Forum Politik und Gesellschaft Innenpolitik Vater holt Kinder aus "Ghetto-Klasse"

Innenpolitik Vater holt Kinder aus "Ghetto-Klasse"

Re: trennen statt verbinden...
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf senhora vom 20.09.2010, 07:50:00

Diese Richtlinie ist fast infam, so etwas habe ich nicht für möglich gehalten.
Nun verstehe ich aber besser, warum fast immer die Kinder von Chefs wieder Chef werden und wie es kommt, dass eine Oberschicht von Generation für Generation die Führungspositionen besetzt.

Senhora

Das ist wirklich eine interessante Untersuchung, in dem Maße hätte ich das nicht erwartet, danke für's Einstellen, mart.
Aber eine "Richtlinie" ist es, so wie ich es verstehe, nicht, sonst wäre es wirklich arg bestellt um unser Bildungswesen. Sondern die Lehrer stufen die Kinder und ihr Können unterschiedlich ein, so dass sie für die einen bei der Kompetenzstufe III eine Gymnasialempfehlung ausssprechen und für die anderen das erst bei Kompetenzstufe V tun (was nicht im Sinne des Erfinders sein dürfte). Das kann zum Teil auf Vorurteilen beruhen, die den Lehrern nicht einmal bewusst sind, so dass sie diese unterschiedliche Einstufung nicht immer selbst bemerken werden (was keine Rechtfertigung sein soll), und es erinnert fast an ein Apartheidssystem.

Aber auch wenn es keine „Richtlinie“ ist – infam ist es trotzdem, und wundern muss man sich dann nicht mehr über die angebliche Bildungsverweigerung der Migranten. Hier wird ganz deutlich, dass diese eben oft von oben gefördert wird.
lalelu
lalelu
Mitglied

Re: trennen statt verbinden...
geschrieben von lalelu
@ mart @ senhora @ schorsch

es ist richtig, dass der soziale Stand des Elternhauses oft den Ausschlag dafür gibt, welche Laufbahn das Kind später einschlägt. Das liegt aber nur zum Teil an unserem System; nicht alle Posten werden vererbt; die meisten muss man sich erarbeiten, und ich selbst kenne Menschen im mittleren Alter, die aus einem einfachen Elternhaus kommen und es sehr wohl "in die oberen Etagen" geschafft haben. Pauschalurteile helfen nicht weiter.

In der "sozialen Mittelschicht und Oberschicht" hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass eine fundierte Ausbildung das Beste ist, was man Kindern mitgeben kann, und so werden Kinder aus diesen Schichten mit aller Kraft gefördert, sogar dann, wenn sie vielleicht überfordert sind, was ebenfalls abzulehnen ist.

Eltern aus der "sozialen Unterschicht" halten es aber oft für normal, dass ihre Kinder in der gesellschaftlichen Schicht bleiben wie sie selbst und kommen gar nicht auf den Gedanken, ihre Kinder an einer weiterführenden Schule anzumelden.

Dabei hat auch ein Kind aus der "sozialen Unterschicht" alle Möglichkeiten, eine gute schulische und berufliche Ausbildung zu erlangen. Voraussetzung dafür ist, dass es diese Möglichkeiten annimmt. Die Durchlässigkeit in unserem Schulsystem macht einen Wechsel nämlich mehrmals während der Schulzeit möglich. Gleichgültig ob es sich um Hauptschulen, integrierte Gesamtschulen, Regionalschulen, Realschulen - oder wie sie heutzutage alle heißen - handelt, meines Wissen kann man überall bis zur mittleren Reife kommen.

Danach können Kinder mit ausreichenden intellektuellen Fähigkeiten nach der 10. Klasse noch zum Gymnasium wechseln. Das ist hier schon seit vielen Jahren gängige Praxis, und meistens handelt es sich dabei um Kinder aus der "sozialen Unterschicht", weil die anderen bereits nach der Grundschule bzw. der Orientierungsstufe auf eine weiterführende Schule geschickt werden. .

Wenn Kinder aus "besseren Kreisen" grundsätzlich eine bessere Bewertung bei der Schullaufbahnempfehlung erhalten, ist das durch nichts zu rechtfertigen, aber eine praktische Auswirkung hat es hier zumindest nicht. Hier ist es schon jahrelang nichts weiter als eine Empfehlung, an welche sich die Eltern nicht halten müssen. Man hat nämlich inzwischen erkannt, dass das gleiche Kind von unterschiedlichen Lehrern oft eine unterschiedliche Bewertung erhält, weshalb die Einstufungsempfehlung niemals völlig objektiv sein kann.

Eines muss man aber auch sehen: Es kommt immer wieder vor, dass man Eltern eines Kindes dringend ans Herz legt, dem Kind eine bessere schulische Ausbildung zu ermöglichen und dann etwas in der Art hört: "Das können wir uns nicht leisten, unser Sohn /unsere Tochter muss Geld verdienen. Wir haben gebaut, und brauchen das Geld!". Oder: "Die heiratet ja doch. Wozu soll sie dann noch so lange lernen?"

