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Internationale Politik Friedensnobelpreis für den chinesischen Menschenrechtler Liu Xiaobo

miriam
miriam
Mitglied

Friedensnobelpreis für den chinesischen Menschenrechtler Liu Xiaobo
geschrieben von miriam
Es ging mir wahrscheinlich genau so, wie den meisten: die Nachricht, dass der chinesische Menschenrechtler Liu Xiaobo für seinen Kampf für die Rechte der Menschen mit dem Friedensnobelpreis 2010 ausgezeichnet wird, hat mich erfreut – seine Inhaftierung bzw. Isolation, ist bei dieser Gelegenheit erneut ins Mittelpunkt der weltweiten Aufmerksamkeit gerückt.

Was aber danach folgte, war für mich persönlich unerwartet – und scheint eine große Brisanz zu haben.
Die Aufforderung Chinas an andere Staaten, an diesem Festakt nicht teilzunehmen, wird in der Tat von anderen Ländern gefolgt.
Wenn man von 16 Staaten vorläufig absieht, die auf die Einladung des Nobelpreiskomitées noch nicht geantwortet haben, sind es doch schon sechs Länder, die ihre Teilnahme abgesagt haben: Russland, Kuba, Marokko Kasachstan, Irak – und natürlich China.

Für mich persönlich verblüffend und unerwartet, war die Absage Russlands.

Dazu sagt Geir Lundesstad, Direktor des Nobel-Preis Institutes:
"Das gab es noch nie, dass die diplomatische Vertretung eines Landes versucht, die Botschafter anderer Länder an der Teilnahme zu hindern."

Es sollte auch noch daran erinnert werden, dass die Frau von Liu Xiaobo, weiterhin unter Hausarrest steht.

Man weiß inzwischen, dass am 10. Dezember, in Abwesenheit des Preisträgers oder eines Familienmitgliedes, die Schauspielerin Liv Ullmann eine Botschaft von Liu Xiaobo verlesen wird.

Was mich so nebenbei noch beschäftigt: angesichts dieser Tatsachen, ist es politisch vertretbar, wenn Staaten wie Deutschland so intensive Handelsbeziehungen mit China weiterhin pflegen?

Miriam
JuergenS
JuergenS
Mitglied

Re: Friedensnobelpreis für den chinesischen Menschenrechtler Liu Xiaobo
geschrieben von JuergenS
Miriam, das ist ein riesiges Thema:

Wie verhalte ich mich Staaten gegenüber, die erfolgreich, groß und stark sind, mit denen man Wirtschaftsbeziehungen unterhält, die aber inhuman sind, auf die man aber nicht verzichten kann..

Die Welt ist kompliziert, ungerecht und ständig vom 3.Weltkrieg bedroht, dem letzten überhaupt.

Um eine Balance zu haben, muß man zwischen allem lavieren.

Dabei kommen viele inkonsequente Zwischenstände zwischen allen Nationen zustande.

Wichtig sind nur Fernziele, die abernur über Steinbrocken, Umwege, Opfer und was weiss ich erreicht werden können.

Das ganze ist so kompliziert, dass ich mich oft scheue, zu all den nicht nachvollziehbaren Zwischenständen als Laie zu äussern.

So geht es mir auch bei diesem Thema wieder, denn die Welt ist bizarr und ich kann den Stein nicht aufheben, der hier aufgehoben werden müßte..............
Karl
Karl
Administrator

Re: Friedensnobelpreis für den chinesischen Menschenrechtler Liu Xiaobo
geschrieben von Karl
als Antwort auf miriam vom 20.11.2010, 13:53:45
Liebe Miriam,

herzlichen Dank, dass Du dieses Verhalten der chinesischen Führung hier thematisierst. China versucht mit seinem wirtschaftlichen Gewicht andere Staaten zu erpressen. Das zeigt, dass als Großmacht China nicht besser sein wird als andere. Ich hoffe sehr, dass sich die meisten Staaten nicht erpressen lassen und sich China langsam mehr öffnet, auch für die Rechte des Einzelnen.

Karl

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JuergenS
JuergenS
Mitglied

Re: Friedensnobelpreis für den chinesischen Menschenrechtler Liu Xiaobo
geschrieben von JuergenS
als Antwort auf miriam vom 20.11.2010, 13:53:45
pecunia non olet.
schorsch
schorsch
Mitglied

Re: Friedensnobelpreis für den chinesischen Menschenrechtler Liu Xiaobo
geschrieben von schorsch
als Antwort auf miriam vom 20.11.2010, 13:53:45
So lange es westliche Unternehmer gibt, die auf Kosten der Gesundheit vieler tausend Chinesen ihren Profit machen, so lange wird es in deren Ländern Politiker geben, die diese Unternehmer unterstützen. Und so lange es Politiker gibt, die solches tun, so lange werden sich die chinesischen Machthaber ins Fäustchen lachen - und - "im Namen des Volkes - manipulieren, foltern und töten können.
miriam
miriam
Mitglied

Re: Friedensnobelpreis für den chinesischen Menschenrechtler Liu Xiaobo
geschrieben von miriam
als Antwort auf Karl vom 20.11.2010, 14:33:02
Danke für Eure Reaktionen, ich hoffe auch, dass hier eine breite Diskussion erfolgen wird, in der ein Versuch stattfinden könnte, manche Aspekte solcher totalitären Systeme zu analysieren.

