Forum Politik und Gesellschaft Innenpolitik Unterschiedliche Beurteilung von kriminellen Taten in unserem Land?

Innenpolitik Unterschiedliche Beurteilung von kriminellen Taten in unserem Land?

olga64
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Re: Unterschiedliche Beurteilung von kriminellen Taten in unserem Land?
geschrieben von olga64
als Antwort auf Elmos vom 02.06.2016, 22:12:38
Ich danke Ihnen sehr für Ihre Beiträge und es erschüttert mich schon, dass einige DiskutantInnen nun erbsenkramerisch darauf abstellen, es seien wohl nicht so viele Kinder gewesen (böse, böse Statistik).
Oder irgendeine andere Rechnung mit mir als Autorin dieses Threads begleichen zu wollen. Lasst das, Leute - das Thema ist zu ernst!
Ich denke, jedes einzelne Kind, das in unserem Land missbraucht, misshandelt oder gar getötet wird, ist eines zu viel.
DAs alles weitet sich jetzt auch auf die besonders hilfsbedürftigen Kinder aus,die in Flüchtlingsheimen leben. Ganz aktuell wurde wieder ein Fall bekannt, wo ein deutscher Sicherheitsmensch eine 7-jährige sexuell attackierte und vergewaltigte. Der Mann wurde als Pförtner eingestellt; man versäumte,das vorgeschriebene polizeiliche Führungszeugnis zu verlangen; man hätte erkannt, dass er bereits einschlägig vorbestraft war.
In diesen Heimen gibt es eine immense Dunkelziffer, da die Insassen gar nicht wissen, welche Rechte ihnen in unserem Land zustehen und sie kein Vertrauen - siehe oben - zu den Sicherheitsleuten haben, wenn Kinder oder Jugendliche attackiert werden.
Es liegt an uns, hier genauer hinzusehen und das zu tun, was die Polizei empfiehlt: lieber einmal zu viel solche Vorkommnisse melden als einmal zu wenig. Keine Rücksicht z.B. auf Eltern nehmen, die ein wie auch immer geartetes brutales Verhalten ihren Kindern gegenüber als "normal" darstellen wollen. Es ist nicht normal, wenn ein Kind Angst hat und verprügelt oder festgehalten wird. Zivilcourage ist das einzige Mittel, um hier selbst guten Gewissens aktiv zu werden. Olga
Elmos
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Re: Unterschiedliche Beurteilung von kriminellen Taten in unserem Land?
geschrieben von Elmos
als Antwort auf ttrula vom 02.06.2016, 22:28:40
Guten Abend,

Was hälst du von dem Vorschlag, konkret zu beschreiben, wohin man sich wenden kann, wenn man in der Umgebung einen Verdacht auf Kindesmisshandlung hat? Es hört sich so an, als hättest du da erfolgsversprechende Erfahrungen.


Ttrulla, natürlich spricht nichts dagegen (auch aus meiner Sicht) Frauenhäuser zu unterstützen, warum auch?

Ansonsten habe ich, glücklicherweise keine Erfahrungen mit dem Melden von Kindesmisshandlungen, ich komme lediglich (aus familiären Gründen) mit Kindern in Kontakt, die wegen akuter Gefährdung nicht mehr in ihren Familien leben können. Das kann verschiedene Gründe haben. Ich selber habe keinen Beruf im sozialen Bereich, eher im Gegenteil.