Diese Denkweise findet man so gut wie nie in der besser ausgebildeten Mittel- und Oberschicht, aber immer noch oft genug in weniger gut ausgebildeten Kreisen. Hier müsste man gesellschaftspolitisch ansetzen. Es wäre wenigstens ein Baustein, um auch Kinder aus bildungsfernen Schichten die Chance einer guten Ausbildung zu geben.

Lalelu
olga64
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Mitglied

Re: trennen statt verbinden...
geschrieben von olga64
als Antwort auf lalelu vom 20.09.2010, 11:34:22
Lalelu - die "Menschen mittleren Alters" - die Quereinsteiger, die es noch schafften, auch in höhere Positionen zu kommen gibt es nicht mehr. Heute ist entscheidend, aus welchem Hause man kommt, welche Schulen man besuchte (auf Privatschulen und -Universitäten werden ja diese auch gesponsert von den Eltern) - wir haben fast amerikanische, französische oder englische Verhältnisse. Lernen sich dort Studenten z.B. in Havard oder Oxford kennen, werden dies Freundschaften fürs Leben - die Jobs werden dann auch untereinander angeboten - dies reicht bis in weitere Generationen. Es ist sicher für Leute, die draussen bleiben (müssen) traurig - aber nicht änderbar, es sei denn, man heiratet jemand aus diesen Kreisen.Geld allein (z.B. ein Lottogewinn) ist kein Garant für Aufnahme in diese Zirkel, da sich diese gerne abschotten gegen "solche Leute" (pardon). Olga

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Re: trennen statt verbinden...
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf olga64 vom 20.09.2010, 17:00:48
genau so sehe ich das auch.

chefs (also väter, die selbständig sind oder selbst eine hohe position in einer firma haben,) haben oft söhne und/oder töchter, die in den kreisen
sozusagen weitervermittelt werden.

also haben sie (die kinder) es von anfang an sowieso leichter, weil die eltern
auf schule, bildung, umgangsformen wert legen - und diese werte den
kindern von anfang an vermitteln.

je besser also die laufbahn des kindes ist (gymnasium, studium evtl. auslandsaufenthalt), desto höher natürlich die chancen ebenfalls auf
einen guten job.
olga64
olga64
Mitglied

Re: trennen statt verbinden...
geschrieben von olga64
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 20.09.2010, 17:16:33
Nicht immer haben es die Kinder leicht. Denken Sie nur an den Krupp-Sohn, der sich auszahlen liess und völlig exaltiert lebte und verstarb.
Auch in der Familie Agnelli (Fiat) tobte es gewaltig und viele Firmen werden nicht mehr weitergeführt werden, weil kein Erbe vorhanden ist, der sich dies antun möchte. Dies ist ja ein ganz aktuelles Problem und macht die "Heuschrecken-Investoren" so erfolgreich, die dann die Firmen kaufen, zergliedern und dann zerschlagen. Es gibt auch Unternehmen, die dann den Weg des "Quereinsteigers" wählen, der allerdings im Gegensatz zu früher exzellent ausgebildet sein muss. Olga
Re: trennen statt verbinden...
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf olga64 vom 20.09.2010, 17:32:05

... ich ging mal von dem normalfall aus.

ausnahmen gibts natürlich - wie immer - überall.

mancher junior wünschte sich vielleicht sogar eine

normale familie.


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Re: Vater holt Kinder aus "Ghetto-Klasse"
geschrieben von ehemaliges Mitglied
Aus eigener Erfahrung.

Die Verwaltung wird ihn dazu zwingen, sein Kind wieder in die 'zuständige' Schule zu bringen.

Zwei Gründe:
1) Die Schule wurde so in der Große ausgelegt, daß sie den zuständigen Bezirk abdeckt
2) Es ist 'politische Willensbildung', so zu verfahren. Nämlich die Kinder genau nur in diese für sie zuständige Schule zu schicken.

Wir hatten das seinerzeit so gelöst, daß sie bei der Oma gemeldet wurden.
Eigentilch hätte da dann jemamd vom Jugendamt erscheinen müssen, aber die waren wohl 'wenig daran interessiert'.

Der ganze Krempel hat uns damals 800 Mark Gerichtskosten gekostet, und es ging nur um ein halbes Jahr des Verbleibs in der bisherigen Schule.
Die Schwierigkeit einer Umschulung innerhalb eines Schuljahres hat niemanden interessiert. Gruß nochmal ans 'kompetente' Schulamt Braunschweig.

Die Orte waren 5 km auseinander, halt ein anderer Schulbezirk (Landkreis).

