Forum Politik und Gesellschaft Innenpolitik ... zum Paragraph 217 StGB

Innenpolitik ... zum Paragraph 217 StGB

mane
mane
Mitglied

RE: ... zum Paragraph 217 StGB
geschrieben von mane
als Antwort auf lalelu vom 12.10.2017, 19:03:49

"Es will mir einfach nicht in den Kopf, dass man unheilbar kranken Menschen, die auf unterschiedliche Art furchtbar leiden, die aber im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte sind, verbieten will, eigenverantwortlich über die Art und Weise und den Zeitpunkt ihres Todes zu bestimmen. Damit gibt man Fremden mehr Entscheidungsgewalt als dem Betroffenen selbst. Diese Bevormundung und Fremdbestimmung ärgert mich gewaltig. Die Frage, ob die Pharma-Industrie und die Hersteller medizinischer Geräte in erster Linie am Wohl der Patienten oder an ihren Umsatzzahlen interessiert sind, steht im Raum.

Das Argument des befürchteten Missbrauchs kann man zumindest in den Fällen widerlegen, in denen Menschen sich noch unmissverständlich äußern können. Auch in einer Patientenverfügung, die man jährlich aktualisiert, könnte man unmissverständlich festlegen, ob man bei unheilbarer Krankheit Sterbehilfe wünscht oder nicht und wenn ja, auf welche Art.

Liebe Mane, zum Schluss noch ein OT: Du schreibst: nachdem gerade zu zweiten Mal meine Antwort an dich im Nirvana des Internets verschwunden ist, fasse ich mich nun  etwas kürzer.


Da mir das früher auch mehrmals passiert ist, schreibe ich längere Beiträge nicht mehr direkt im ST, sondern in meinem Schreibprogramm, speichere zwischendrin den Text ab und füge ihn hier ein, wenn er fertig ist. Das ist kaum mehr Arbeit, und ich bin auf der sicheren Seite, wenn das „Nirwana“ sich besitzergreifend zeigt. emoji_wink

Lalelu"
 

Liebe Lalelu,

danke für den Tipp, ich werde versuchen, ihn zu beherzigen. emoji_astonishedUnd nun schreibe ich schon wieder hier, Genauso ungern, wie ich z.B. Filme aus der Konserve sehe, mag ich es auch nicht, fern ab vom Geschehen (des Seniorenportals), zu schreiben. Merkwürdig, nicht wahr? Wahrscheinlich müssen noch viele Beiträge von mir im Nirwana verschwinden. bevor ich schlauer werde.

Meiner Meinung nach soll aktive Sterbehilfe nur in Ausnahmefällen erlaubt sein und an strenge Regeln gebunden werden. Nur wenn ein Mensch aus Gründen, die du erwähnst, unerträglich leidet und sterben will, selbst aber nicht mehr in der Lage ist, mit Hilfe passiver Sterbehilfe aus dem Leben zu scheiden, soll sie unter weiteren Auflagen möglich werden.
Wichtig finde ich, dass Menschen im Sterben nicht alleine gelassen werden und dafür gesorgt wird, dass sich die Verhältnisse unter denen sie in Krankenhäusern, zu Hause, in Heimen oder in Hospizen sterben, auch menschenwürdig sind. Dann wird der Wunsch nach Sterbehilfe ein seltenes Thema sein. Wenn das Vertrauen auf eine gute Versorgung da ist, werden viele Menschen die Furcht auf das, was kommen wird, verlieren.

In den Niederlanden und in Belgien ist, wie in dem Thread bereits erwähnt wurde, die aktive Sterbehilfe seit 2002 legal. Zwei Studien gehen den Fragen nach:
- Wie viele Menschen verlangen nach Sterbehilfe und warum?
- Wie vielen wird sie gewährt?
- Verändert sich das?
- Gehen spezialisierte "Sterbeärzte" anders mit Todeswünschen um als andere Mediziner?

In Belgien stieg z.B in der Zeit von 2007 bis 2013 nicht nur die Zahl der Euthahasiewünsche von 3,4 auf 5,9 %, sondern auch die Genehmigungsquote von 55 auf 77 % - Anteil der Todefälle mit Sterbehilfe stieg von 1,9 auf 4,6%.
Bedenklich finde ich, dass die Nachfrage der Altenheimbewohner um das Fünffache anstieg. Alter und Versorgungsbedürftigkeit werden der Studie nach, in Belgien zunehmend als akzeptierte Begründung für Sterbehilfe.

