Forum Politik und Gesellschaft Internationale Politik Die Türkei, ihr EU-Beitritt und der Fall des Menschenrechtlers Dogan Akhanli

Internationale Politik Die Türkei, ihr EU-Beitritt und der Fall des Menschenrechtlers Dogan Akhanli

miriam
miriam
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Die Türkei, ihr EU-Beitritt und der Fall des Menschenrechtlers Dogan Akhanli
geschrieben von miriam
Dieses Thema möchte ich einfach mit einem Zitat aus Wikipedia anfangen:

"Heute ist die Türkei eine parlamentarische Demokratie. Die Gesetzgebung liegt bei der Großen Nationalversammlung der Türkei.
Ein wichtiges Ziel der gegenwärtigen Politik ist der Beitritt zur EU. Ein Hindernis für den Beitritt ist die umstrittene Menschenrechtssituation. Um diese zu verbessern, wurden mehrere Gesetzes- (u. a. im Strafrecht) und Verfassungsänderungen vorgenommen."

Zitat Ende.

Unterstreichung stammt von mir

Aus den zahlreichen Beispielen die immer wieder beweisen wie entfernt die Türkei von einem Rechtstaat im Sinne der EU ist, möchte ich hier einen der aktuellen Fällen nennen: derjenige des Menschenrechtlers Dogan Akhanli.

Der Schriftsteller Dogan Akhanli, wurde am 10.8.2010, bei seiner Einreise in die Türkei, am Flughafen Istanbul verhaftet.
Grund seines Besuchs, war die Erkrankung seines alten Vaters.

Rückblick: die türkische Staatsanwaltschaft beschuldigte den Schriftsteller und Menschenrechtler, dass er im Jahr 1989 an einem Raubüberfall auf eine Wechselstube beteiligt gewesen war.

Die dafür erbrachten Beweise waren alles andere als stichhaltig – seine Anwälte bewiesen, dass die Argumente der türkischen Staatsanwaltschaft jeder Grundlage entbehrten.

Bekannt ist, dass der erste Zeuge dieser Behauptungen unter schwerer Folter ausgesagt hatte (auch das ein Fakt über dem man nachdenken sollte) – bzw. seine Aussage später sogar zurückgezogen hatte.

Diese letzten Dokumente wurden erst mit großer Verspätung der Hauptakte Akhanli hinzugefügt, und auch dem Haftrichter erst sehr spät übermittelt.
Dies sind nur einige wenige Details aus der Kette von rechtswidrigen Umständen des damaligen Prozesses.

Also blieben die Beweise die die früheren erzwungenen Aussagen ungültig machen sollten, längere Zeit unbekannt – sie wurde auch nicht dem Haftrichter mitgeteilt.

Dieser wusste also nichts von der Entwicklung in diesem Fall – und verfügte die Festnahme von Dogan Akhanli am 10 August dieses Jahres.

Dogan Akhanli lebt in Köln und ist seit 2001 Deutscher Staatsbürger.

Nun hat sich die Berliner Akademie der Künste zu Wort gemeldet – um gegen den bevorstehenden Prozess gegen den türkisch-deutschen Schriftsteller zu protestieren.

Dazu schreibt der Akademiepräsident Klaus Staek, dass er sich mit seinem Protestschreiben den "immer massiver werdenden internationalen Protest gegen ein offensichtlich geplantes Gesinnungsverfahren" anschließt.

Ich habe diesen konkreten Fall zum Anlass genommen - um auch über den eventuellen Beitritt der Türkei zur EU, nachzudenken - bzw. zu diskutieren.

Miriam

Medea
Medea
Mitglied

Re: Die Türkei, ihr EU-Beitritt und der Fall des Menschenrechtlers Dogan Akhanli
geschrieben von Medea
als Antwort auf miriam vom 26.11.2010, 13:54:25
Orhan Pamuk, türkisch-alewitischer Schriftsteller, hat die Türkei verlassen aus gutem Grund, Dogan Akhanli soll der Prozeß gemacht werden aus sehr zweifelhaftem Anlaß, zwei Kulturen werden in der EU aufeinanderstoßen, die meiner Meinung nach nicht zusammenwachsen können, weil sie nicht zusammen gehören, da nützt alle Schönrederei nichts. Die große Türkei liegt gerade mal zu ca. 3 Prozent auf europäischem Boden, die übrigen 97 Prozent in Asien.
In großen Teilen des türkischen Volkes sind längst ebenfalls Zweifel aufgekommen, ob ein Beitritt in die EU wünschenswert wäre, eine Umfrage bei den europäischen Bürgern würde ein ähnliches Ergebnis bringen.
Ich bin eine erklärte Gegnerin eines Beitritts der Türkei in die EU, bevorzuge allerdings in diesem Falle wie Frau Merkel eine privilegierte Partnerschaft.

Medea.


eko
eko
Mitglied

Re: Die Türkei, ihr EU-Beitritt und der Fall des Menschenrechtlers Dogan Akhanli
geschrieben von eko
als Antwort auf Medea vom 26.11.2010, 14:25:42
Zitat:

"Ich bin eine erklärte Gegnerin eines Beitritts der Türkei in die EU."


@ medea: Willkommen im Club !

Gerade eben habe ich in meiner TV/Hören und Sehen ein Interview gelesen, das Thorsten Ehrenberg, ein Redakteur dieser Zeitung, mit Peter Scholl-Latour geführt hat. Hier nur eine Frage ausgeschnitten:

Ehrenberg:
Warum sind sie vehement gegen einen Beitritt der Türkei?