Vorweg möchte ich ganz klar sagen: ökonomische Interessen sind für mich kein Argument, um sich mit diesen Staaten an einem Tisch zu setzen.
Verhandlungen - ja natürlich: aber nur um die Lage der Verfolgten zu diskutieren - und deutlich dabei Forderungen zu stellen.

In ZEIT ONLINE lese ich unter dem Titel "Freiheit tut weh", folgenden Satz:

Zitat:


"Der Friedensnobelpreis ist zum politischen Werkzeug westlicher Interessen degradiert worden«, hieß es in der KP-Zeitung Global Times. Liu Xiaobo wird ausgezeichnet, um China zu demütigen!
So lässt sich die offizielle Reaktion zusammenfassen"


Zurückkehrend zu meinen eigenen Erinnerungen bzw. Erfahrungen aus einem totalitären Staat, fällt mir wieder diese Paranoia ein, bei der man natürlich von allen Untertanen ständig die Autokritik forderte (wenn möglich vor einem voll belegten Hörsaal – oder einen anderen Platzt für größere Versammlungen), man selber, aber niemals fehlte – und den totalen Durchblick hatte.

Jetzt sind natürlich alle Staaten, außer China, die Bösen – und daraus erfolgt natürlich auch ein Machtgefälle, innerhalb des Landes, wenn möglich auch gegenüber dem Ausland. Es ist also eine Selbstverständlichkeit, dass man den befehlenden (?) Anspruch erhebt, auch andere Staaten mögen der Feier am 10. Dezember fernbleiben.

Liebe Grüße

Miriam

Natürlich ist mein Beitrag nicht nur an Karl gerichtet - es gab aber einige Pannen beim Verfassen meines Beitrags.


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JuergenS
JuergenS
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Re: Friedensnobelpreis für den chinesischen Menschenrechtler Liu Xiaobo
geschrieben von JuergenS
als Antwort auf miriam vom 20.11.2010, 16:55:35
Geld regiert eben die Welt, wir persönlich verhalten uns auch so.
Auf dem PC, auf dem ich gerade rumhacke, steht auf der Rückseite ungeniert:

MADE IN CHINA.

Den geb ich zurück! Natürlich nicht, denn beim ERsatzgerät stünde dasselbe drauf.

Wir kaufen auch viele Waren aus China, ohne es zu wissen.
Haben wir sie noch alle?

Wir sind Teil des Ganzen, und das Ganze ist unser Wirtschaftssystem.
Ein bisserl könnten wir protestieren, wenn wir posten würden gegen China. Aber wo und wie?

Genauso konsequent dürften wir nicht in den Mafia-Staat mit Berlusc nicht reisen, der vielleicht sogar dazu gehört, zumindest profitiert.

Fazit:

China ist nur einer von vielen Diktaturstaaten.
Stockholm und Oslo trauen sich was, Russland ist wachsweich, welch ein glitschiges Pflaster.
miriam
miriam
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Re: Friedensnobelpreis für den chinesischen Menschenrechtler Liu Xiaobo
geschrieben von miriam
als Antwort auf JuergenS vom 20.11.2010, 17:20:01
Danke dir Heigl - ich gebe dir Recht, die Entscheidung wie man sich persönlich verhalten sollte wenn man dies alles berücksichtigt, ist nicht leicht.

Für uns Konsumenten scheint es mir schwer zu erfahren, welche Produkte aus China kommen, denn nicht alle sind diesbezüglich gekennzeichnet.

Was mich betrifft, werde ich meinen minikleinen Boykott durchziehen: keine Produkte aus China mehr.
Natürlich hat das eher die Funktion das eigene Gewissen so zu sagen zu beruhigen, aber auch das zeigt mir wie machtlos wir sind.

Und wenigstens diese Realität, unsere Ohnmacht, möchte ich wahrnehmen.

Gruß von Miriam

sysiphus
sysiphus
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Re: Friedensnobelpreis für den chinesischen Menschenrechtler Liu Xiaobo
geschrieben von sysiphus
Was den Friedensnobelpreis betrift, befinden sich die chinesischen Kommunisten nun in angemessener Gesellschaft. Als 1936 der Friedensnobelpreis an Carl von Ossietzky verliehen worden war, reagierten die Nationalsozialisten so, wie es ihnen jetzt die Kommunisten gleich tun. Es sind eben Brüder im Geiste, Hitler und Hu Jintao.

WIKIPEDIA:

Der damalige preußische Ministerpräsident Hermann Göring drängte Ossietzky persönlich dazu, den Preis nicht anzunehmen. Doch vergeblich, Ossietzkys Antwort lautete:

„Nach längerer Überlegung bin ich zu dem Entschluß gekommen, den mir zugefallenen Friedensnobelpreis anzunehmen. Die mir von dem Vertreter der Geheimen Staatspolizei vorgetragene Anschauung, daß ich mich damit aus der deutschen Volksgemeinschaft ausschließe, vermag ich nicht zu teilen. