Internationale Politik Brexit yes, no, euch wurscht?

carlos1
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RE: Brexit yes, no, euch wurscht?
geschrieben von carlos1
als Antwort auf Tina1 vom 24.10.2019, 18:16:13
"Man hört überall das gleiche. Keiner hat die Menschen gefragt, sondern alles einfach entschieden. Viele fühlen sich abgehängt, sie kommen in der Politik nicht mehr vor.Die Menschen haben Wut auf die Nichtbeachtung. Die Globalisierung hat viele Jobs gekostet u wird noch weitere kosten. Es gibt immer mehr einen Kampf um den Arbeitsplatz zwischen Einheimischen und Migranten aus EU Ländern. Es geht um Existenzangst. Das war u ist ein großes Problem für die Briten, darauf hat die EU nicht reagiert. Es gibt immer mehr Armut, das gleiche wie in Deutschland. Die EU ist nicht auf soziales eingegangen, war nicht für die Menschen da. Das alles spiegelt die Reportage wieder. Wie soll das alles noch enden? Mir macht alles Angst,....." Tina1

Tina, du beschreibst die Stimmung, wie sie der Ökonom Collier darstellt. Vielleicht gibst aber du einiges nicht ganz richtig wieder. Wie könnte die EU denn auf Existenzängste vieler Menschen reagieren? Die englische Stahlindustrie, der Schiffbau und die Kohlengruben in Mittel- und Nordengland sind infolge von Entscheidungen der britsichen Regierung aufgegeben worden. Die EU konnte diese britischen Industrien nicht retten. In Dtld sind heute auch alle Kohlegruben geschlossen. Das Zechensterben war ein Prozess, der Ende der 60er jahre begann. Dt. Kohle war zu teuer. Kohle aus Australien per Schiff um den halben Erdball zu tranportieren war günstiger als dt Kohle zu fördern. Die dt. Kohle hat über 200 Mrd )an Subventionen gekostet, bis letztes Jahr die letzte Zeche schloss. Kosten fallen weiter an. Das Zeitalter der fossilen Brennstoffe geht zu Ende.

Die EU habe sich nicht um soziale Probleme gekümmert. Das stimmt so nicht. Die EU hat viele Mrd in den Wiederaufbau Ost, also in Dtld, gesteckt. Sie vergibt Fördergelder in strukturschwache Regionen in ganz Europa. Osteurop. Staaten wie Polen profitieren davon in starkem, Maße. Polen erreicht hohe Wachstumsraten, Tschechien hat Vollbeschäftigung.

Viele Forschungsvorhaben an englischen Universitäten sind gefährdet, wenn nach dem Brexit wie absehbar die EU-Gelder nicht mehr fließen. Die Unis von Oxford und Tübingen entwickeln gemeinsam ein neues Medikament zur Behandlung der altersbedingten Makualdegeneration (nasse Makula führt zur Erblindung). Die Erprobung des Medikaments befindet sich im Erprobungsstadium. Auf dieses Medikament warte ich und hoffe, dass es trotz des Brexits klappt.

Es gibt, wie du schreibst, immer mehr einen Kampf um Arbeitsplätze zwischen Migranten und Einheimischen. Was GB angeht, so erhielten Arbeitskräfte aus Osteuropa nach dem Beitritt Polens und anderer Staaten 2004 sofort Zugang zum Arbeitsmarkt in GB., Das war eine Entscheidung der britischen Regierung und nicht der EU. Dtld gestattete diesen Zugang zum Arbeitsmarkt erst nach einer Schonzeit von 7 Jahren. Da waren die qualifizierten Arbeitskräfte aber längst in Lohn und Brot in GB oder anderswo. Polnische Saison-Arbeitskräfte, die jahrelang in der Landwirtschaft mithalfen sind dieses Jahr erstmals nicht mehr  zu uns i nden Kreis gekommen, weil sie Arbeit gefunden haben. Ersatz für sie gab es nicht auf die Schnelle.