Es ist aber eigentlich nicht schwierig. Wenn du den Verdacht hast, dass jemand sein Kind (oder seine Kinder) misshandelt oder vernachlässigt, dann kannst du entweder zur Polizei gehen oder, was mir persönlich sinnvoller erscheint, gleich zum Jugendamt. Das Jugendamt muss jedem Hinweis (auch anonymen) nachgehen. Und die haben dann auch die Fachkräfte "vor Ort" die in die Familien gehen und sich die Situation anschauen. Ausserdem hat diese Vorgehensweise den "Vorteil" dass die betroffene Familie nicht in jedem Fall eine Strafanzeige bekommt. Das mag jetzt erst mal bescheuert klingen, aber es ist eigentlich immer das höchste Ziel eine Familie so zu unterstützen, dass die Kinder dann ungefährdet dort leben können. Das ist einfacher, wenn man nicht grade mit einer Anzeige ins Haus gefallen ist, da scheint die Bereitschaft zur Mitarbeit grösser zu sein. Es ist ja nun auch so (absurderweise) dass in der Regel auch Menschen, die ihre Kinder vernachlässigen oder misshandeln sie "eigentlich" lieben. Und manchmal braucht man da dann nur etwas "Hilfe".

Natürlich, auch da gibt es solche und solche aber in der Regel scheinen die Menschen beim Jugendamt engagiert für das Kindeswohl zu arbeiten.

Zum Thema Kindesmisshandlungen gibt es ein gutes, aber auch (wie ich finde) sehr erschütterndes Buch, das ich vor einiger Zeit gelesen habe. Es heisst "Deutschland misshandelt seine Kinder", von den Rechtsmedizinern Saskia Guddat und Michael Tsokos. Vielleicht magst du das ja auch mal anschauen.

Liebe Grüße
Andrea

Edit, ein kleiner Nachtrag so lange es noch geht: hier habe ich noch einen Artikel gefunden in dem konkret beschrieben wird, wie das Jugendamt arbeitet:
Jugendamtsartikel
Elmos
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Re: Unterschiedliche Beurteilung von kriminellen Taten in unserem Land?
geschrieben von Elmos
als Antwort auf Edita vom 03.06.2016, 08:35:17
Guten Abend auch an dich,


Nein - die allermeisten "deutschen (Mit)menschen" müssen sich diesen Schuh nicht anziehen!


Das sehe ich persönlich doch anders. Ich möchte nicht abstreiten, dass jeder betroffen ist, wenn wieder ein Kind verhungert oder verdurstet, aus einem Keller gerettet wird oder bekannt wird dass es totgeschlagen wurde. Und ich glaube, das findet jeder schlimmer als einen Kratzer im Auto.

Und, anders als viele Menschen denken, die Aufklärungsrate ist bei Kindesmisshandlungen sehr hoch. Also wenn einmal die Polizei eingeschaltet wurde, dann wird fast immer auch der Täter ermittelt.

Aber: die "Dunkelziffer" die ist so unglaublich hoch bei Kindesmisshandlungen und Vernachlässigungen - denn die Polizei wird einfach VIEL ZU SELTEN benachrichtigt.
Ich habe schon gelesen (ich gebe das hier jetzt mal wieder ohne nach der Quelle zu suchen) dass nur einer von 400 (!) Fällen von körperlicher Gewalt gegenüber Kindern angezeigt wird.

Und das ist der eigentliche Knackpunkt, das was ich den Mitmenschen von mir (und, siehe mein vorletztes Posting) irgendwie auch mir selber anlaste. Nicht wirklich sensibel zu sein für Grenzüberschreitungen, die auch in der Öffentlichkeit passieren, und sich im "trauten Heim" mit Sicherheit nicht reduzieren.

Liebe Grüße
Andrea

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ttrula
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Re: Unterschiedliche Beurteilung von kriminellen Taten in unserem Land?
geschrieben von ttrula
als Antwort auf Elmos vom 03.06.2016, 19:35:24
ja, ich habe weiter oben von meinen Erfahrungen mit der diskreten Handlungsweise des Jugendamtes geschrieben, die waren nicht gut, sind aber eben schon 10 Jahre her. Hat sich da was geändert in den Handlungsmöglichkeiten?

