Forum Politik und Gesellschaft Innenpolitik Wer entscheidet Wahlen, Zünglein an der Waage

Innenpolitik Wer entscheidet Wahlen, Zünglein an der Waage

JuergenS
JuergenS
Mitglied

Wer entscheidet Wahlen, Zünglein an der Waage
geschrieben von JuergenS
Das demokratische Grundverständnis ist es, dass die Mehrheit das Sagen hat.
Ist das nicht auch riskant, wenn 0.5 % Differenz entscheiden können, denn bei vielen Wahlen gilt ja die absolute Mehrheit, >50%.
Wenn man sich überlegt, dass die Wahlmündigkeit keine Voraussetzung für das Wahlkreuzchen ist, dann entscheiden ja Sachargumente nur zufällig. Nur so mal als Denkanstoss. Ich behaupte, dass die überwiegende Zahl der Wähler, auch ich, nach dürftigen Sachkenntnissen in politischen Feldern entscheiden. Ich könnte kaum beweisen, dass meine Kreuzchen auf grund sachlich fundierter Unterschiede gemacht werden, sondern der Bauch entscheidet.
Was für ein Glück, dass wir in Deutschland leben, es ging seit Jahrzehnten gut. Wehe wenn unsere Bauchgefühle alle woanders hinrutschen...
olga64
olga64
Mitglied

Re: Wer entscheidet Wahlen, Zünglein an der Waage
geschrieben von olga64
als Antwort auf JuergenS vom 20.06.2016, 12:59:17
Ich finde das Thema interessant, das Sie hier einstellen und habe mich selbst nach meinem Wahlverhalten gefragt.
Da ich mich seit Jahrzehnten sehr für Politik interessiere, schliesst dies auch ein, dass ich mich umfassend informiere und darüber auch mit Leuten, die dies ebenso halten wie ich, austausche und unaufgeregt unterhalte.
Letztendlich mache ich aber Unterschiede, bei welchen Wahlen meine Stimme gefragt ist: bei Landtagswahlen (in Bayern) wähle ich keine CSU, sondern weiche auf Parteien aus, die mir vom Programm her sympathischer sind, wohlwissend, dass sie erfolglos abschneiden werden.
Bei Kommunalwahlen und auch bei der Bundestagswahl wähle ich personenbezogen, was dann leider für mich in Bayern den Effekt hat, dass ich doch CSU wählen muss, wenn mir die CDU-KandidatIn wichtig ist.
Das hat in Bayern ja auch den Effekt, dass die CSU bei Bundestagswahlen besser abschneidet als bei Landtagswahlen, wo sie derzeit in den Umfragen nur noch bei ca 40% liegt, weil auch den potentiellen Wählern der langanhaltende Hick-Hack zwischen Seehofer und seinem Adlatus und unserer Kanzlerin auf die Nerven geht. Olga
Femmefatale
Femmefatale
Mitglied

Re: Wer entscheidet Wahlen, Zünglein an der Waage
geschrieben von Femmefatale
als Antwort auf olga64 vom 20.06.2016, 18:25:02
Ich bin eine sogenannte Wechselwählerin.
Dazu muss ich ergänzen, dass meist das Ausschlussverfahren meine Wahlentscheidung bestimmt.
Natürlich bin ich nicht vollständig informiert. Wahlprogramme lese ich selten vollständig, ich weiß auch nicht, ob sich einzelne Politiker genau daran halten.
Ich bin mehr oder weniger auf das angewiesen, was mir die einzelnen Medien so vermitteln. Auch da zweifle ich manchmal.
Ich achte dann auf Vorhaben der Parteien, die mir gar nicht gefallen (also die Vorhaben), was dann dazu führt, dass ich sage, die oder die Partei kann ich auf keinen Fall wählen.
So bleibt dann am Schluss die Entscheidung für das meiner Meinung nach kleinste Übel.
Eine Partei, mit der ich voll und ganz einverstanden bin, gibt es nicht, weshalb ich auch bis jetzt nie Mitglied einer Partei gewesen bin und wohl auch in keine mehr eintreten werde.

LG, ff

Anzeige

JuergenS
JuergenS
Mitglied

Re: Wer entscheidet Wahlen, Zünglein an der Waage
geschrieben von JuergenS
als Antwort auf Femmefatale vom 21.06.2016, 11:25:31
Du repräsentierst m.E. die Normalität, zu der ich auch gehöre, das ist ein Mix aus Verschiedenem. Spitze im Vergleich zu sturen Nichtwählern. Dennoch bleibt bei knappen Wahlergebnissen immer ein Mulmiges Gefühl, dass alles auch anders herum ausgehen hätte können. Dieses Gefühl bei knappen Ergebnissen kommt einem schalen Geschmack bei.
Aber deswegen zum Beispiel grundsätzlich Stichwahlen nachzuschieben, wäre sehr aufwendig.
olga64
olga64
Mitglied

