Internationale Politik Die Gewichte verschieben sich

Karl
Karl
Administrator

Die Gewichte verschieben sich
geschrieben von Karl
Ich weiß noch, dass ich als kleines Kind Allmachtsträume hatte. Unser Dorf hatte eine Tankstelle, eine Hauptstrasse, eine Bimmelbahnendhaltestelle, einen Bäckerladen, ein Unter- und Oberdorf, wow. Ich konnte mir gar nicht vorstellen, dass es irgendetwas besser und weiter Entwickeltes geben könnte als unser Dorf. Dann lernte ich lesen und fand die alten verstaubten Bücher am Dachboden, die Bücher über den ersten Weltkrieg, in denen die deutschen Soldaten immer die Helden waren. In der Schule lernten wir Goethe und Schiller und es war klar, Besseres als unsere deutschen Dichter
konnte es nicht geben. Um mich herum boomte das Wirtschaftswunder, wieder ein Beweis, wie tüchtig "wir" doch waren. In der Kirche warfen wir kleine Münzen in geschlitzte Mohrenköpfe, die artig mit dem Kopf nickten. Ach, wir waren ja so überlegen. Zwar entwickelte sich bei mir nie ein nationales Überheblichkeitsgefühl, ich war ja Europäer, aber dass Europa die Welt dominierte war mir klar - und die USA, nun gut, die waren ja eigentlich eine europäische Kolonie.

Erst allmählich wurde der instinktive, kindliche Glaube an die Überlegenheit der eigenen Kultur und die Richtigkeit der eingeborenen Glaubenswelten durch Wissen erschüttert. Ich lernte die Geschichte kennen, den Kulturenwechsel, den Zerfall alter und den Siegeszug neuer Kulturen, Religionen und Weltanschauungen. Nichts war von Dauer und ich begriff allmählich, dass nicht nur die Sonne sich nicht um die Erde drehte, sondern dass "wir" keinen Mittelpunkt auf dieser Erde definieren, dass immer alles im Fluß ist. Europa hat sich in zwei Weltkriegen verausgabt, musste seine Kolonien aufgeben und wird nun von seinen ehemaligen Kolonien überholt. Auch die USA haben sich durch ihre Kriege entscheidend geschwächt und es sind andere, die angesetzt haben die Lücken auszufüllen.

Zwei Meldungen haben diese Gedanken bei mir ausgelöst. Die Übernahme von Jaguar und Rover von dem indischen Tata Konzern und die Überlegungen Chinas die Dresdener Bank zu übernehmen. Die Machtzentren auf dieser Erde verschieben sich Richtung Osten, nach Asien. Hoffen wir, dass diese Verschiebungen der "Kontinentalplatten" ohne größere Erbeben verlaufen werden.


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karl
mart
mart
Mitglied

Re: Die Gewichte verschieben sich
geschrieben von mart
als Antwort auf Karl vom 28.03.2008, 20:33:13
Schöner Vergleich - die Kontinentaldrift - aber auch erschreckend. Nicht nur mit Vulkanausbrüchen und Erdbeben verbunden, sondern auch mit Substanzumwandlungen. So sind auch edlere Materialen wie Granat und Marmor aus simpleren Ausgangsstoffen entstanden. Sollte bei der sich anbahnenden Verlagerung ebenfalls Besseres als das Ursprüngliche entstehen oder letztendlich doch nur Glimmerschiefer und Phyllite, die noch heute Häuser zum Rutschen bringen?
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mart
adam
adam
Mitglied

Re: Die Gewichte verschieben sich
geschrieben von adam
als Antwort auf mart vom 28.03.2008, 23:01:45
Weiß man`s? Wünschenswert wäre ja ein kulturelles Pangäa.

Aber bei diesem Zusammendriften wird es wohl gewaltig rumpsen!

--

adam

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dutchweepee
dutchweepee
Mitglied

Re: Die Gewichte verschieben sich
geschrieben von dutchweepee
als Antwort auf Karl vom 28.03.2008, 20:33:13
meine sozialisation ist im osten passiert - und ich gebe es zu: absolut sozialistisch indoktriniert. auf meinem dachboden gab es keine bücher über soldaten aus dem ersten weltkrieg. ich hatte bücher von LEM, WOLKOW und den STRUGATZKIS im bücherregal. da wurde immer eine kommunistische zukunft beschrieben, in der chinesen, amerikaner, eskimos und afrikaner in frieden, freude, eierkuchen miteinander leben. geld gibt es nicht mehr (wie bei StarTrek) und jeder mensch verwirklicht sich nach seinen talenten und bedürfnissen.

hegemonie und überlegenheit waren mir tatsächlich fremd, allerdings hatte ich als kind immer das gefühl auf der seite "der guten" zu sein, wenn ich mein pionierhalstuch getragen habe. natürlich tauchten zunehmend widersprüche auf, je älter ich wurde. dennoch denke ich, daß unser planet nur eine zukunft hat, wenn wir uns als EINE menschheit verstehen. von mir aus darf die Dresdner Bank auch Chinesische Bank heißen - deshalb bleibt sie immernoch eine blödsinnige, kapitalistische bank.
arno
arno
Mitglied

Re: Die Gewichte verschieben sich
geschrieben von arno
als Antwort auf dutchweepee vom 29.03.2008, 03:44:25
Hallo, dutchweepee,

Hegemonie und Überlegenheit sind stets von kurzer Dauer.
Die Aktivitäten unserer globaltätigen Wirtschaft verteilt
unsere Produkte und das Know How weltweit.
Die Wirtschaft läßt dort produzieren, wo die Stückkosten am
niedrigsten sind.
Die Politik könnte diese Entwicklung beeinflussen, verändern,
neue Impulse geben.
Das bedeutet aber viel Arbeit und Durchsetzungskraft, die aber
für die Wahlkämpfe benötigt werden.
Unsere Wirtschaft ist nicht nur global, sondern auch rund um
die Uhr aktiv.
Wenn die Politiker nach einem 6-Stundentag erschöpft ins Bett
fallen, dann organisiert, arbeitet unsere Wirtschaft am selbigen
Tag noch weitere 18 Stunden diszipliniert weltweit weiter.

Unsere Politiker können auf die Aktivitäten der Wirtschaft nur
noch sehr stark zeitverzögert reagieren - besser flickschustern - ,
aber nicht mehr agieren!


Viele Grüße
--
arno
Karl
Karl
Administrator

Re: Die Gewichte verschieben sich
geschrieben von Karl
als Antwort auf arno vom 29.03.2008, 09:20:58
Wenn die Politiker nach einem 6-Stundentag erschöpft ins Bett
fallen
geschrieben von arno

???
Ich denke eher, dass Politiker sehr häufig unter Schlafentzug leiden.
--
karl
arno
arno
Mitglied

Re: Die Gewichte verschieben sich
geschrieben von arno
als Antwort auf Karl vom 29.03.2008, 09:28:12
Hallo, karl,

ich habe die vielen Nebentätigkeiten in hochdotierten Verwaltungsrats-
und Personalratsposten, Vereinen usw. außen vorgelassen.
Ich habe mich in meinem Beitrag nur auf die reine politische Arbeit
bezogen!
Reisezeiten, Zeiten für Geschäftsessen und mit Sekretärinnen rummachen,
Mobbing, usw. habe ich nicht berücksichtigt.


Die Annahme von 6 Stunden politischer Arbeit /Arbeitstag ist doch noch viel
zu hoch angesetzt.
Sicherlich gibt es Ausnahmen!

Viele Grüße
--
arno
ehemaligesMitglied451
ehemaligesMitglied451
Mitglied

Re: Die Gewichte verschieben sich
geschrieben von ehemaligesMitglied451
als Antwort auf arno vom 29.03.2008, 09:42:04
Das problem ist nicht die Arbeitszeit sondern die Strukturen.

Während die Welt politisch noch politisch noch Kleinstaaterei betreibt, handelt die Wirtschaft global. Auf der Ebene der Weltwirtschaft herrscht eine Art Frühkapitalisms der Gründerzeit, weitgehend staatlich unkontrolliert. Internationale Kartelle können ungestraft agieren. Global organisierte Gewerkschaften fehlen.

Damit werden die klassischen Macht-und Steuerungsmechanismen der Einzelstaaten aus den Angeln gehoben. Wie soll man so einer globale Wirtschaft z.B. noch mit dem nationalen Steuerecht beikommen??

Es wird Zeit, daß die Politik das Steuer wieder in die Hand bekommt. Zur globalen Wirtschaft gehören globale Steuerungselemente zb ein internationales Konzernsteuerrecht. So werden zb, mit Hilfe der DBA´s bilaterale steueliche Angelegenheiten geregelt. Ein internationales Besteuerungsabkommen zb. über uno oä könnte hier entscheident dazu beitragen, daß zb die Konzerne auch dort Steuern zahlen wo sie das Geld verdienen.

Man könnte sich auch Steuervorteile für inländisch produzierende Firmen vorstellen.


donaldd

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