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Innenpolitik Wahlbeben in Großbritannien

carlos1
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Re: Wahlbeben in Großbritannien
geschrieben von carlos1
als Antwort auf adam vom 10.06.2017, 09:58:41
"Wobei wir alle wissen, daß ein "Brexit" sowieso zu größeren Teilen nicht vom Wählerwillen abhängt, wie es auch keinen solchen Beitritt durch ein Votum geben kann. Das ist einfach gegeben durch Geographie, Handel, politisches System und menschliche Gemeinsamkeiten." adam

Adam, der Brexit wurde im Referendum vom 15. Juni 2015 von den Wählern gut geheißen. Der Wählerwille stimmte dem Austritt aus der EU zu, mit 52%. Einen Brexit zu größeren Teilen gibt es nicht.

Die Politik muss diesen Wählerwillen umsetzen. Die Neugestaltun der wirtschaftlichen und politischen Beziehungen zwischen EU und GB nach dem Brexit allerdings unterliegt nicht dem Wählerwillen Großbritanniens allein, sondern wird ausgehandelt und geprägt durch die EU und GB in einem langen Verhandlungsprozess. Es kann nicht sein, dass mit dem Austritt GB aus der EU das Land eine Beziehung mit der EU unterhält, die in vielem dem entspricht, was vorher war. Den Briten geht es vor allem nicht um den Brexit allein, also dem Austrit aus dem Binnenmarkt, sondern um die Eindämmung der Migration aus der EU. Freizügigkeit allerdings ist ein Pfeiler, auf dem die EU steht.

Die Briten wollen (in der Tendenz) die Rosinen vom Kuchen.

c
adam
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Re: Wahlbeben in Großbritannien
geschrieben von adam
als Antwort auf carlos1 vom 10.06.2017, 10:41:38
Carlos,

die Briten können ihre Inseln nicht wegrudern. Man kann zu ihnen rüber schwimmen und durch den Tunnel zurück laufen. Sie bleiben Europäer. Diese Einsicht sollte auch bei den Verhandlungen von beiden Seiten die Basis sein. Es gibt keinen Reißverschluß, der geöffnet werden kann, es gibt keine vollständige Trennung.

--

adam
pippa
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Re: Wahlbeben in Großbritannien
geschrieben von pippa
als Antwort auf carlos1 vom 10.06.2017, 10:41:38
Die Briten wollen (in der Tendenz) die Rosinen vom Kuchen.

Das ist ja gerade das Dilemma von Europa.

Möglichst NUR die Rosinen wollen nämlich alle Staaten, nicht nur GB.
Bei den Briten war das nur immer so offensichtlich.
Pippa

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adam
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Re: Wahlbeben in Großbritannien
geschrieben von adam
als Antwort auf pippa vom 10.06.2017, 11:05:21
Genau Pippa

und dieses Dilemma versuchte ich anders zu verdeutlichen. Carlos hat ja recht, die genannten Rosinen sind aber politischer und wirtschaftlicher Natur und nicht das, was die Europäer wollen. Sie wollen offene Grenzen, aber keine europäisch offenen Arbeitsmärkte. Sie wollen eine Währung, aber nicht den totalen Binnenmarkt. Sie wollen eine gemeinsame Verteidigung, aber keine militärische Abhängigkeit. Das wollen meiner Ansicht nach auch die Briten und das sollte bei den Verhandlungen um den Brexit, aber auch bei einer Neugestaltung der EU berücksichtigt werden.

--

adam
carlos1
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Re: Wahlbeben in Großbritannien
geschrieben von carlos1
als Antwort auf adam vom 10.06.2017, 12:53:36
" ... die genannten Rosinen sind aber politischer und wirtschaftlicher Natur und nicht das, was die Europäer wollen. Sie (wer sind die Europäer? EU?) wollen offene Grenzen, aber keine europäisch offenen Arbeitsmärkte. Sie (wer? Europäer?) wollen eine Währung, aber nicht den totalen Binnenmarkt. Sie wollen eine gemeinsame Verteidigung, aber keine militärische Abhängigkeit. Das wollen meiner Ansicht nach auch die Briten ... ." adam


Adam, es geht darum, was unter Rosinen zu verstehen ist. Es geht um die Zielvorstellungen der Britenregierung. Das Schreiben der Mrs May zum EU-Austritt nach Brüssel Ende März 2016) verwendet auch den Begriff "Rosinen picken." May sagt, sie wolle das nicht. Aber genau das will sie dann doch. GB will Privilegien, um es kurz zu machen. Bekommt GB diese privilegierte Stellung nicht, werden die Briten ungemütlich und es könnte dann die Zusammenarbeit auf Feldern der Sicherheit Schaden nehmen (so May im Schreiben von Ende März an die Hohe Kommission).