Re: Wer entscheidet Wahlen, Zünglein an der Waage
geschrieben von olga64
als Antwort auf Femmefatale vom 21.06.2016, 11:25:31
"Ob sich Politiker an ihre Versprechen halten...." - da sollte uns demokratieerprobten Menschen ja klar sein, dass dies nur geht, wenn sie für ihre Vorhaben Mehrheiten finden. Ich beurteile dann eher Politiker, ob sie zuviel versprechen, wo man sich schon im Vorfeld ausmalen kann, dass darauf nie etwas wird.
Diese Skepsis der seriösen Presse gegenüber habe ich nicht, da ich auch hier weiss, dass die Meinung eines Journalisten nicht die Meinung des gesamten Mediums sein muss und wird. Allerdings habe ich als Stammleserin einer überregionalen, renommierten Zeitung auch meine seit Jahren geschätzten Journalisten, die mich zum Nachdenken anregen und mich auch bei der Entscheidungsfindung bei Wahlen weiterbringen.
Wechselwähler? wenn man von den Splitterparteien absieht, die unter "Sonstiges" erscheinen, bleibt ja nicht viel Neues übrig, oder? Ich könnte z.B. nie wechselwählen zwischen CSU und die Linke - eine Grundrichtung habe ich natürlich schon, auch geprägt durch mein Leben und meine ERfahrungen und wie gesagt durch die Kandidaten.
Für mich persönlich bedeutet dies aktuell, dass ich nie einen Herrn Gabriel als Kanzler wählen würde, weil er mir zu inkonsequent ist. Seitdem die Grünen ihre Mitte gefunden haben, sind sie für mich wählbar. Die Linke jedoch nie, insbesondere derzeit, wo sie sich an die SPD ranwanzen, obwohl deren Existenzberechtigung seit Jahren war: immer feste auf die SPD einschlagen.
Inkonsequenz passt nicht zu meinem persönlichen Habitus und ich mag sie auch nicht bei Menschen oder Parteien, die immerhin verantwortlich die Deutschland AG repräsentieren sollen. Olga
Femmefatale
Femmefatale
Mitglied

Re: Wer entscheidet Wahlen, Zünglein an der Waage
geschrieben von Femmefatale
als Antwort auf olga64 vom 21.06.2016, 16:48:22
Ich verlasse mich deshalb ungern nur auf die Medien, weil diese eben auswählen (müssen), was sie uns präsentieren.
Da wird viel nicht gebracht, was mich aber doch interessieren würde.Die Top-Themen werden bedient, anderes verschwindet in der Versenkung, obwohl es immer noch aktuell ist, siehe Griechenland und sein Schuldenberg.
Es ist halt schwierig.
CSU könnte ich nie wählen, weshalb ich auch bei der CDU vorsichtig bin, da Schwesterpartei.
Na ja, so hat halt jede/r seine Prioritäten.

LG, ff

Anzeige

olga64
olga64
Mitglied

Re: Wer entscheidet Wahlen, Zünglein an der Waage
geschrieben von olga64
als Antwort auf Femmefatale vom 21.06.2016, 17:34:02
Mal ganz ehrlich:glauben Sie wirklich, die Mehrheit der deutschen Menschen interessiert sich noch für den griechischen Schuldenberg? Mir reicht es dann schon, wenn ich lese, dass die neue Kredit-Tranche überwiesen wurde, weil die dortige Regierung zur Vereinbarung steht. Es war doch eine nicht gute Zeit als alle Medien und Talkshows fast ausschliesslich von dieser griechischen Tragödie berichteten und viele deutsche Menschen im Detail gar nicht verstanden, worum es da eigentlich ging. Da wurde ja gedacht, dass Frau Merkel und Herr Schäuble Gelder überweisen, was so ja nie war.
DAs alles wurde abgelöst durch viel wichtigere Probleme und auch über das grösste, die Flüchtlinge, wird derzeit nicht mehr viel berichtet, weil immer weniger zu uns kommen, obwohl weltweit ca 65 Mio auf der Flucht sind. Da erkennt man dann gut, dass nur ein sehr kleinerTeil zu uns kam und wie unsinnig unsere grosse Aufregung darüber auch ist.
Es ist nicht durchführbar, dass jeder Leser von "seinem Medium" verlangen und erwarten kann, dass genau das Thema, das ihn oder sie interessiert, ausführlich behandelt wird. Auch hier gilt: das Mehrheitsinteresse entscheidet.
Und wenn Sie wirklich ein Thema sehr interessiert, es gibt doch Internet. So einfach und vielfältig, sich zu informieren, war es doch noch nie wie heute. Olga
Femmefatale
Femmefatale
Mitglied