Studien zur Sterbehilfe

Gruß Mane
Monja_moin
Monja_moin
Mitglied

RE: ... zum Paragraph 217 StGB
geschrieben von Monja_moin

Selbst wenn aktive Sterbehilfe gesetzlich erlaubt wird, kann deshalb keinen Arzt oder medizinisches Fachpersonal verpflichtet werden diese auch auszuführen, wenn sie es nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren können.
 
Auch ein Arzt oder medizinisches Fachpersonal hat das Recht selbst entscheiden zu können.
 
Ich zum Beispiel würde mich weigern aktive Sterbehilfe auszuführen, auch wenn glaubhafte Verfügungen vorhanden sind.
Passive Sterbehilfe / Sterbeerleichterung durch z. B. schmerzlindernde Medikamente uns ähnliches ist kein Problem.
Aber bewußt aktiv den Tod herbeizuführen, mit dem Gedanken es getan zu haben, könnte ich nicht ohne schwere Schuldgefühle weiter leben.
 
Niemand weiß wirklich wann der richtige Zeitpunkt ist, wann der Tod eintritt.
 
Da habe ich schon zu viele Patienten erlebt, die Wochen oder sogar monatelang nicht ansprechbar waren oder nur zwischendurch kurz.
Wir lösten uns von Schicht zu Schicht, von Tag zu Tag ab, wünschten ihnen, daß sie endlich erlöst werden.
Medikamente und alle lebensverlängerte Maßnahmen waren bereits abgesetzt.
 
Plötzlich ohne erkennbaren Grund öffneten sie eines Tages die Augen, wollten etwas zu trinken und später etwas zu essen.
Sie hatten auf einmal Lebenswillen, erholten sich, obwohl sie die Krankheit nicht überwunden haben.
Viele von ihnen konnten nach einer Zeit nach Hause entlassen werden und lebten noch ein paar Jahre in ihrer Wohnung mit Hilfe und Untersetzung von ambulanten Diensten und / oder durch ihre Familie.
Sie waren glücklich noch da sein zu dürfen.
 
Ebenso waren unter ihnen einige die vorher verkündeten, wenn es mal so weit ist, dann möchte ich nicht mehr, man möge doch ein schnelles Ende einleiten.
Davon wollten sie dann nichts mehr wissen.
 
Vorher kann man leicht vieles sagen, wenn es soweit ist, ändern viele ihre Meinung.
 
Monja.

Songeur
Songeur
Mitglied

RE: ... zum Paragraph 217 StGB
geschrieben von Songeur
als Antwort auf Monja_moin vom 14.10.2017, 10:56:30
Selbst wenn aktive Sterbehilfe gesetzlich erlaubt wird, kann deshalb keinen Arzt oder medizinisches Fachpersonal verpflichtet werden diese auch auszuführen, wenn sie es nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren können.
 
 
Das ist ganz offensichtlich bei uns in Belgien kein Problem, denn obwohl das Gesetz explizit erklärt, dass niemand zur Ausführung (oder Teilnahme daran) der Euthanasie gezwungen werden darf, gibt es keinen Mangel an Ärzten, die dazu bereit sind.

Mir ist beispielsweise bekannt, wie mein Hausarzt zu diesem Thema steht. Wäre er grundsätzlich gegen Euthanasie, wäre er schon lange nicht mehr mein Hausarzt. 

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lalelu
lalelu
Mitglied

RE: ... zum Paragraph 217 StGB
geschrieben von lalelu
als Antwort auf mane vom 14.10.2017, 10:30:36
Zitat von Mane:

Meiner Meinung nach soll aktive Sterbehilfe nur in Ausnahmefällen erlaubt sein und an strenge Regeln gebunden werden. Nur wenn ein Mensch aus Gründen, die du erwähnst, unerträglich leidet und sterben will, selbst aber nicht mehr in der Lage ist, mit Hilfe passiver Sterbehilfe aus dem Leben zu scheiden, soll sie unter weiteren Auflagen möglich werden.
Liebe Mane,

das entspricht völlig meiner Meinung. Überspitzt formuliert: Ich plädiere nicht dafür, dass man Sterbehilfe sozusagen auf Rezept bekommt, welches man bei der Sprechstundenhilfe telefonisch bestellt. Ich möchte aber bei unheilbarer Krankheit und einem für mich unerträglichen Leiden SELBST entscheiden können, ob ich das bis zum natürlichen Ende aushalten will oder nicht.
Zitat von Mane:

Wichtig finde ich, dass Menschen im Sterben nicht alleine gelassen werden und dafür gesorgt wird, dass sich die Verhältnisse unter denen sie in Krankenhäusern, zu Hause, in Heimen oder in Hospizen sterben, auch menschenwürdig sind. Dann wird der Wunsch nach Sterbehilfe ein seltenes Thema sein. Wenn das Vertrauen auf eine gute Versorgung da ist, werden viele Menschen die Furcht auf das, was kommen wird, verlieren.
Das ein ganz wichtiger Aspekt! Leider ist das aber viel zu oft anders. Von Ausnahmen abgesehen ist es jedoch nicht die Schuld des Pflege-Personals, das sich meistens, so gut es geht, um die Patienten bemüht.

Wenn aber in Deutschland rund 70.000 Pflegekräfte fehlen (siehe Link: Pflege am Limit), ist es nicht verwunderlich, dass dieser menschenwürdige Zustand nicht erreicht werden kann. Und dann wundert man sich, wenn sogar Patienten sterben möchten, die bei guter und individueller Pflege vielleicht gar keinen Sterbewunsch hätten???

Wenn man Sterbehilfe kategorisch ablehnt, ist die Mindestvoraussetzung, zuerst dafür zu sorgen, dass todkranke Patienten die bestmögliche Versorgung und Betreuung erhalten, die möglich ist.

Wenn unheilbar kranke, leidende Patienten dann trotzdem sterben möchten, hat meiner Meinung nach ihr Wunsch dennoch stärkeres Gewicht als der von anderen.


Tagesspiegel: Pflege am Limit


Ich habe den Artikel gelesen, den du verlinkt hast Studien Zur Sterbehilfe und beneide die Holländer und Belgier, denen der Gesetzgeber anscheinend mehr Urteilsvermögen zutraut und ihnen daher mehr Eigenverantwortung zubilligt als es in Deutschland der Fall ist.


Und jetzt noch einmal OT:
Zitat von Mane:

Genauso ungern, wie ich z.B. Filme aus der Konserve sehe, mag ich es auch nicht, fern ab vom Geschehen (des Seniorenportals), zu schreiben. Merkwürdig, nicht wahr? Wahrscheinlich müssen noch viele Beiträge von mir im Nirwana verschwinden. bevor ich schlauer werde.

 
Liebe Mane, ich schreibe gar nicht fernab vom Geschehen, wenn ich etwas für den ST verfasse, sondern habe immer den Beitrag, auf den ich gerade antworte, in einem separaten Fenster geöffnet, damit ich mit einem Klick hin- und herspringen kann. Mein Beitrags-Nirwana wäre andernfalls ziemlich groß, weil ich relativ häufig unterbrochen werde (Telefon, unerwarteter Besuch usw.).

Früher war es jedenfalls im ST so, dass bei einer längeren Schreibpause alles verschwunden war. Ich weiß allerdings nicht, ob das noch immer so ist, denn, wie ich schon sagte: ich schreibe schon lange nicht mehr unmittelbar im ST, sondern füge nur noch die Beiträge ein, die ich zuvor in meinem Schreibprogramm verfasst und gespeichert habe (außer wenn es lediglich um zwei/drei Sätzchen geht).

Lalelu
lalelu
lalelu
Mitglied

RE: ... zum Paragraph 217 StGB
geschrieben von lalelu
als Antwort auf Monja_moin vom 14.10.2017, 10:56:30
Selbst wenn aktive Sterbehilfe gesetzlich erlaubt wird, kann deshalb keinen Arzt oder medizinisches Fachpersonal verpflichtet werden diese auch auszuführen, wenn sie es nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren können.
 
Auch ein Arzt oder medizinisches Fachpersonal hat das Recht selbst entscheiden zu können.
 
Ich zum Beispiel würde mich weigern aktive Sterbehilfe auszuführen, auch wenn glaubhafte Verfügungen vorhanden sind.
Passive Sterbehilfe / Sterbeerleichterung durch z. B. schmerzlindernde Medikamente uns ähnliches ist kein Problem.
Aber bewußt aktiv den Tod herbeizuführen, mit dem Gedanken es getan zu haben, könnte ich nicht ohne schwere Schuldgefühle weiter leben.
 