Die Briten würden gerne den Zugang zum Binnenmarkt behalten, aber keine Verpflichtungen (Gesetze aus Brüssel) übernehmen, weil sie durch Gesetze aus Brüssel ihre Souveränität eingeschränkt sehen. Der weiterhin ungehinderte Zugang zum Binnenmarkt ohne Verpflichtungen aber mit den Vorteilen, das sind die "Rosinen." Deshalb lautete das Brexit-Schlagwort beim Referendum: "VOTE LEAVE,TAKE CONTROL!

Die Briten sind ein Inselvolk, denen bereits die Schotten als Nachbarn fast unerträglich sind. Mit den vielen europ. Nationen sind sie schlicht überfordert. Um diese „Meute“ im Zaum zu halten, ist ihr eher pragmatisches Gemüt überfordert. Sie wollen frei schalten und walten (= herrschen, Einfluss nehmen wie in früheren Zeiten dank ihrer Insularität), was in der enger werdenden Welt mit bald 8 Mrd Menschen eine Illusion ist.

Adam, du schreibst, wie Pippa auch, dass alle gerne Rosinen picken. Das stimmt doch nicht. Nicht alle sind auf Privilegien aus wie die Briten (Thatcher: "I want my money back"). GB will eine Sonderrolle für sich.

Es gibt zudem die offenen Grenzen (Schengen Raum) und den offenen Arbeitsmarkt. Nebenbei bemerkt: Einen offenen Arbeitsmarkt gibt es aber nur dort, wo es auch Arbeit gibt für Arbeitskräfte aus der EU. (s. Beispiel unten)

Die EU und die Eurozone sind nicht identisch. Nicht alle Europäer wollen eine europäische Währung oder den Euro (mit seinen Geburtsfehlern).

Der Binnenmarkt ist Realität und die Briten wollen auch nach dem Austritt aus der EU möglchst ungehinderten Zugang zum Binnenmarkt, ohne die Last der Beiträge zum EU-Haushalt (von denen große Teile nach GB bisher zurückfließen).

Die EU-Staaten haben keine und wollen bis heute keine gemeinsame Armee und keine gemeinsam organisierte Rüstungsindustrie. Sie arbeiten im Rüstungssektor nicht eng zusammen. Natürlich wollen sie militärisch nicht abhängig sein, wären aber im Verteidigungsfall nicht fähig sich zu verteidigen. Außer eußer der Munition gibt es in der Nato keine einheitlichen technischen Normen.

Nehmen wir einen realen Fall eines ausländischen Arbeitnehmers:
Ein griechischer Arbeitnehmer (arbeitslos in GR) sucht in der EU Arbeit. Übers Internet schreibt er viele Unternehmen an. Zuerst in Großbritannien, bewirbt sich bei vielen Unternehmen. Er erhält aus GB keine einzige Antwort.

Er erhält eine Antwort aus Stuttgart und gleichzeitig aus einem arabischen Golfstaat. Arbeit wird ihm in Stuttgart nach einem halben Jahr in Aussicht gestellt. Er geht also zunächst eimal für einige Monate in den Golfstaat. Er verlässt aber den Golfstaat (wo er zunächst sehr gut verdiente) bald wieder und tritt seine Arbeit in Stuttgart an. Voraussetzung ist, dass er eine Wohnung hat und einen festen Wohnsitz Die hat er nicht. Er muss in einem sehr teuren Einzelzimmer hausen (hausen nicht wohnen). Wechselt häufig die überteuerten Unterkünfte. Braucht aber eine feste Adresse (Wohnung), wo er gemeldet ist, von den Behörden erreichbar ist, dann ein Bankkonto. Wo bekommt er in Stuttgart oder Umgebung aber eine bezahlbare Wohnung?? Erst dann wird er unabhängig von der Unterstützung durch Freunde, Bekannte und Verwandte. Die Mietpreise gehen momentan durch die Decke. Dann erst kann er daran denken die Familie nachkommen zu lassen. Ohne die Hilfe von Landsleuten geht nicht viel (und die Landsleute halten sehr gerne die Hand auf).
adam
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Re: Wahlbeben in Großbritannien
geschrieben von adam
als Antwort auf carlos1 vom 10.06.2017, 17:28:16
Du hast natürlich recht Carlos. Mir ist das alles auch bekannt. Allerdings wollte ich etwas anderes aussagen. Aber heute ist wohl nicht mein Formuliertag.