Missbrauchten Kindern sieht man dies nicht unbedingt an. Nicht einmal körperlich misshandelten Kindern sieht man dies immer an (schon gar nicht als ungeschulter Laie). Wenn ein Säugling in meiner Nachbarwohnung schreit, würde ich auch nicht auf Misshandlung tippen, Säuglinge schreien oft aus anderen Gründen und die eh schon geplagten Eltern von Schreibabys mit Misshandlungsverdacht zu beargwöhnen, wer bitte würde das tun? Es ist leicht, von Zivilcourage zu schwärmen. Im konkreten öffentlichen Fall (Mutter schlägt Kind auf der Straße) finden sich nach meiner Erfahrung doch mittlerweile sofort empörte Menschen. Das Problem sind die nichtöffentlichen Vorfälle.

P.S. deinen nachträglich noch eingestellten Link habe ich gelesen. Und daraus wird klar, in welchen (offensichtlichen, meist angezeigten) Fällen das JA agieren kann und wann nicht: (bei normalentwickelten kleinen Mädchen mit Missbrauch in der Familie).
Elmos
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Re: Unterschiedliche Beurteilung von kriminellen Taten in unserem Land?
geschrieben von Elmos
als Antwort auf uki vom 03.06.2016, 09:58:07
Hallo Uki,


Ich denke, Elmos, du hast gut daran getan, die Eltern, die ihre kleinen Kinder bei einer, (wahrscheinlich) kürzeren Zugfahrt, im Kinderwagen sitzen lassen, nicht "anzupupsen".
Viel gefährlicher wäre es, sie, die Kinder, auf den Schoß zu nehmen oder mit ihnen im Abteil herumzulaufen.
geschrieben von uki


Nein, das sehe ich gänzlich anders als du. Das fahren im Zug ist so ungefährlich, dass es den Zugmitfahrern gestattet ist einfach dumm rumzustehen während der Fahrt. Ich habe jedenfalls noch keinen Zug mit vielen/ausreichend (?) Haltegriffen oder gar Sicherheitsgurten für Reisende gesehen, und ich verbringe täglich etwa zwei Stunden im Zug.

Ich finde deine Reaktion dennoch sehr gut. Ich bin sicher, dass du für ein Kind nur "das Beste" möchtest (das geht den meisten Leuten ja wohl so).
Aber da stellt sich mir eben die Frage, was ist das "Beste"? Meinst du wirklich, die - sehr kleine und zu vernachlässigende Gefahr dass ein Zug eine Vollbremsung hinlegt (davon habe ich schon die eine oder andere erlebt und die sind doch von der "Heftigkeit" mit der Vollbremsung eines Autos nicht vergleichbar) würde es wirklich rechtfertigen einen Menschen im Zug zu fesseln? Wie fändest du das, wenn du, kaum wärest du im Zug, irgenwer käme und dich so anbinden würde, dass du nicht mehr selber loskommen könntest? Und das, obwohl du das auf keinen Fall haben wolltest? Würdest du keine Panik bekommen, Angst?
Du erwähntest, dass die Zugfahrt ja wahrscheinlich kurz sei. Es stimmt, es gibt Kinder die nur eine Haltestelle weit fahren, das sind in der Regel vielleicht 10 Minuten. Aber weisst du, was ein Kind in 10 Minuten alles erleben kann an Leid und Gram?

Ich finde, dass diese Anmerkung, genau wie das Verhalten der Kinderfessler, einfach übersieht, dass auch (kleine) Kinder Persönlichkeiten sind, die ein Recht auf Freiheit und Unversehrtheit haben. Und wenn die psychische Verletzung die man einem Kind zufügen muss um vielleicht einen sehr unwahrscheinlich eintretenden kleinen körperlichen Schaden (mehr als ein blauer Fleck ist wohl kaum drin wenn ein Kind im Zug herumläuft, und vom Schoss ist noch niemals eins der zugfahrenden Schosskinder gefallen) zu verhindern?

Ich denke, in dem Fall wird einfach die Persönlichkeit und der freie Wille des Kindes absolut nicht respektiert.