Niemand weiß wirklich wann der richtige Zeitpunkt ist, wann der Tod eintritt.
 
Da habe ich schon zu viele Patienten erlebt, die Wochen oder sogar monatelang nicht ansprechbar waren oder nur zwischendurch kurz.
Wir lösten uns von Schicht zu Schicht, von Tag zu Tag ab, wünschten ihnen, daß sie endlich erlöst werden.
Medikamente und alle lebensverlängerte Maßnahmen waren bereits abgesetzt.
 
Plötzlich ohne erkennbaren Grund öffneten sie eines Tages die Augen, wollten etwas zu trinken und später etwas zu essen.
Sie hatten auf einmal Lebenswillen, erholten sich, obwohl sie die Krankheit nicht überwunden haben.
Viele von ihnen konnten nach einer Zeit nach Hause entlassen werden und lebten noch ein paar Jahre in ihrer Wohnung mit Hilfe und Untersetzung von ambulanten Diensten und / oder durch ihre Familie.
Sie waren glücklich noch da sein zu dürfen.
 
Ebenso waren unter ihnen einige die vorher verkündeten, wenn es mal so weit ist, dann möchte ich nicht mehr, man möge doch ein schnelles Ende einleiten.
Davon wollten sie dann nichts mehr wissen.
 
Vorher kann man leicht vieles sagen, wenn es soweit ist, ändern viele ihre Meinung.
 
Monja.
@Monja_moin, natürlich respektiere ich deine Entscheidung! Schon weiter vorne im Thread habe ich erklärt, dass NIEMAND gegen seinen Willen zur Sterbehilfe verpflichtet werden darf. Wenn ein Arzt, eine Krankenschwester oder ein Pfleger erklärt, dass er auf keinen Fall Sterbehilfe leisten will, muss das akzeptiert werden. Punkt.

Ich habe keine Zahlen und weiß nicht, wie viele schwerstkranke Patienten sich noch einmal so weit erholen, dass sie ihr Leben nicht als Qual empfinden. Ihnen stehen aber die Patienten gegenüber, die dringend sterben möchten, aber keine Sterbehilfe bekommen bis sie nach einer mehr oder weniger langen Leidenszeit eines natürlichen Todes sterben. In solch einem Fall ist die Verweigerung von Sterbehilfe nur eine Verlängerung von Leiden und nicht von „Leben“.

Ich will keinem meine Meinung aufzwingen, sondern möchte nur, dass der freie Wille des mündigen Patienten respektiert wird und dass man diejenigen, die FREIWILLIG Sterbehilfe leisten wollen, dafür nicht bestraft.

Ein anderer Aspekt kam hier noch nicht zur Sprache, hat aber indirekt mit dem Thema zu tun: Es gibt Patienten, die trotz aller Qualen nicht sterben möchten und geradezu um weitere Behandlung betteln. Diese wird ihnen jedoch von der Krankenkasse verwehrt, wenn sie kostenintensiv ist, und es nach Auskunft der behandelnden Ärzte keine Chance auf Heilung mehr gibt. Der Patient wird gegen seinen Willen als austherapiert erklärt, wird aus dem Krankenhaus entlassen, dann auf die Palliativstation verlegt, später ins Hospiz, obwohl er bis zum letzten klaren Gedanken erklärt, dass er weiter leben will und bereit ist, jede Behandlung zu ertragen. 

Für mich ist diese Praxis genauso inhuman wie einem Patienten, der es ausdrücklich wünscht, Sterbehilfe zu verweigern, weil vielleicht einige dieser Patienten ohne unerträgliche Qualen weitergelebt hätten.

Es würde mich wirklich interessieren, wie oft letzteres vorkommt. Gibt es dazu verlässliche Zahlen?

Lalelu
mane
mane
Mitglied

RE: ... zum Paragraph 217 StGB
geschrieben von mane
als Antwort auf lalelu vom 14.10.2017, 14:06:06

Ich habe den Artikel gelesen, den du verlinkt hast Studien Zur Sterbehilfe und beneide die Holländer und Belgier, denen der Gesetzgeber anscheinend mehr Urteilsvermögen zutraut und ihnen daher mehr Eigenverantwortung zubilligt als es in Deutschland der Fall ist.