Die Globalisierung hat viele Jobs gekostet schreibst du. Die Globalisierung hat aber auch viele Arbeitsplätze geschaffen. Die Globalsierung bietet auch Chancen. Bereits seit den 60er Jahren haben immer mehr Bauern ihren Hof aufgegeben. In vielen ehemaligen Bauerndörfern gibt es keinen einzigen Bauernhof mehr. Ich lebte lange auf dem Land in einem kleinen Ort. Von 30 Bauernhöfen existiert schon lange  keiner mehr. Der Ort hat heute ca 2500 Einwohner, die meisten sind Pendler in die 17km entfernte große Kreisstadt, andere fahren bis nach Stuttgart. Das Höfesterben vollzog sich in der Stille. Es handelte sicn um Mio von Menschen. Sie fanden Beschäftigung. Solche Tranformationen können Angst machen, das versteht jeder. Wer aber in Situationen, die Handeln erfordert nicht agiert, wird durch das Leben bestraft. Die kleinen Höfe ware nicht lebensfähig. Die Eigliederung von Mio Arbeitskräften wurde damals noch ohne Globalisierung geschafft.

Die Reportage von M. Lanz spiegelt mehr wieder als nur Angst- und Ohnmachtsgefühle: Die Spaltung der Gesellschaft.  Eine Klassengesellschaft war in GB schon im letzten Jahd viel stärker ausgeprägt als bei uns. Aufstiegschancen gab und gibt es nicht. So hart ist es bei uns nicht. Der dt. Student in Oxford, den Lanz befragt, wies darauf hin, dass in Dtld das Leistungsprinzip stärker zum Zuge kommt. Sprache (!) und Bildung sind in GB wesentliche Faktoren, die den sozialen Aufstieg bestimmen. Eben die Sprache imit ihren "hard words"  (= Wörter lateinischen und griechischen Ursprungs) ist es auch die den Klassenunterschied deutlich machen, nicht nur Einkommen und Besitz. Aufschlussreich das Gespräch im Poloclub, dem ein ehemaliger Offizier der Royal Guards. Kein normaler Sterblicher gelangt in diese Kreise, es sei den er bringt zwei bekannte Klubmitglieder dazu seine Mitgliedschaft zu befürworten. Die ist ein gutes Beispiel für den herangezüchteten Corps d`esprit als  Ergebnis eines sozialen Ausleseverfahrens. Das Tory-Establishment ist in seinem geistigen Habitus durch die Public Schools geprägt worden. Cameron und Johnson (übrigens der Abstammung nach ein Nachkomme des württembergischen Königs Friedrich I.; ich hoffe meine Erinnerung trügt mich nicht bei diesem Namen) besuchten beide die Eliteschule Eton.

Menschen wollen beachtet, geschätzt  werden. Sie wollen an Entscheidungen in einer immer komplizierteren Welt beteiligt werden. Wie bringen sie sich aber ein, wenn ihnen Vorbehalte und Ressentiments entgegen gebracht werden? Wie etwa oll das Schlagwort „Win back control of our country“ der Brexiteers realisiert werden? Statt der Brüsseler Bürokratie bestimmen doch eine Oberschicht über das, was zu geschehen hat. Lanz lässt sich darüber nicht aus. 

Der größte Teil der Migranten in GB kam doch nicht aus Ländern Kontinentaleuropas, sondern aus den ehemaligen britischen Lang vor der EU ins Land. Bezeichnend bei M. Lanz in der Reportage die Auskunft eines  brit. Staatsbürgers pakistanischer Herkunft auf die Frage als was er sich fühle: Als Pakistani natürlich. Und das, obwohl er in GB geboren wurde und immer in GB lebte.

Über die möglichen wirtschaftlichen Auswirkungen im Zusammenhang mit dem anvisierten no deal brexit war von Johnson wenig zu erfahren. Es seien Gedabken zu einem worst case Szenario sagte er im Unterhaus. Lanz sagte dazu in seiner Reportage nicht viel.

Ich finde es gut, dass du und dutch auf diese Video-Reportage hingewiesen habt. Danke.

Viele Grüße
c

 
olga64
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RE: Brexit yes, no, euch wurscht?
geschrieben von olga64

Also nun doch eine erneute Verlängerung für den Brexit bis Ende Januar 2020.
Ob es zwischenzeitlich Neuwahlen in GB gibt und ob Bojo sie gewinnen kann? Wenn ja, was macht er dann? Bleibt spannend. Olga

olga64
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RE: Brexit yes, no, euch wurscht?
geschrieben von olga64

GEstern verlor Bojo die Abstimmung über Neuwahlen am 12.12., weil sich die Labours der Stimme enthalten haben.
Heute soll der Punkt Neuwahlen am 9.12. wieder durch das britische Parlament gejagt werden, allerdings als "kleines Gesetz", wofür dann nur die einfache Mehrheit nötig ist. Da sich dem die Schotten und die Liberalen grundsätzlich angeschlossen haben, soll nun auch Labour zustimmen.
Wenn man immer zu Recht über Bojo den Kopf schüttelt  - bei James Corbyn von den Labours sollte man es ebenfalls machen. Dieser wundert sich vermutlich dann auch noch, wenn er nicht gewählt werden wird?Olga


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olga64
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RE: Brexit yes, no, euch wurscht?
geschrieben von olga64

Jetzt gibt es doch zwei Sicherheiten beim Brexit:

1.) kein No-Deal Brexit  Austritt Ende dieser Woche
2.) Neuwahlen am 12.12.2019

Die Zeit wird knapp für einen Wahlkampf, desto more dirty wird er sicher werden.
Die Tories liegen bei den Umfragen weit vor Labour, was kein Wunder ist, bei den seltsamen Manövern die Mr Corbyn seit Monaten so betreibt. Olga

Karl
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RE: Brexit yes, no, euch wurscht?
geschrieben von Karl
als Antwort auf olga64 vom 30.10.2019, 17:14:42

Warten wir ab, wie der Wahlkampf läuft. Meine Befürchtung ist, Johnson gewinnt, GB geht aus der EU und tut alles, um deren Steuerflüchtlingen ein Zuhause zu geben. 

Eine Tory-Regierung würde die Deregulierung und den Manchester-Kapitalismus vorantreiben. 

Karl

olga64
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RE: Brexit yes, no, euch wurscht?
geschrieben von olga64
als Antwort auf Karl vom 30.10.2019, 17:41:35

Sehe ich ähnlich, Karl.
Aber wenn die Tories gewinnen und Bojo rechtmässiger Premier wird, ist dies auch ein Beweis, dass die Mehrheit der britischen Wähler nach wie vor den Brexit wünschen.
Aber welche Vorteile würde es bringen, dem seit Jahren inkonsequenten und in Teilen antisemitischen James Corbyn das Land anzuvertrauen?
So widerlich das ist, Steuerflüchtlingen eine Zuhause zu bieten  - solche Vorzugsprogramme haben wir auch in anderen, europäischen Ländern: z.B. den Niederlanden, Malta und auch Zypern. Olga


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adam
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RE: Brexit yes, no, euch wurscht?
geschrieben von adam
als Antwort auf olga64 vom 30.10.2019, 17:51:11

Nun, wehrlos sind wir Brexannien auch nicht ausgeliefert. Die Insulaner sind auf den europäischen Markt angewiesen. Und wie verhalten sich Schottland und Nord Irland? Bleibt zum Schluß vielleicht nur England  übrig? Der Traum von der großen Wirtschaftsallianz mit den USA scheint ja ausgeträumt zu sein. Was sollen auch die USA allein mit England anfangen. Alleine könnten die Engländer die Insel noch nicht mal aus der Nordsee rudern. 😄

Wie auch immer, der Brexit bleibt eine unausgegorene Sache. Das Drama geht weiter.

--

adam

 

olga64
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RE: Brexit yes, no, euch wurscht?
geschrieben von olga64
als Antwort auf adam vom 30.10.2019, 18:38:11

Adam, ich denke,der TRaum von Handelsverträgen mit den USA wäre definitiv ausgeträumt, wenn James Corbyn Premier werden würde.
Aber ansonsten denke ich bei der Wankelmütigkeit des Mr Trump wäre der schon interessiert, wieder jemanden zu haben, den er so richtig schikanieren kann wie jetzt mit der EU und China.
Auch China könnte ich mir vorstellen, dass diese mit GB bei sehr guten Konditionen zusammenarbeiten.
Meine Gedanken sind natürlich auch bei den Millionen Europäern, die teilweise schon sehr lange in GB leben und dann ziemlich ungesichert ihrer Zukunft entgegensehen werden.
ES weiss keiner, wie  der Brexit letztendlich ausgehen wird, da es hierfür keine Vergleiche gibt. Es ist ja zum ersten Mal, dass ein wichtiges Land ausscheren will (und wird m.E. für lange Zeit auch das letzte Mal so sein). Olga

Karl
Karl
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RE: Brexit yes, no, euch wurscht?
geschrieben von Karl
als Antwort auf olga64 vom 30.10.2019, 17:51:11
olga64:
"Aber wenn die Tories gewinnen und Bojo rechtmässiger Premier wird, ist dies auch ein Beweis, dass die Mehrheit der britischen Wähler nach wie vor den Brexit wünschen."
@olga64,

Du bedenkst das britische Wahlsysten nicht. "The winner takes it all". Wenn die Tories mit Abstand stärkste Partei werden, sagen wir z. B. mit 37%, dann gewinnen sie wahrscheinlich genügend Wahlkreise, um die Mehrheit im Parlament zu bekommen. Das ist die Eigenart des Mehrheitswahlrechts.