Übrigens - Erzieher, die Kinder in Kinderwagen fixierten, sind dafür schon (und ich finde zu Recht) entlassen worden.

liebe Grüße
Andrea
Elmos
Elmos
Mitglied

Re: Unterschiedliche Beurteilung von kriminellen Taten in unserem Land?
geschrieben von Elmos
als Antwort auf ttrula vom 03.06.2016, 19:56:26
Hallo,

wie gesagt, das ist nicht mein "Jobbereich" - ich weiss daher nicht, wie sich die Gesetzeslage in den letzten 10 Jahren entwickelt hat. Ich bin auch sicher, dass es solche Fälle immer wieder geben wird, dass also trotz einer Anzeige nicht gehandelt wird. Natürlich, auch wenn ich sage, dass in den Jugendämtern engagierte Menschen arbeiten, dann ist das genauso positiv übertrieben, wie anders herum. Es wird immer "solche und solche" geben. Aber: ich glaube (oder hoffe?) dass das die selteneren Fälle sind in denen sie einfach nichts tun.

Liebe Grüße
Andrea

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Edita
Edita
Mitglied

Re: Unterschiedliche Beurteilung von kriminellen Taten in unserem Land?
geschrieben von Edita
als Antwort auf Elmos vom 03.06.2016, 19:47:21


Nein - die allermeisten "deutschen (Mit)menschen" müssen sich diesen Schuh nicht anziehen!

Das sehe ich persönlich doch anders. Ich möchte nicht abstreiten, dass jeder betroffen ist, wenn wieder ein Kind verhungert oder verdurstet, aus einem Keller gerettet wird oder bekannt wird dass es totgeschlagen wurde. Und ich glaube, das findet jeder schlimmer als einen Kratzer im Auto.
Liebe Grüße
Andrea


Guten Morgen Elmos,

das sei Dir natürlich unbenommen, Elmos - aber die Wirklichkeit sieht nun mal tatsächlich anders aus!
Ich persönlich habe vor jetzt 31 Jahren auch schon grausamste Erfahrungen mit dem Jugendamt machen dürfen, nicht wegen Prügelei und Mißhandlung, sondern mein Sohn, damals knapp 14-jährig, ist heimlich hingegangen und hat dort Hilfe gesucht, er "müsse" von zuhause weg weil seine Eltern viel zu wenig Zeit für ihn hätten, er hätte eine schwerst behinderte Schwester, die nur im Krankenhaus läge, und das Geschäft hätten wir schließlich auch noch, und Mama würde zuhause fast immer nur noch weinen, so.....und anstatt behutsam die Situation mit ihm aufzudröseln und nachzuhaken und sich mit uns in Verbindung zu setzen, haben sie heimlichst die Unterbringung meines Sohnes "ins Heim" betrieben, uns vor vollendete Tatsachen gestellt und das wars!
Hintergrund dieser ganzen traurigen Geschichte war, daß mein Sohn in eine Klicke geraten war, die ihm weismachte daß mein Mann und ich stinkreich seien und ihn aber nur mit 1,50 DM pro Woche Taschengeld abspeisen würden, und wir sowieso alle Liebe und alles Geld nur in seine behinderte Schwester stecken würden! Und ohne den wirklichen Sachverhalt versuchen zu klären und zu überprüfen hat das Jugendamt den Wünschen meines Sohnes entsprochen und ihn ins Heim " gesteckt ", welches sie sich von uns fürstlich bezahlen lassen wollten, aber da kannten sie auch Edita noch nicht!
4 oder 5 Wochen war er dort drin, dann hatte ich wieder Zugang zu ihm gefunden, habe ihn dort raus und ihn 800km weiter in ein Zinzendorf Internat an der Nordsee gebracht, da war er weit genug von der Klicke weg, aber doch noch nahe an der Familie, weil meine Eltern nur ums Eck wohnten!