Re: Wer entscheidet Wahlen, Zünglein an der Waage
geschrieben von Femmefatale
als Antwort auf olga64 vom 21.06.2016, 17:42:51
Liebe Olga,

natürlich haben Sie Recht, noch nie war das sich Informieren so gut möglich wie heute.
Doch jetzt kommt natürlich mein eigenes Verhalten zum Zuge.
Wieviele Stunden täglich soll(te) ich mich informieren und das über 4 Jahre lang, um eine solide Basis für eine Wahlentscheidung treffen zu können?
Bin ich wirklich das Zünglein an der Waage, rechtfertigt sich dieser Aufwand im Vergleich zum Ergebnis, zur Bedeutung meiner Stimme?
Ich habe ja auch noch andere Interessen; genauso wie ich meine restliche Lebenszeit nicht in den Wartezimmern von Ärzten verbringen möchte, möchte ich sie nicht mit Informationen über die weltpolitische Lage verbringen.
Schwierig.

LG, ff
JuergenS
JuergenS
Mitglied

Re: Wer entscheidet Wahlen, Zünglein an der Waage
geschrieben von JuergenS
femme...,
das seh ich eben auch so, und das gilt für die meisten in D. ja, in jeder Demokratie. Jeder darf nach vier Jahren wieder sein Kreuz machen, und die meisten wählen nach ihrem besten Wissen und Gewissen. Gut so. Manche überhöhen die Bedeutung ihres persönlichen Kreuzchens, es sind aber alle gleich viel wert.
Allenfalls könnte man die direkte Demokratie besser einmischen, damit in wichtigen Fragen ein direktes Plebiszit der Bevölkerung ermittelt wird.
Bleiben tut, dass bei praktischen Patt-Ergebnissen es Zufall ist, welche politische Variante den Zuschlag bekommt.

Natürlich muß man mit unserer Medienmeute, in vielen Punkten wegen des Auffall-Wettbewerbs selbstgleichschaltend, vorsichtig umgehen, oft ist unser eigener Instinkt zuverlässiger als Medien-Aufbereitungen.

Themen, die einst von Medien täglich wie Vorschlaghämmer wichtige Nachrichten verdrängten:

* die 3% Schulden-Prozentzahl wurde seinerzeit täglich diskutiert

* Sadam Husseins Doppelgänger waren einst, obwohl unwichtig, dauernd in den Medien

* Vor drei Jahren wurden ständig in den Medien ständig Ramsch-Nationen genannt, entwürdigend, heute kräht kein Medium mehr danach.
olga64
olga64
Mitglied

Re: Wer entscheidet Wahlen, Zünglein an der Waage
geschrieben von olga64
als Antwort auf Femmefatale vom 22.06.2016, 08:46:23
Liebe FF - ich kann und werde Ihnen natürlich nicht sagen, was Sie tun sollen oder gar müssen. Aber wie ich es halte, sehr gerne: da ich ein ausgesprochender Informations-Junkie bin, verwende ich täglich ca 3 - 4 Stunden auf die Lektüre meiner Zeitung. Vormittags und dann meist noch gegen Mitternacht, bevor ich ins Bett gehe.
Dazu höre ich stündlich Nachrichten (mein Radio läuft zu Hause und im Auto) und abends noch zwei Nachrichtensendungen, je nachdem, wie ich Zeit habe.
Im Wartezimmer von Ärzten lese ich übrigens nur Klatschzeitschriften; gehört bei mir zu intellektuellen Hygiene.
DA mein Tag (wie auch Ihrer) 24 Sunden hat, habe ich noch genügend Möglichkeiten für ausreichend Schlaf, Sport, gesellige Treffen, ein wenig Arbeit in Haus und Hof usw.usw.
Während meiner Berufstätigkeit konnte ich es mir natürlich zeitlich nicht leisten, so ausgiebig Zeitung zu lesen, empfinde dies aber nun als grosses Geschenk, dass es mir möglich ist. Ich unterliege hier auch keinerlei persönlichem Zwang - es interessiert mich und ich mache es gerne.
Sie müssen aber Ihren eigenen Weg finden, der zu Ihnen passt.

Zu Wahlen generell und zu dem klugen Beitrag von Heigl: ich erhalte oft den Eindruck,dass Wähler demokratische Wahlen (ein grosses Glück, für das in anderen Ländern Menschen bereit sind, zu sterben, um sie zu erhalten) als persönliches "Züchtigungsmittel" einsetzen wollen: d.h., manche wollen mit Wahlen "bestrafen", andere "belohnen", bzw. wieder andere wählen gar nicht und erklären sich politik- und wahlmüde, wenn sie nur zu faul sind, ein Kreuzchen zu machen. Die sind dann oft diejenigen, die später am lautestens über vermeintliche Missstände schimpfen. Olga

Anzeige