Karl
carlos1
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RE: Brexit yes, no, euch wurscht?
geschrieben von carlos1
als Antwort auf olga64 vom 30.10.2019, 17:51:11
"So widerlich das ist, Steuerflüchtlingen eine Zuhause zu bieten  - solche Vorzugsprogramme haben wir auch in anderen, europäischen Ländern: z.B. den Niederlanden, Malta und auch Zypern. Olga

Warum ist ein Geschäftsmodell "widerlich"? Right or wrong, my country, um Churchill mal zu zitieren. Eine sprudelnde Geldquelle ist immer willkommen. Deshalb darf man auch lügen. Das ist doch die Konsequenz. Eine Wahl - diesmal eine "snap election" vor Weihnachten, bietet die Möglichkeit das Lügen fortzusetzen. Man haue auf die Pauke und spucke nationale Töne, das goutiert das Wahlvolk zu einem guten Teil.

Die allgemeinen Wahlen im Dezember sind die dritte Wahl zum Parlament in 4 Jahren. Am Dienstagabend hat die Mehrheit der Unterhaus-MPs diesen Wahlen zugestimmt. Dabei hätte nach der Zustimmung der Mehrheit zu dem Deal, den der Pr. Minister erreicht hat, nahe gelegen, das Überleitungsgesetz zu beraten und anshließend den Brexit zu vollziehen. Ende November oder Anfang Dezember 2019 wäre alles über die Bühne gegangen. Stattdessen wird der Brexit jetzt von Johnson blockiert (so die Meinung Ph Hammonds, Chancellor unter Th. May). Wahlkampfthema Johnsons wird sein: Der Volkswille gegen das Parlament der Narren.

Tatsache ist, dass in jedem der letzten 5 Jahre der Wähler die Möglichkeit hatte in der
einen oder anderen Wahl seine Meinung mit de mStimmzettel darzulegen. Das jetzige Parlament wurde im Juni 2017 gewählt, weil die damalige Premier Ministerin May mit den Tories zwar eine satte 100 StimmenMehrheit hatte, aber sie noch mehr wollte. Das Ergebnis ist bekannt. Sie verlor ihre Mehrheit und konnte nur noch mit den 10 Stimmen der Ulster-Nationalisten eine Mehrheit erreichen. Der "geniale" Deal, den Johnson mit der EU aushandelte führte durch die Verlegung der Zollgrenze in die irische See Nordirland zu einem Sonderstatus für Nordirland. Das war von May bei den Verhandlungen abgelehnt worden. Im Unterhaus beklagten in dieser Woche sich die seitherigen Koalitionäre über diese Einigung über ihren Köpfe hinweg. Sie werden Nordirland schaden. Die geniale Idee nur noch Nordirland aber nicht mehr das gesamte UK in der Zollunion zu belassen machte nochmals deutlich, dass diese Regierung keine Chance hatte, eine Mehrheit zu erreichen. Ein Rücktritt Johnsons hätte nichts gebracht, weil die Opposition keinen mehrheitsfähigen Kandidaten für das Amt des PM hat. Labour ist zu schwach, um gegen Johnsons Kohorten anzugehen.

Hier eine Übersicht über die Wahlen, die Wählern in den letztne 5 Jahren die Möglichkeit boten, ihre Stimmen abzugeben

Mai 2019 Europawahlen verbunden mit Regiobnalkwahlen in einigen Landesteilen
Juni 2017 Parlamentswahlen
2016 Brexit-Referendum
Mai 2015 Allgemeine Wahlen, Parlamentswahlen
September 2014 Scottish independence referendum

In den letzten fünf Jahren hat praktisch jedes Jahr der britische Wähler seine Stimme für oder gegen etwas im Zusammenhang mit der EU abgeben können.

Es wird leider nicht über die schwelende Verfassungskrise in GB gesprochen. Das Wahlrecht bestraft kleine Parteien in extremer Form. Das reine Mehrheitswahlrecht lässt alle Stimmenanteile der Verlierer, seien sie noch so hoch, unter den Tisch fallen. Das sit ein Überbleibsel des imperialen Zeitalters.

Viele Grüße
c

 

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