Nun kann man sagen, daß mein Sohn den Stein selber ins Rollen gebracht hat, nichtsdestotrotz " Jugendämter greifen zunehmend in Familien ein und bringen Kinder in Heimen oder Pflegefamilien unter. Manche Entscheidungen der Ämter sind verheerend - und wer einmal in die Mühlen geraten ist, kommt so leicht nicht mehr heraus. "
" Die Zahl der Kinder, die Jugendämter aus ihren Familien nehmen, steigt: Vor zehn Jahren waren es rund 25 000 Kinder, vergangenes Jahr fast 50 000. In der Öffentlichkeit wird diese Entwicklung oft damit erklärt, dass Eltern mit ihrer Erziehungsaufgabe zunehmend überfordert seien. Es gibt aber Fälle, die eher den Verdacht nähren, dass ein Apparat außer Kontrolle geraten ist: dass Familien, die vielleicht Hilfe bräuchten, mit staatlicher Gewalt schikaniert und auseinandergerissen werden – mit wenig Rücksicht auf Gesetze und auf das Gut, das eigentlich über allem steht: das Kindeswohl. "

Thomas Mörsberger — Vorsitzender des Deutschen Instituts für Jugendhilfe und Familienrecht:
Ich werde zunehmend konfrontiert mit Fällen, bei denen in haarsträubender Weise Familien belastet werden durch völlig unberechtigte Interventionen, etwa in Form einer Fremdplatzierung per Inobhutnahme. Und ich spreche nur von Fällen, bei denen das Jugendamt dies auch – natürlich nicht öffentlich – zugegeben hat. Den Optimismus, dass durch massives Eingreifen per se das Gute passiere, kann ich nicht teilen.

Lore Peschel-Gutzeit — Familienrechtsanwältin, ehemalige Justizsenatorin in Hamburg und Berlin:
Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt festgestellt, dass sowohl Familiengerichte als auch Jugendämter Kinder oft zu schnell und ohne notwendige Ermittlung von Alternativen in Obhut nehmen beziehungsweise von den Eltern trennen. Und dass sie sich auch bei der Rückgabe von fremd-untergebrachten Kindern an die Eltern zögerlich und damit pflicht- und verfassungswidrig verhalten. "


In fremden Händen

So - das ist die eine Richtung in der die Jugendämter versagen, in der anderen Richtung, wenn nämlich ein Kind wirklich vor seiner " Familie " geschützt werden muß, versagen sie aber auch!

" Immer dann, wenn ein Kind misshandelt oder sogar totgeschlagen wird, wird eine "Kultur des Hinschauens" gefordert. Den Kindern nützt das wenig. Es gibt in Deutschland jede Menge Mitarbeiter in Jugendämtern, die sehr wohl hinschauen, wenn auffällt, dass ein Kind Verletzungen hat - und trotzdem ist das Kind am Ende tot. Laut offizieller Polizeistatistik sterben in Deutschland jede Woche drei Kinder an den Folgen von Misshandlungen. Das sei kollektives und manchmal sogar willkürliches Versagen der Behörden, klagen zwei Rechtsmediziner der Berliner Charité an. "

Plötzlich ist das Kind tot

Gell, nicht daß Du denkst, daß das uralte Links seien, sie stammen alle aus 2015, ach so und meine persönliche Geschichte geschah vor 31 Jahren!

Edita
uki
uki
Mitglied

Re: Unterschiedliche Beurteilung von kriminellen Taten in unserem Land?
geschrieben von uki
als Antwort auf Elmos vom 03.06.2016, 19:59:15
Hallo, Elmos,
wenn ich deine Sichtweise in der Beziehung hätte, bezüglich „Fesseln, Fixieren“ würde ich auf jeden Fall die Eltern daraufhin ansprechen, und, wie vorher gesagt, versuchen, das schreiende Kind abzulenken.
Allerdings bezeichne ich einen Kinderwagensicherheitsgurt nicht als Fesselung oder Fixierung.

Wenn eine Betreuerin im Kindergarten ein Kind, welches dort ist, um zu spielen, in einen Kinderwagen mit Sicherheitsgurt setzt, ist das auch für mich nicht akzeptabel. Auch hier sollte man aber den ganzen Sachverhalt kennen. Ich denke mir, die Richter werden sich schlau gemacht haben, bevor sie das Urteil festlegten.

