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Innenpolitik Verjährungsfristen im Strafrecht. Sind sie sinnvoll?

rolf †
rolf †
Mitglied

Verjährungsfristen im Strafrecht. Sind sie sinnvoll?
geschrieben von rolf †
Im Zusammenhang mit den Mißbrauchsfällen wird immer wieder auch die Verjährungsfrist ins Spiel gebracht.
Das meistgenannte Argument gegen die Verlängerung/Aufhebung ist die Schwierigkeit der Aufklärung nach x Jahren.
Darf das ein Hindernis für die Bestrafung sein?
Ich meine: nein.
Mord verjährt nicht, obwohl das Opfer nicht mehr leidet, warum dann sexueller Mißbrauch,?
Die Opfer leiden teilweise bis zu ihrem Ende!

Re: Verjährungsfristen im Strafrecht. Sind sie sinnvoll?
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf rolf † vom 17.03.2010, 23:19:27
Darf das ein Hindernis für die Bestrafung sein? Ich meine: nein.
geschrieben von Rolf


Da bin ich anderer Meinung, Rolf.
Nach einigen Jahren, Jahrzehnten...
ist einfach eine stichhaltige Aufklärung nicht mehr möglich. Da werden 'Gedichte' aus den Taten.

Wenn da etwas angebracht wäre,
dann wären das zeitnahe Verfahren.
Alles andere ist Schlurerei der Justiz.

Beispiel Demjanjuk. Nach wievielen Jahren?
Einen jetzt 90-jährigen bestrafen zu wollen -
das ist ein Armutszeugnis, pervers. Hohn für die damaligen Opfer.
Allerdings gehören die auf den Stuhl, die es veräumt haben, das Verfahren zu sinnvoller Zeit anzustrengen.
Demjanjuk

Beispiel Miloschevic:
Zehn Jahre in Haft, Gelabere, eine Beleidigung der Opfer und Angehörigen.

adam
adam
Mitglied

Re: Verjährungsfristen im Strafrecht. Sind sie sinnvoll?
geschrieben von adam
als Antwort auf rolf † vom 17.03.2010, 23:19:27

@rolf

du hast natürlich recht damit, daß es fast jedem unwohl ist bei dem Gedanken, daß Straftaten verjähren. Das gilt besonders, wenn es sich um Vergehen an Kindern handelt. Da klingeln auch bei mir sämtliche Glocken.
Leider habe ich keine Informationen über die Philosophie gefunden, die hinter der Bemessung von Strafen und deren Verjährung steckt. Dabei geht es um den "Unwertgehalt" einer Tat, d.h. in welchem Maß die Tat sozial unverträglich ist/war.

Der Sinn der Strafe ist, der Gerechtigkeit genüge zu tun, aber auch den Rachegedanken zu "befriedigen". Beides darf im Falle einer Straftat nur der Staat. Dabei muß einem Straftäter die Tat bewiesen werden. Das wird natürlich immer schwieriger, je länger die Tat zurückliegt, schließlich kann es unmöglich werden. Deshalb wohl die Verjährung. Ein erwünschter Nebeneffekt dürfte sein, daß die Behörden sonst in Arbeit ersticken, z.B. könnten aktuelle Straftaten nicht mehr so intensiv verfolgt werden, wenn die zuständigen Stellen mit alten Fällen überlastet sind. So sorgt die Verjährung auch für mehr Gerechtigkeit. Soweit mal meine Gedanken dazu.

Im Falle von Straftaten an Kindern bin ich der Meinung, daß die Verjährungsfrist verlängert werden sollte. Ich sehe in diesen Taten einen mehrfachen "Unwertgehalt". Einmal natürlich das Verbrechen an einem wehrlosen Kind, zum anderen aber auch die Verunglimpfung aller Erwachsenen, beonders der Männer. Mir geht es gehörig gegen den Strich, daß ich mit Kindern nicht mehr normal umgehen kann, weil ich sofort mit einem Sexualtäter in Zusammenhang gebracht werde.

Last not least ist da die Wiederholungsgefahr der Tat. Bei Straftätern geht man davon aus, daß die Tat auf sie eine "erzieherische Wirkung" haben kann. Das heißt, daß auch ein Täter von sich aus einsieht, daß sein Verhalten falsch war und er deshalb nicht wieder straffällig wird. Bei Sexualtätern, besonders bei Vergehen gegen Kindern, sehe ich diese Wirkung nicht. Diese Täter könnten nach einer Tat eher zur Wiederholung animiert werden. Ein schwieriges Thema, was die Beurteilung anbelangt.