Liebe Lalelu,

ich sehe das Geschehen in den Niederlande etwas differenzierter und wünsche mir nicht, dass es in Deutschland übernommen wird. Im Moment habe ich leider wenig Zeit zum Schreiben und möchte dir gerne einen Vortrag über Sterbehilfe in den Niederlanden einstellen, über den wir gerne in den nächsten Tagen diskutieren können.

Vortrag von Gerbert von Loenen

Liebe Grüße,
Mane

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Lissy52
Lissy52
Mitglied

RE: ... zum Paragraph 217 StGB
geschrieben von Lissy52
als Antwort auf mane vom 17.10.2017, 13:47:55

Danke für den Link, mane
Leider sind die Befürworter zum Teil so fanatisch, dass man beschimpft wird, wenn man wagt auf strengere Regeln in D zu hoffen und auf Missstände in den Niederlanden hinweist.
Ich befürchte daher, dass  auch dieser Link nicht zur  sachlichen Diskussion führt. 

olga64
olga64
Mitglied

RE: ... zum Paragraph 217 StGB
geschrieben von olga64
als Antwort auf Lissy52 vom 17.10.2017, 14:20:21

.... zumal dieses Thema in etwas veränderter Form nun auch noch in der "nicht-politischen Abteilung" auftaucht.
Zu einem solchen komplexen Thema, das gerade uns alte Menschen in irgendeiner Form tangiert und evtl. auch treffen kann, ist es logisch, dass jeder eine andere Meinung vertritt und so soll es ja auch sein. Eine Diskussion ist der Austausch von Argumenten; es ist keine Sportveranstaltung, wo es Sieger und Verlierer gibt. ABer das wissen doch alle Beteiligten, oder? Olga

lalelu
lalelu
Mitglied

RE: ... zum Paragraph 217 StGB
geschrieben von lalelu
als Antwort auf Songeur vom 13.10.2017, 17:22:06

Zitat von Songeur:

Zum Thema Beihilfe zum Suizid gibt es einen älteren, ebenfalls vielfach preisgekrönten, Film aus dem Jahre 2004 und zwar "Mar Adentro" (Das Meer in mir) von Alejandro Amenábar. 

@Songeur,

gestern kam die DVD „Das Meer in mir“ bei mir an, und ich habe sie mir gleich am späten Abend angesehen. Er behandelte das Thema Sterbehilfe auf andere Art als der Film „Liebe“, aber ebenso eindringlich.

Ich fand den Film ausgezeichnet. Er war bewegend, voller Gefühl und Liebe und ging dabei wohltuend unsentimental und differenziert auf das schwierige Thema und die gegensätzlichen Positionen zur Sterbehilfe ein.

Besonders gut fand ich, dass er die unterschiedlichen Überzeugungen der Hauptpersonen glaubhaft herausarbeitet. Dabei wird keine Seite verurteilt; der Zuschauer hat die Freiheit, sich selbst zu entscheiden, welche Argumente für ihn persönlich mehr Gewicht haben.

Mir persönlich gefällt die Botschaft, die Javier Bardem als Ramon gleich in den ersten Minuten des Films vermittelt. Er beantwortet die Frage, warum er sterben möchte, folgendermaßen: „Ich möchte sterben, weil für mich ein Leben in diesem Zustand ein unwürdiges Leben ist. Ich verstehe, dass sich andere Tetraplegiker beleidigt fühlen könnten, wenn ich sage, dass ihr Leben unwürdig sei. Ich maße mir kein Urteil an, denn wer bin ich denn, jemanden zu verurteilen, der leben will? Deshalb verurteile auch bitte niemand mich oder die Person, die mir helfen will, zu sterben“.

Und an anderer Stelle sagt er: „Wir haben das Recht zu leben, aber nicht die Pflicht dazu“.

Dem habe ich nichts hinzufügen. 

Danke für deine Empfehlung!

Lalelu
lalelu
lalelu
Mitglied

RE: ... zum Paragraph 217 StGB
geschrieben von lalelu
als Antwort auf mane vom 17.10.2017, 13:47:55
Liebe Mane,

ich habe den Artikel, den du verlinkt hast, aufmerksam gelesen: Gerbert van Loenen: Sterbehilfe in den Niederlanden

Die Kritik darin richtet sich aber nicht per se gegen Sterbehilfe, sondern um deren leichtfertige Gewährung oder sogar um Missbrauch. Es entspricht auch meiner Überzeugung, dass man versuchen muss, dies durch strengste Auflagen und Kontrollen weitgehend unmöglich zu machen. In diesem Punkt sind wir uns völlig einig.

