Forum Politik und Gesellschaft Internationale Politik Die Folgen des 11. September 2001

Internationale Politik Die Folgen des 11. September 2001

Karl
Karl
Administrator

Die Folgen des 11. September 2001
geschrieben von Karl
Viele Menschen haben am 11. September 2001 instinktiv gewusst, dass die Attentate eine Zensur für die Weltpolitik bedeuten würden. Die Menschen im Westen waren durch die Grausamkeit der Bilder geschockt, aber die meisten auch davon, dass sie überhaupt nicht geahnt hatten, dass auf dieser Welt Menschen lebten, die die USA so hassten, dass sie bereit waren ihr Leben für deren Demütigung zu geben. Ich gehörte zu dieser Gruppe. Den Zusammenhang mit dem ersten Irakkrieg und der dauerhaften Stationierung amerikanischer Soldaten in Saudi Arabien war mir damals nicht bewusst. Ich war an diesem Morgen "spät dran" und hatte vom Einschlag des ersten Flugzeuges noch zuhause erfahren. Man rätselte zu diesem Zeitpunkt noch, ob dies ein Unfall oder ein Attentat gewesen sei. Den Einschlag des zweiten Flugzeuges hörte ich dann im Autoradio. Am Institutseingang kam mir ein noch ahnungsloser Mitarbeiter entgegen. Ich erzählte ihm, was geschehen sei und dass sich soeben die Welt verändert habe.

In Erinnerung ist mir die starke Emotion der Empörung über das monströse Attentat und das spontane Gefühl der Solidarität mit den US-Amerikanern in dieser Situation. Als Kanzler Schröder nach den Anschlägen die "uneingeschränkte Solidarität" mit den USA proklamierte, traf er auch meine Gefühlslage und diejenige der meisten Bürger in unserem Land.

Es ist das Fatale an der Reaktion der Bush-Administration, dass sie dieses Kapital der weltweiten Solidarität mit dem ungerechtfertigten und verbrecherischen Überfall auf den Irak, der keinen Anteil an der Planung der Anschläge hatte, verspielt hat. Dieser desaströse Feldzug hat die Supermacht USA nicht nur moralisch, sondern auch finanziell ruiniert und somit markiert der 11. September 2001, wie von den Attentätern beabsichtigt, tatsächlich den Beginn des Zerfalls der US-amerikanischen Hegemonie. Allerdings hätte es auch anders kommen können, wenn die USA eine weisere Führung gehabt hätten.

Das sind die außenpolitischen Folgen. Innenpolitisch - nicht nur in den USA - wurde auf dem Altar der Sicherheit viel Freiheit geopfert. Ich maße mir nicht an, dies alles zu verurteilen, denn wer will nicht in Sicherheit leben? Erst das Gefühl der Sicherheit macht Freiheit erlebbar. Allerdings ist die Sorge berechtigt (und sie nötigt zur Vorsicht!), dass durch ein Übermaß der Überwachung der Bürger Demokratie gefährdet und Diktatur erleichtert wird. Kaum vorstellbar, wenn die Stasi oder gar die Gestapo auf die modernen Methoden der Überwachung hätten zurück greifen können.

Die Bilder des 11. September 2001 wirken in den Köpfen der Menschen nach. Das Faktum, dass die Attentäter fanatisierte islamische Fundamentalisten waren, wurde und wird seitdem von rechten Rattenfängern benutzt, um das Feindbild "Moslem" aufzubauen. Die latente Fremdenangst, aber auch das Gefühl, mit der sich rasch ändernden Welt nicht zu Recht zu kommen, bricht sich seit je her in der Schuldzuweisung an Randgruppen Bahn - mit potentiell fatalen Folgen, wie Deutschland auf bitterste Weise erfahren hat.

Die Kriege der USA haben nicht nur ihre Finanzen zerstört, auch Europa steht am Abgrund. Wir wissen heute nicht, wie schlimm die internationale Finanzkrise sich auf die Wirtschaft noch auswirken wird. Uns geht es (noch) gut, sagt man. In Griechenland hat die Krise bereits zum Zusammenbruch der Wirtschaft geführt. Nicht auszudenken, wenn auch Obamas neues Wirtschaftsstimulationsprogramm verpufft und mit den USA der weltweit wichtigste Handelspartner in die Rezession schlittert. Wohin Weltwirtschaftskrisen mit Massenarbeitslosigkeit führen können, haben wir schmerzhaft erfahren müssen.

Erst kürzlich gab es in London einen Vorgeschmack davon, was passieren kann, wenn Kriegskosten dazu führen, dass soziale Integrationsprogramme daheim vernachlässigt werden.

Mein grundlegender Kulturoptimismus ist derzeit sehr strapaziert. Wir müssen wachsam sein und wir dürfen den Rattenfängern, die lauter werden je schlechter es uns gehen wird, nicht folgen.

Das Attentat vom 11. September 2001, aber auch die falsche Reaktion darauf, haben die Welt sehr zu ihrem Nachteil verändert.