--

adam

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olga64
olga64
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Re: Verjährungsfristen im Strafrecht. Sind sie sinnvoll?
geschrieben von olga64
als Antwort auf adam vom 18.03.2010, 09:20:36
Ich habe oft den Verdacht, dass diejenigen Leute, die Verjährung für die Opfer von Auschwitz für überfällig halten (was ja in den letzten Jahrhunderte vermutlich das grösste von Deutschen begangene Verbrechen war), diese auf anderen Gebieten jedoch nicht möchten.
So schwierig kann es sein, eine allgemein gültige Antwort zu finden - wie auch in diesem Fall. Olga
ehemaligesMitglied36
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Re: Verjährungsfristen im Strafrecht. Sind sie sinnvoll?
geschrieben von ehemaligesMitglied36
Ja, Adam,
als Mann darfst du bald gar nicht mehr an Kinder heran.
Du hast recht.

Das geht auch mir recht gegen den Strich.

In Großbritanien gibt es schon Gesetze,
da muß ein Mann einmen "Führerschein" haben, wenn er im Kindergarten vorlesen möchte.

Viele Männer haben dadurch schon aufgehört, für Kinder etwas anzubieten,
und Sportaktivitäten fallen aus,
weil sich die Männer nicht den Beweis ihrer "Anständigkeit" nicht holen möchten.

Aber ich weiß auch, das es Mädchen gab, und gibt, die durch den Vorwurf des Mißbrauchs fürchterliche Rache an Erzieher und Lehrer üben.
Daher muß jeder Fall genau geprüft sein.
Und das kann man nicht, wenn mehre Jahre verstrichen sind.
ingo
ingo
Mitglied

Re: Verjährungsfristen im Strafrecht. Sind sie sinnvoll?
geschrieben von ingo
als Antwort auf rolf † vom 17.03.2010, 23:19:27
Verjährungsfristen sollen der sog. Rechtssicherheit dienen. Wenn es keine Verjährungsfristen gäbe, wären die Gerichte in kürzester Zeit absolut handlungsunfähig, weil sie sich zunehmend mit Fällen zu beschäftigen hätten, deren Aufklärung, bedingt durch den Zeitabstand, Jahre in Anspruch nehmen würde. Aus diesem Grund nimmt ein Rechtsstaat billigend in Kauf, dass Verbrechen ungesühnt bleiben; und das ist in Ordnung so. Bleibt die Frage, ob man für bestimmte Verbrechen die Verjährungsfrist verlängern sollte; und darüber wird derzeit geredet; und das ist auch in Ordnung. Nur mal so: Was denkt Ihr, wieviele Milliarden Verbrechen im Laufe der Menschheitsgeschichte ungesühnt geblieben sind?

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olga64
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Re: Verjährungsfristen im Strafrecht. Sind sie sinnvoll?
geschrieben von olga64
als Antwort auf ingo vom 18.03.2010, 15:23:08
Wenn Verjährungsfristen gelockert werden sollten, müsste endlich eine bereits vom europ. Gerichtshof angemahntes Änderung der in Deutschland praktizierten Sicherungsverwahrung her. Derzeit gibt es recht viele Strafgefangene (nicht ausschliesslich solche, die sich an Kindern vergangen haben), die nach Verbüssung ihrer Strafe nicht entlassen werden und praktisch ohne Urteil im Knast bleiben, oft bis zu deren Tode. In einem Rechtsstaat herrscht aber das Prinzip der Rehabilitation von Menschen, d.h., Eingliederung in die GEsellschaft. Olga
outofspain
outofspain
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Re: Verjährungsfristen im Strafrecht. Sind sie sinnvoll?
geschrieben von outofspain
Eine Körperverletzung mit Todesfolge verjährt nach drei Jahren. Es ist kaum möglich, dies in drei Jahren nachzuweisen, da die Gutachterkommissionen allein schon 1 1/2 bis 2 Jahre benötigen um ein Gutachten zu erstellen.
Nur ein kleines Beispiel des deutschen Rechtes.
ehemaligesMitglied36
ehemaligesMitglied36
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Re: Verjährungsfristen im Strafrecht. Sind sie sinnvoll?
geschrieben von ehemaligesMitglied36
als Antwort auf outofspain vom 18.03.2010, 15:55:33
Aber die Verjährung wird mit jeder neuen Bewegung doch gestoppt, oder nicht ??
outofspain
outofspain
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Re: Verjährungsfristen im Strafrecht. Sind sie sinnvoll?
geschrieben von outofspain
als Antwort auf ehemaligesMitglied36 vom 18.03.2010, 16:52:44
Sobald das Gutachten fertig ist und Anklage erhoben wurde, tritt die Frist ein. Man hat dann drei Jahre Zeit, den Totschlag zu beweisen bzw. Beweise zu erbringen. Vorsatz oder nicht usw.
In meinem Fall, hatte der Generalstaatsanwalt plötzlich die Beweise verloren!
Das war bitter, wie beweist man das Gegenteil?
Drei Jahre gehen so schnell vorbei, da die Amtswege auch so Zeitintensiv sind.

Zu der Frage, ob Verjährungsfristen sinnvoll sind?

In diesem Ausmaß, nein. Wie schon geschrieben, die Amtswege benötigen unendlich viel Zeit.

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