Forum Politik und Gesellschaft Innenpolitik Steuerflüchtlinge haben auch eine gesellschaftliche Verpflichtung

Innenpolitik Steuerflüchtlinge haben auch eine gesellschaftliche Verpflichtung

silhouette
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Unternehmens-Steuerparadies Schweiz
geschrieben von silhouette
als Antwort auf arno vom 02.02.2008, 20:30:27
Hierüber verliert unser Finanzminister kein Wort. Warum wohl?

Dr. Ulrich Thielemann vom Institut für Wirtschaftsethik in St. Gallen spricht von einem "parasitären Steuerdumping". Und er meint folgendes:

Der Schaden, der den EU-Ländern durch das Steuerdumping insbesondere im Kanton Zug entsteht, wird auf 30 Milliarden Euro jährlich geschätzt. In der Schweiz wird keine Leistung erbracht, sondern es wird nur der Rahm der außerhalb des Landes erbrachten Leistung abgeschöpft. Niemand erhebt den Zeigefinger, die Beliebtheit des Modells steigt und steigt.

Bekanntlich ist die Schweiz mit einer Unternehmenssteuer von nur 15% eine Versuchung für viele Firmen. Aber speziell der Kanton Zug belässt es nicht dabei, sondern setzt noch eins drauf: Er lässt die Gründung von Holdings zu, die keinerlei wirtschaftlichen Bezug zur Schweiz haben. Der bereits extrem niedrige Steuersatz von 0,5 ProMILLE wurde noch auf 0,2 Promille gesenkt. Seit 1960 hat sich die Zahl der Firmen mit Sitz in Zug verzehnfacht, davon sind ein Drittel deutsche Firmen.

Es geht sogar ohne Bürohaus, es braucht nur einen Briefkasten. In Zug sind oft die Hauswände zu klein, um alle Schilder der dort eingetragenen Firmen anzubringen, bis zu 400 sind es pro Haus. Der Zuwachs beträgt etwa 1300 pro Jahr. Die Zuger freut's, nach dem Motto "wenig von viel ist auch viel". Ihr Durchschnittseinkommen liegt bei 43000 Euro - gegenüber 27000 in Deutschland.

Die Steuerflucht in die Schweiz gefährdet auch die Kassen der Sozialsysteme der Herkunftsländer, die ja auch aus Steuermitteln gespeist werden (in Deutschland ja immer mehr, wie man weiß).

Der zitierte Dr. Thielemann hält die Schweizer "Methode" der Besteuerung für einen Verstoß gegen fundamentale Prinzipien eines jeden Steuerrechts: Die Schweiz selber tut nichts für die Wertschöpfung, die sie besteuert. Die breite Mehrheit der Schweizer bis hinauf zum Bundesrat steht hinter diesem Verhalten. Man hört dort, dass nicht nur die niedrigen Steuern attraktiv seien, sondern auch die schöne Landschaft, die freundlichen Menschen (ja, da schauen auch die Briefkastendeckel gleich ganz anders drein!). Das sollen die EU-Ländern erst mal selber bieten.

"Geldscheichtum Schweiz": diesen Ausdruck benutzte Jean Ziegler schon vor 20 Jahren.

Toll!

Die Zahlen wurden mal im BR gesendet
--
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studioso
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Re: Unternehmens-Steuerparadies Schweiz
geschrieben von studioso
als Antwort auf silhouette vom 03.02.2008, 10:58:35
Hierüber verliert unser Finanzminister kein Wort. Warum wohl? Dr. Ulrich Thielemann vom Institut für Wirtschaftsethik in St. Gallen spricht von einem "parasitären Steuerdumping". silhouette


--ich meine, wie dem Alter so ist auch gegen den Egoismus kein Kraut gewachsen. Meinhard Miegel hat es in einem Dossier einer Zeitung (nnz) richtig beschrieben. Nachstehend ein Zitat aus diesem Dossier:

„Durch die Ideologie des Individualismus wurde der Einzelne zum Ausgangs- und Zielpunkt aller ethischen, gesellschaftlichen und religiösen Werte. Mittlerweile haben seine Interessen und Bedürfnisse unbedingten Vorrang vor denen der Gesellschaft. Nur er hat Rechte. Die Gemeinschaft hat ihm zu dienen. Sie hat die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass er sich allseitig entfalten kann. Hierauf hat er, so meint er, einen einklagbaren Anspruch. Sein «Ich» darf dem «Wir» der Gemeinschaft nicht unter- oder auch nur eingeordnet werden.

Über den ethischen Gehalt dieser Ideologie oder auch nur über ihre Sinnhaftigkeit lässt sich nicht streiten, zumal sie von den meisten gar nicht
mehr als Ideologie wahrgenommen wird. Dazu hat sie die Fasern der westlichen Gesellschaft zu nachhaltig durchtränkt. Sie wurde zur westlichen
Lebensart. So lebt der Mensch. Er erkennt sich nicht nur als Individuum und nimmt sich als solches an, sondern er fördert und pflegt individualistische Neigungen und Verhaltensweisen. Sie gelten ihm im Vergleich zu gemeinschaftsorientierten als höherwertig. Der Nachteil dieser Lebensart: Sie ist ungeheuer aufwendig, ja sie ist so aufwendig, dass eine Gesellschaft durch sie verarmen kann.“

Gegen das globalisierte Ego-Phänomen können Gesetze nichts bewirken. Wie war das noch mit der neokapitallistschen Karawane......?

studioso

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