Karl
herbi27
herbi27
Mitglied

Re: Die Folgen des 11. September 2001
geschrieben von herbi27
als Antwort auf Karl vom 09.09.2011, 21:04:07
Hallo Karl,
was kann man deinem Kommentar hinzufügen.Nichts.
Wenn ich jetzt sehe und die nächsten Tage wie die Medien dieses tragisches Geschehen weltweit kommerziell ausschlachten werden(anstatt sauber zu informieren)wird es einem Übel.
Na gut,in meinem Alter ist das für mich nicht mehr relevant.
Gruss Herbert
Karl
Karl
Administrator

Re: Die Folgen des 11. September 2001
geschrieben von Karl
als Antwort auf herbi27 vom 09.09.2011, 21:36:20
Na gut,in meinem Alter ist das für mich nicht mehr relevant.
Gruss Herbert
Lieber Herbert,

es ist für jedes Alter relevant, besonders wenn uns der Fortgang der Entwicklung auch über unsere eigene Existenz hinaus interessiert. Karl

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Medea
Medea
Mitglied

Re: Die Folgen des 11. September 2001
geschrieben von Medea
als Antwort auf Karl vom 10.09.2011, 06:56:34
Zum 10ten Mal jährt sich dieses ungeheuerliche Verbrechen und alles andere was danach folgte, wird auch unvergessen bleiben. Es hat tatsächlich unsere Welt verändert, bestehende Gräben weiter vertieft, noch mehr Mißtrauen gesät zwischen den Menschen.

Wieder werden abenteuerliche Verschwörungstheorien die Runde machen, die mir unausrottbar scheinen - es ist nur zu hoffen, daß keine spektakulären Terroranschläge diesen Jahrestag begleiten.

M.



Marija
Marija
Mitglied

Re: Die Folgen des 11. September 2001
geschrieben von Marija
als Antwort auf Karl vom 09.09.2011, 21:04:07


Ich habe das Geschehen bis heute nicht verarbeitet.

Mein Sohn war damals 18 Jahre alt und stellte Fragen nach der Überlebenschance der Menschen. Da warf jemand eine Frucht auf den Boden und trat darauf und demonstrierte den Brei.
Das entsetzte Gesicht meines Kindes werde ich niemals vergessen.


Nur ein bleibender Aspekt von sehr vielen.

Marija
Karl
Karl
Administrator

Re: Die Folgen des 11. September 2001
geschrieben von Karl
als Antwort auf Marija vom 10.09.2011, 07:16:27
Guten Morgen Marija,

so hat jeder seine persönlichen Erinnerungen an den 11. September 2001. Es gibt wohl kein Datum, wo so viele Menschen noch wissen, was sie gerade taten, als sie die Meldung über die Attentate erreichte. Es gibt auch kein Datum, über das hier im ST inklusive seiner Folgen soviel diskutiert wurde - und doch sind immer wieder Updates notwendig.

Beste Grüße, karl

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Mitglied_bed8151
Mitglied_bed8151
Mitglied

Re: Die Folgen des 11. September 2001
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf Medea vom 10.09.2011, 07:07:54
die abenteuerlichste verschwörungstheorie, die offizielle, die bushsche, die von ali baba in den afghanischen bergen und seinen 19 räubern, wird seit tagen endlos wiederholt. deren funktion: den krieg ums öl legitimieren, die krieger für den krieg begeistern.

das neue jahrtausend begann mit einem paukenschlag. es wurde so weitergemacht, wie das alte jahrtausend aufgehört hatte (wenn auch eine spiralwindung der spirale der gewalt weiter).

seitdem rollen hierzulande die krokodilstränen.

ich bin gespannt, ob der jahrestag des krieges gegen afghanistan ähnlich bedauert wird. vermutlich nicht. denn dort sterben ja vorzugsweise afghanen. um die kolonisierten hat sich der kolonisator noch nie einen kopf gemacht.

--
Wolfgang
schorsch
schorsch
Mitglied

Re: Die Folgen des 11. September 2001
geschrieben von schorsch
als Antwort auf Karl vom 09.09.2011, 21:04:07
@: "...Erst kürzlich gab es in London einen Vorgeschmack davon, was passieren kann, wenn Kriegskosten dazu führen, dass soziale Integrationsprogramme daheim vernachlässigt werden...."

Vielleicht wird höhernorts ja so kalkuliert: Sozial Benachteiligte lassen sich viel einfacher zu keine eigene Meinung habenden Soldaten und Killern ausbilden?!
Karl
Karl
Administrator

Re: Die Folgen des 11. September 2001
geschrieben von Karl
als Antwort auf schorsch vom 10.09.2011, 11:01:48
Aber Schorsch,

damit würdest Du den Regierungen böse Absicht unterstellen und das Problem wäre quasi kriminaltechnisch zu lösen. Ich glaube der Fall ist schwieriger, es ist das herrschende Denksystem, das es zu überwinden gilt. Die Summe guter Absichten hat nämlich leider mitnichten immer positive Ergebnisse zur Folge.

Karl
Karl
Karl
Administrator

Re: Die Folgen des 11. September 2001
geschrieben von Karl
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 10.09.2011, 10:35:43
seitdem rollen hierzulande die krokodilstränen.
So in etwa hast Du Dich ja bereits damals direkt nach den Anschlägen hier im ST ausgedrückt. Schon damals habe ich solche Äußerungen als geschmacklos empfunden. Niemals sollte man m. E. die Trauer anderer in Frage stellen, welches Recht und welches Wissen dazu hast Du denn?

Die Reaktionen der US-Administration auf die Anschläge können politisch als falsch angesehen werden (das tue ich auch), aber den Menschen Krokodilstränen zuzuschreiben, ist beleidigend.

Karl

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