'Die Regierung ist der natürliche Feind des Bürgers' erhält da wieder die altebkannte Bedeutung.
Der Hauptmann von Köpenik (jetzt Schilda) lässt grüßen.
lalelu
lalelu
Mitglied

Re: Vater holt Kinder aus "Ghetto-Klasse"
geschrieben von lalelu
@ Olga @ Karin,

es kommt darauf an, was Sie unter "höherer Position" verstehen. Wenn Sie damit nur Direktoren großer Weltkonzerne und Ähnliches meinen, haben Sie sicher Recht. Diese Positionen werden bestimmt nicht per öffentlicher Ausschreibung besetzt, sondern auf der Beziehungsebene vergeben.

Das habe ich aber nicht gemeint, und es ist auch nicht relevant, da es solche Posten sowieso nur in begrenzter Anzahl gibt, so dass sie sogar für die "oberen Zehntausend" nicht in ausreichender Anzahl zur Verfügung stehen. Und wie Sie Beide richtig bemerkten, ist es keine Garantie für ein glückliches Leben, zu diesen Kreisen zu gehören.

Meine Brötchen sind eine Nummer kleiner. Wenn ich von "oberen Etagen" sprach, dachte ich eher ans mittlere Management mit Aufstiegsmöglichkeiten in die nächsthöhere Ebene. Aber vielleicht ist das nach Ihren Maßstäben noch die untere Ebene??

Ich finde es jedenfalls äußerst beachtlich, wenn ein Schüler meines Mannes aus einfachen Verhältnissen die Hauptschule durchläuft, das freiwillige 10. Schuljahr mit Erfolg abschließt, zum Gymnasium geht, Abitur macht, studiert, seinen Doktor macht und jetzt (ca.40 Jahre alt) als Leiter der Forschungsabteilung in einem renommierten Werk arbeitet, ganz ohne Beziehung, sondern nur aus eigener Kraft!

….wenn zwei Schüler meines Mannes, übrigens beide aus Aussiedlerfamilien, nach Erlangung der mittleren Reife an der Regionalen Schule (ehemals Hauptschule) zum Gymnasium wechseln, dort innerhalb eines Jahres ihre nicht vorhandenen Französischkenntnisse auf Klassenniveau bringen, ein passables Abitur machen und jetzt noch im Studium sind.

Ich könnte noch weitere Beispiele dieser Art anführen: Ärzte, Rechtsanwälte, Richter gehören zwar nicht unbedingt zu den oberen Zehntausend, aber wenn ein Kind aus einfachsten Verhältnissen durch Intelligenz, Fleiß und Ausdauer eine solche Position erreicht, hat es allen Grund, als Erwachsener stolz darauf zu sein – aber all das ist nur möglich, wenn es das Glück hat, dort eingeschult zu werden, wo es die besten Bildungschancen hat, womit wir wieder beim Ausgangsthema dieses Threads wären!

@ digizar: früher war es tatsächlich so, wie du es beschrieben hast: die Kinder mussten die Schule ihres zuständigen Bezirks besuchen. Heute wird es in den Bundesländern unterschiedlich gehandhabt. In manchen Ländern gilt nach wie vor die alte Regel, in anderen kann man die Schule frei wählen. Es lebe der Föderalismus! Allerdings muss keine Schule mehr Schüler aufnehmen als sie verkraften kann, und die Schüler aus dem eigenen Bezirk haben Vorrang. Nur wenn dann noch Plätze frei sind, dürfen sie an auswärtige Kinder vergeben werden. Wer mit seiner Anmeldung zu spät kommt, muss dann eben mit einer anderen Schule vorlieb nehmen.

Lalelu
Re: Vater holt Kinder aus "Ghetto-Klasse"
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf lalelu vom 20.09.2010, 18:40:46
selbstverständlich - gerade dann muss man den hut vor den leuten ziehen,

wenn sie aus einfachsten verhältnissen kommen und karriere machen.

das beste beispiel gab doch der ehemalige kanzler schröder, der sogar ein wenig

damit kokettierte, daß er aus einfachsten verhältnissen kam.

das aber war eine generation, die aufgrund der kriegsfolgen ein schlechtes oder

armes elternhaus hatten.
olga64
olga64
Mitglied

Re: Vater holt Kinder aus "Ghetto-Klasse"
geschrieben von olga64
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 20.09.2010, 18:46:53
Gerhard SChroeder gehört ja auch zu den älteren Menschen - damals waren diese Quereinsteiger noch möglich. Es war sein politisches Ziel - wenn es ihm damals um mehr Geld gegangen wäre, hätte er sicher seine Anwaltspraxis auf Vordermann gebracht.
Richtig zugeschlagaen (finanziell) hat er ja nach Abschluss seiner politischen Tätigkeit - genau so wie Joschka Fischer. Und es sei ihnen vergönnt, finde ich.
Auch in den Firmen Bayer und BASF (Aktiengesellschaften) gab es noch Quereinsteiger - heutzutage dürfte dies nicht mehr möglich sein. Die Vorstände werden von Aufsichtsräten ernannt und müssen sich in völlig globalisiertem Umfeld bewegen können. Und dazu braucht es auch internationale Erziehung und Ausbildung - dies war ja vor ca 20 Jahren noch völlig anders, auch wenn es sich schon andeutete.
Olga

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