--

adam

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carlos1
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Re: Wahlbeben in Großbritannien
geschrieben von carlos1
als Antwort auf adam vom 10.06.2017, 18:54:28
"Du hast natürlich recht Carlos. Mir ist das alles auch bekannt. Allerdings wollte ich etwas anderes aussagen. Aber heute ist wohl nicht mein Formuliertag." adam

adam, es gibt kein natürliches Recht aufs Rechthaben. Wichtig ist, wie wir mit dem wust von Fakten umgehen.

Viele Grüße
c
olga64
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Re: Wahlbeben in Großbritannien
geschrieben von olga64
als Antwort auf adam vom 09.06.2017, 23:41:12
xxxxSie vertritt nicht meine europäische Linie, trotzdem hatte ich von Theresa May immer den Eindruck einer toughen Frau, die im politisch unbequemsten Moment ihres Landes viel Charakter gezeigt hat als alle Großmäuler gekniffen haben. Hut ab. Von der Sorte Politiker/in bräuchte Europa mehr, gleich auf welcher politischen Seite.

--

adam
geschrieben von Adam
[/quote]

Man sollte das nochmals rekonstruieren, was nach Cameron`s SChubidubidu-Abgang los war: es musste schnellstens ein Nachfolger her; die Kandidaten, die sich aufstellten, kristallisierten sich schon nach kurzer Zeit als völlig unfähig heraus. Mrs May verhielt sich ganz still und wurde dann von ihrer Partei in den Ring geschickt. Dort servierte sie zuerst mal Mr Osborne ab,der mittlerweile bei einer Zeitung arbeitet und hievte Boris Johnson in das Amt des Aussenministers. Beide gelten als Aspiranten für das Amt des Premier, wenn Frau May "abgetreten wird". Vorläufig wird sich aber keiner darum streiten, wer die Verhandlungen mit der EU endlich beginnen darf und muss. Die Zeit drängt; dafür sind nur zwei Jahre Zeit. Sollte man jetzt mit einer neuerlichen Kandidatenwahl anstatt Mrs May beginnen, wird wiederum wertvolle Zeit vergeudet.
Zuerst wurden jetzt mal ihre beiden engsten Mitarbeiter "entsorgt" mit denen sie schon während ihrer Zeit als Innenministerin zusammenarbeitete. DAs lässt darauf deuten, dass die Tories so gar nicht amused sind.
ABer es ist richtig: die Tories und/oder Mrs May haben die Wahlen ja nicht verloren, sondern nur ihre alleinige Macht. Eine Koalition mit den Nordiren wird sicherlich teuer, weil diese sich einiges dafür geben lassen werden.
Und Mr Corbyn von den Labours hat zwar Stimmenzuwachs, aber auch wenn er mit allen Parteien (bis auf die Tories) koalieren könnte und wollte, würde es nicht reichen für Mehrheit im Unterhaus.
Alles ist normaler politischer Alltag in einem demokratischen Land.
Wenn man am Rande mal beobachtet, wer traditionell da sonst noch so kandidiert:da war ein Lord Buckethead (Eimerkompf), der ohne PRogramm oder ähnliches auch noch einige Stimmen erhielt.
Oder die Liberalen, die ein Referendum vorschlagen, ob ein neues Referendum für oder gegen den Brexit installiert werden soll.
Das schlechte Abschneiden der UKIP wird vermutlich auch dazu führen,dass der Biertrinker Nigel Farage wieder an die Oberfläche geschwemmt wird. Olga
werderanerin
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Re: Wahlbeben in Großbritannien
geschrieben von werderanerin
Es ist schon erstaunlich, wie man trotz bitterer Niederlage an der Macht kleben kann..., ihr unangenehmes, hartes Auftreten hat sie seit Beginn nicht abschütteln können...

Kristine
olga64
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Re: Wahlbeben in Großbritannien
geschrieben von olga64
als Antwort auf werderanerin vom 12.06.2017, 15:56:54
Wäre Ihnen Boris Johnson lieber? Ist er, der integre Politiker, sanfter oder was auch immer?
Ich persönlich hoffe, dass der Londoner Bürgermeister (ein Muslim) sich für die nächsten Wahl auf die Kandidatenliste stellen lässt. Schon allein die Tatsache, dass dieser Mann von Trump unqualifiziert beschimpft wird, adelt ihn. Olga

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