Dass man aber auch den Menschen, die ohne jeden Zweifel klar orientiert sind und ihre Situation unerträglich finden, aktive Sterbehilfe verweigern möchte, weil bei nicht orientierten Menschen Missbrauch möglich ist, sehe ich nach wie vor nicht ein.

Dadurch fördert man meiner Meinung nach bei denen, die noch dazu in der Lage sind, eher den sogenannten Sterbehilfe-Tourismus in Länder, in denen die Gesetze liberaler sind, illegale Sterbehilfe, oder Suizid ohne jeden Beistand. In Deutschland starben in den letzten Jahren im Durchschnitt 10.000 Menschen durch Selbstmord.


Auszug aus Statista:

Damit sterben in Deutschland deutlich mehr Menschen durch Suizid als zum Beispiel aufgrund von Verkehrsunfällen, Drogen und HIV zusammen. Dem Statistischen Bundesamt zur Folge dominiert unter den gewählten Methoden die Selbsttötung durch Erhängen, Strangulieren oder Ersticken, wobei der am häufigsten für Suizide ausgewählte Ort die eigene Wohnung ist.

Quelle

Ich weiß nicht, wie viele von diesen Menschen nicht nur sich selbst das Leben nahmen, sondern beispielsweise bei absichtlich herbeigeführten Verkehrsunfällen oder bei Familiendramen andere mit in den Tod rissen oder nach einem Sprung von der Brücke, vor einen Zug usw. von völlig Unbeteiligten geborgen werden mussten, die danach große psychische Probleme hatten.

Ich frage mich, ob alle den letzten Schritt getan hätten, wenn sie begründete Hoffnung auf Sterbehilfe gehabt hätten. Eine gute Freundin, die an Krebs erkrankt war, ihn aber glücklicherweise besiegt hat, erzählte viele Jahre später, dass sie damals heimlich über einen längeren Zeitraum hinweg so viele hochwirksame Tabletten gesammelt hatte, dass sie sich damit das Leben hätte nehmen können. Diesen Tabletten-Vorrat hat sie nie angerührt, aber er gab ihr die Kraft, die strapaziöse Behandlung zu ertragen, weil sie wusste, dass sie im schlimmsten Fall die Möglichkeit zum Suizid gehabt hätte.

Liebe Mane, ich respektiere deine Vorbehalte und sehe sie als berechtigt an, wenn jemand sich nicht selbst artikulieren kann. Trotzdem möchte ich mir aber nach wie vor nicht von anderen vorschreiben lassen, ob ich bei unheilbarer Krankheit ein für mich unerträgliches „Leben“ bis zum natürlichen Ende abwarten muss oder den unabwendbaren Tod beschleunigen darf.


Zwar weiß ich, dass eine derartige Verfügung als Anlage zu meiner vorhandenen Patientenverfügung momentan ohne praktischen Wert ist, aber ich werde trotzdem eine aufsetzen und regelmäßig neu unterschreiben. Vielleicht hilft sie mir ja eines Tages …

Liebe Grüße, Lalelu
 
Zitat von Lissy52

Leider sind die Befürworter zum Teil so fanatisch, dass man beschimpft wird, wenn man wagt auf strengere Regeln in D zu hoffen und auf Missstände in den Niederlanden hinweist.
Ich befürchte daher, dass  auch dieser Link nicht zur  sachlichen Diskussion führt. 

 

@Lissy52: Es ist schon eigenartig, wie unterschiedlich das subjektive Empfinden sein kann. Umgekehrt wird nämlich auch ein Schuh daraus. Mit gleichem Recht könnte ich sagen:

„Leider sind die Gegner von Sterbehilfe teilweise so doktrinär, dass sie sogar erwachsenen Menschen, die im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte sind und unsagbar leiden, das Recht verweigern, selbstbestimmt und wohlüberlegt Sterbehilfe in Anspruch nehmen zu wollen und sie beschuldigen, durch ihr Ansinnen Missbrauch, Mord und Totschlag Tür und Tor zu öffnen“.

Lalelu

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