Wie gesagt, bei deinem Empfinden gegenüber Sicherheitsgurten im Kinderwagen, sprich doch ruhig Eltern daraufhin an und höre dir die Gründe für das Anlegen desselben an.
Möglich du überzeugst sie, die Eltern, oder umgekehrt.

Liebe Grüße
~uki~
ttrula
ttrula
Mitglied

Re: Unterschiedliche Beurteilung von kriminellen Taten in unserem Land?
geschrieben von ttrula
als Antwort auf Edita vom 04.06.2016, 08:51:51
es gibt meines Wissens Kriterien und Leitlinien (heutzutage), die den Handlungsspielraum des JA definieren. Das kann man auch dem von Elmos eingestellten Link entnehmen.

Da geht es aber vor allem um erkennbare Auffälligkeiten im Entwicklungsstand, Ernährungsstand etc. des Kindes. Außerdem belegbare Auffälligkeiten in der Familie/Eltern (Misshandlung kann auch durch Geschwister geschehen).

Entzug des Kindes, Unterbringung in Pflegefamilie etc. gilt als letztes Mittel der Wahl und braucht bedeutende Anzeichen der Notwendigkeit.

Ein Bekannter von mir arbeitet als Therapeut und Gutachter auf diesem Gebiet und ich habe schon erlebt, dass er als Noteinsatz gerufen wurde, um sofort ein Kind zu begutachten wegen evtl. Gefahr im Verzug. In solchen Fällen stehen auch Kurzpflegefamilien zur Verfügung, in die das Kind sofort verbracht wird.

Wie ich schon sagte, es handelt sich da um krasse Fälle, und selbst hier ist eine Grenzziehung von Amtswegen schwer und sicher auch abhängig von Talent und Arbeitsbelastung der betroffenen Mitarbeiter.

Problematisch sind die sogenannten Dunkelziffern und dazu zähle ich auch all die Fälle, wo es problemlos gelingt, die Ämter zu täuschen. Gewalt und Missbrauch findet nicht nur im Prekariat statt.

Ich lehne es ab, angeblich desinteressierten Mitmenschen pauschal die Schuld an der Verrohung unserer Gesellschaft zuzuschieben. In Wirklichkeit ist die Problematik viel differenzierter, als diese bequeme Form der persönlichen Entlastung.

Ich wage auch mal aus persönlichen Erfahrungen folgendes zu berichten:
Ich lebe in einem Haus mit Gutverdienern zusammen in einer gutbürgerlichen Gegend. Keine sozialen Auffälligkeiten.
Man bekommt besonders im Sommer, wenn alle Fenster und Türen aufstehen, einiges mit.
Ich hörte, dass Nachbarin links ihren Sohn längere Zeit in der Toilette eingesperrt hatte. Als der Vater nach Hause kam, hörte ich, wie er seinen Sohn herausholte und ihm links und rechts eine herunterhaute.
Ich habe weder Polizei noch Jugendamt verständigt und ich habe auch nicht geklingelt und die Eltern zur Rede gestellt.
Die Nachbarin rechts hat kürzlich ihrem bockigen kleinen Sohn unter der Wohnungstür eine runtergehauen. Soweit ich es mitbekam, war sie sehr in Zeitdruck um in die Kanzlei zu kommen und der Zwerg war auf Sabotage aus.
Ich habe weder die Polizei noch das JA verständigt und ich bin auch nicht rausgegangen, um sie über meine Sichtweise zu Gewaltanwendung zu belehren.

Schlagen von Kindern lehne ich ab (wie jede Form von Gewaltanwendung gegen Menschen jeden Alters auch).

