetzt ist unübersehbar, dass die Verteilung medizinischer Leistungen häufig nicht nach gesundheitlichen Kriterien erfolgt, sondern nach finanziellen, und das ist unerträglich!


--
ursula


--
Wie meinst du diesen Satz? Dass in der GKV die Leistungen nach finanziellen Gesichtspunkten verteilt werden und nicht nach gesundheitlichen? Oder geht das gegen die "Bevorzugung" der Privatpatienten?
Was soll in diesem Falle geschehen? Die Einverleibung der PKV in das abgewirtschaftete "gesetzliche" Gesundheitssystem?

Was sollte das bringen?

Ein paar Beitragszahler mehr, deren Beiträge in den bekannt unergründlichen Tiefen der Lobbyverbände, angefangen mit a wie Ärzte bis zu p wie Pharamkonzerne ohne Effekt für die Versichertengemeinschaft verschwinden?

Und, wegen der fehlerhaften Steuerung auch von den Versicherten selbst verschwendet werden, wenn man an die Zahl der Arztbesuche in diesem Lande denkt. Danach müssten die Deutschen genetisch ein Volk von Hinfälligen sein.

Privatversicherte, die verschiedene Anreize zu Sparen haben -
Selbstbeteiligung, Beitragserstattungen-, hüten sich aus diesen Gründen, wegen jeder Kleinigkeit die Wartezimmer zu füllen.

Auch verstehe ich bis heute nicht, weshalb der gesetzlich Versicherte nie eine Rechnung über die angeblich an ihm erbrachten Leistungen zu Gesicht bekommt. Oder ich verstehe das nur zu gut, denke ich an die Ärztelobby.

Ich finde das erneut ausgebrochene Geschrei unerträglich, weil alles wiederum nur dem "Endverbraucher" angelastet werden soll.
Weil das so schön überdeckt, dass nie eine richtige Reform stattgefunden hat, die das unbestreitbar viele Geld im Gesundheitssystem sachgerecht verteilt. Und das wird auch nie geschehen, die Schmarotzer des Gesundheitswesens sind zu stark. Und die Politik zu schwach und/oder korrupt.
Sag ich mal so!

meritaton
marianne
marianne
Mitglied

Re: Priorisierung von medizinischen Leistungen?
geschrieben von marianne
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 23.05.2009, 10:01:56
Guten Tag Ursula,
inzwischen kenne ich (kenne sie mehr oder weniger gut..)
so viele Menschen, die als Patienten nur noch den "Konsumenten-Touch" drauf haben..

das ist kein Dauerzustand.

Das meine ich halt, M


Anzeige

marianne
marianne
Mitglied

Re: Priorisierung von medizinischen Leistungen?
geschrieben von marianne
als Antwort auf ehemaligesMitglied65 vom 23.05.2009, 10:32:01
Deinen Beitrag, Meritaton,
las ich erst, als meiner schon geschrieben war.
Ist es so, dass ich bei dir ähnliche Überlegungen sehe?

Grüße!!
Marianne
Re: Priorisierung von medizinischen Leistungen?
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 23.05.2009, 10:01:56
ich pflichte meritaton bei. das system stinkt vom kopf an – und genau an der stelle wird weggesehen.

allein die masse der krankenversicherungen stinkt.

1977 sagte mir einmal ein bekannter (orthopäde), wenn jeder 10 mark zahlen müsste, um in die praxis zu kommen, wäre das wartezimmer leer. er hat sich gründlich geirrt.

ich möchte zuerst einmal keinem arzt unterstellen, dass er falsch abrechnet – aber alleine aufgrund der tatsache, dass ein gesetzlich versicherter überhaupt nicht in der lage ist zu überprüfen, was der arzt abrechnet – sind dem betrug tür und tor geöffnet.

es ist doch eine illusion davon auszugehen, dass heute nur noch noch finanziellen kriterien vorgegangen wird – denn da ist m.m. seit jahrzehnten so, es hat nur niemanden gestört, weil niemandem auf die finger gesehen wurde.

es wird mir immer ein rätsel bleiben, warum sich leute mit einem schnupfen stundenlang in ein wartezimmer setzen.

--
plumpudding
ehemaligesMitglied451
ehemaligesMitglied451
Mitglied

Re: Priorisierung von medizinischen Leistungen?
geschrieben von ehemaligesMitglied451
als Antwort auf Karl vom 23.05.2009, 09:45:34
eine Prioritätenliste mit Einstufung nach der Vermeidbarkeit durch gesunden Lebensstil ist letztlich die Einführung des Verschuldensprinzip.
Wenn man diesen Weg dann erst mal einschlägt, wird es der deutsche Jurist schon schaffen, daraus ein feingeästeltes System mit immer neuen "Ideen" zu basteln, um nochmehr Kosten zu sparen.
Diese Kette zuende gedacht, dürfte man (spontan in Kladde gedacht)
a) Keinen Sport mit Verletzungsrisiko treiben (Ich meinen nicht die Unfälle)
b) kein Auto mehr fahren (mangelnde Bewegung)
c) Keinen "ungesunden" Beruf ausüben, z.b. immer nur im Büro sitzen.
d) Reisen in Länder mit gefährlichen Krankheiten machen
usw. usw.

Viele Krankheiten zudem können durch ungesunde Lebensführung entstehen, müssen aber nicht. Was soll da eigentlich von wem wie eingeordnet werden???
Ethikkommission?? naja was Ethik ist, lässt sich auch schnell "ergebnisorientiert" definieren.

Letztlich wäre das m.E. schlicht verfassungswidrig, dem Einzelnen quasi durch die Hintertür der gesetzlichen Krankenversicherung den "Lebensstil" vorzuschreiben.

Wie solls dann laufen?? Wenn einer "Pech" hat und eine Krankheit erwischt, die nicht mehr bezahlt wird, darf er krepieren, wenn er kein Geld für die Behandlung hat??.

Viel wichtiger wäre es, eine "Versicherung" wirklich nur für die Absicherung eines echten Risikos einzuführen:

Kleinkram selber zahlen. Kostpieliges ist versichert.
Also müsste das finanzielle Risiko durch die Krankheit im Vordergrund stehen und nicht die Art der Erkrankung.
Aber das ist natürlich Ärzten ein Dorn im Auge, wenn kaum noch Patienten mit ihren kleinen wehweh-chen incl Schnupfen und Nasenpickel krankenversichert die Wartezimmer füllen.

donaldd
Re: Priorisierung von medizinischen Leistungen?
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf ehemaligesMitglied451 vom 23.05.2009, 10:56:03
jou donaldd. alkohol wird verboten – sind eh zu viele weinanbaugebiete und brennereien da, das gleiche gilt für die bierbrauer, nikotin wird auch im privaten bereich verboten. die zigarettenlobby ist eh zu gross und die schädlichkeit von nikotin ist ja hinreichend bekannt.

medizinstudenten sollten sich schon einmal darauf einstellen, psychologie statt innere medizin etc. zu studieren, denn die psychisch kranken sind auf dem vormarsch. die langzeitarbeitslosen brauchen schliesslich auch unterstützung – von welcher seite auch immer, denn es kommen dann die winzer, brauer usw. usw. hinzu.

wie soll eine krankenkasse das alles auch tragen können? diese ganze entwicklung ist mehr als bitter und auf knochen der allgemeinheit.

--
plumpudding

Anzeige