Scholl-Latour:
Sie ist erstens kein europäisches Land, von der Kultur her. Sie ist Erbin des riesigen osmanischen Imperiums, und die Türken siedeln bis weit nach Zentralasien hinein. Zweitens wären wir dann unmittelbare Nachbarn Syriens, des Iraks, Irans und des Kaukasus. Und wenn drittens in der EU weiterhin gleiches Recht für alle gelten soll, dann wäre die Türkei auf Grund ihrer Bevölkerungszahl - Platz zwei hinter Deutschland - auf Anhieb eines der mächtigsten Mitglieder.


Wahrscheinlich haben sich die wenigsten Befürworter eines Beitritts jemals über diese Tatsachen Gedanken gemacht. Ich bisher auch nicht unbedingt, aber die Vorstellung, ein solches Land innerhalb der EU zu wissen, war mir schon immer unangenehm. Eine privilegierte Partnerschaft, wie sie die Kanzlerin vorgeschlagen hat: Ja ! Aber keine Vollmitgliedschaft.

e k o

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Mitglied_81b4260
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Re: Die Türkei, ihr EU-Beitritt und der Fall des Menschenrechtlers Dogan Akhanli
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf eko vom 26.11.2010, 14:44:24
Mit der Krise des Euro wird sich diese Fragestellung nicht mehr stellen.
eko
eko
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Re: Die Türkei, ihr EU-Beitritt und der Fall des Menschenrechtlers Dogan Akhanli
geschrieben von eko
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 26.11.2010, 14:48:45
Was das mit der herbeigeredeten "Krise des Euro" zu tun hat, erschließt sich mir nicht.
Karl
Karl
Administrator

Re: Die Türkei, ihr EU-Beitritt und der Fall des Menschenrechtlers Dogan Akhanli
geschrieben von Karl
als Antwort auf Medea vom 26.11.2010, 14:25:42
Ich halte die Mitgliedschaft der Türkei in der EU nicht nur wegen ihrer Wirtschaftskraft für wünschenswert, sondern vor allem aus politisch strategischen Überlegungen heraus. Die Türkei ist trotz aller noch vorhandenen Mängel die am besten funktionierende parlamentarische Demokratie eines mehrheitlich moslemischen Staates. Dies hat eine enorme Bedeutung und auch Vorbildfunktion für andere und könnte ein wichtiger Brückenkopf für Europa in die islamische Welt sein. Bei einer Ablehnung der Vollmitgliedschaft der Türkei befürchte ich, dass die Türkei in Richtung islamischer Fundamentalismus abdriften könnte und nach allem, was ich hier so lese, wünscht sich dies doch niemand von uns. Es wäre enorm wichtig, die Türkei in Europa zu halten und sie eben nicht in ein Bündnis mit Iran, Irak und den arabischen Staaten laufen zu lassen.

Es darf auch nicht übersehen werden, dass die Aussicht auf EU-Mitgliedschaft in der Türkei schon einiges bewegt hat und ich bin dafür, dass die EU Wort hält und die Beitragsverhandlungen offen gestaltet.

Karl

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miriam
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Mitglied

Re: Die Türkei, ihr EU-Beitritt und der Fall des Menschenrechtlers Dogan Akhanli
geschrieben von miriam
als Antwort auf Karl vom 26.11.2010, 14:50:16
Karl - eigentlich tendierte ich immer zu dieser Haltung, die du hier vertrittst.

Was mich aber regelrecht erschrocken hat, ist der von mir beschriebene Fall des Menschenrechtlers Dogan Akhanli - denn es ist sicherlich kein Einzelfall.

Wie es auch sei: die blauäugigen, idealisierenden Auffassungen von früher, bei denen man (ich) von einem vereinten Europa träumte, sind vorbei.
Anstelle treten solche Befürchtungen, wie die unmittelbare Nachbarschaft zu den islamischen Staaten Syrien, Irak und Iran, bzw. die Angst vor einer islamistischen Türkei.

Klammer auf: auch wenn ich nun eine ganz andere Thematik anspreche - die Angst der Deutschen vor dieser "Nachbarschaft", die ja trotzdem keine wäre, vergleiche ich fast unwillkürlich mit dem Unverständnis mancher Deutschen, gegenüber den Ängsten der Israelis, die in ihrem Alltag immer wieder erfahren müssen, was so eine Nachbarschaft im täglichen Leben mit sich oft bringt. Klammer zu.

Miriam
Mitglied_81b4260
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Re: Die Türkei, ihr EU-Beitritt und der Fall des Menschenrechtlers Dogan Akhanli
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf eko vom 26.11.2010, 14:50:05
Wenn es sich dir nicht erschließt, finde ich es sinnlos und zu mühsam, es zu erklären.
eko
eko
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Re: Die Türkei, ihr EU-Beitritt und der Fall des Menschenrechtlers Dogan Akhanli
geschrieben von eko
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 26.11.2010, 15:23:18
Du brauchst mir nichts zu erklären, aber ich sehe nun mal keine "Krise des Euro". Meine Hose ist sauber !
schorsch
schorsch
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Re: Die Türkei, ihr EU-Beitritt und der Fall des Menschenrechtlers Dogan Akhanli
geschrieben von schorsch
als Antwort auf Karl vom 26.11.2010, 14:50:16
Gut wäre, wenn es eine "Mitgliedschaft auf Probe" gäbe.

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