Mich würden Berichte aufbauen, in denen Leute in vergleichbaren Situationen eine Lösung gefunden haben, die nicht nur Glanz in ihre eigene Moralhütte gebracht hat, sondern den Kindern nachhaltig nützte.
lalelu
lalelu
Mitglied

Re: Unterschiedliche Beurteilung von kriminellen Taten in unserem Land?
geschrieben von lalelu
als Antwort auf uki vom 04.06.2016, 09:47:45
@ Elmos, ich sehe es so wie Uki: dein pauschales Urteil über „Fesselung“ im Kinderwagen teile ich nicht. Manchmal ist es um der Sicherheit willen weitaus besser, ein Kind für eine begrenzte Zeit im Kinderwagen anzuschnallen. Wenn du deine Argumentation konsequent weiterführst, müsstest du auch dagegen sein, dass man Kinder im Auto in einem Kindersitz „fesselt“ . Diese Zeitspanne ist bei einer langen Autofahrt viel länger.

Ich hatte für meine beiden Kinder auch ein „Kindergeschirr“, das ich bei Bedarf benutzte – wenn ich beispielsweise mit beiden Lütten in der Stadt unterwegs war.

Meine Tochter fand es „unangeleint“ nämlich höchst spannend, auf eigene Faust die Umgebung zu erkunden und mein Sohn fand es viel interessanter, stehend im Sportwagen kutschiert zu werden, als sitzen zu bleiben. Leider schaffte ich es nicht, meine Tochter fest an der Hand zu halten, meinen Sohn zu tragen und nebenbei auch noch den Sportwagen zu schieben. Ich schnallte beide in einem solchen Fall an.

Ganz nebenbei akzeptierte meine Tochter das „Kindergeschirr“ mit der verstellbaren langen Leine ohne Murren. Sie konnte sich dadurch immer noch in einem gewissen Radius frei bewegen, wohingegen es ihr weitaus weniger gefiel, wenn ich sie fest an die Hand nahm, so dass sie brav neben mir laufen musste.

Mein Sohn ließ sich ebenfalls bereitwillig anschnallen; er schien sich sogar darauf zu freuen, weil er schnell kapiert hatte, dass es dann hinaus in die „große, weite Welt“ ging – ein bisschen vergleichbar einem Hund, der sich freudig und schwanzwedelnd die Leine anlegen lässt.

Ganz nebenbei erwähnt, verhinderte der Sicherheitsgurt im Kinderwagen einmal Schlimmeres. Schneller als ich reagieren konnte, stellte sich mein Filius wieder einmal hin und fiel kopfüber aus dem Wagen heraus. Er hing neben dem Wagen im Sicherheitsgurt, welcher ihn davor bewahrte, auf dem Bürgersteig aufzuschlagen. Zwar brüllte der Kleine fürchterlich, aber nur vor Schreck; es war ihm nichts passiert.

Übrigens haben beide Kinder es unbeschadet überstanden, dass ich sie ab und zu „fesselte“; wir haben bis heute ein sehr gutes Verhältnis zu ihnen.

Zusammenfassend möchte ich sagen, dass ich einen Unterschied mache zwischen Leuten, die ihre Kinder unnötigerweise um der eigenen Bequemlichkeit willen fixieren und denen, die sie mitnehmen wollen, wenn sie unterwegs sind, aber leider zwei lebhafte Kinder nicht gleichzeitig sichern können. Auch wenn man nur mit einem Kind unterwegs ist, kann eine Einzelperson im Einzelfall vielleicht damit überfordert sein, es herumzutragen oder auf dem Schoß zu halten. (Rückenschmerzen oder eine sonstige Beeinträchtigung). Wie Uki schon sagte: Man sollte den ganzen Sachverhalt kennen und im Zweifelsfall die Eltern direkt ansprechen.

Noch zum ursprünglichen Thema des Threads: Dass die Leute sich mehr empören, wenn irgendwo eingebrochen wird als wenn ein Kind misshandelt wird, kann ich aus meiner persönlichen Erfahrung nicht bestätigen. Ich sehe es genau andersherum.

Lalelu

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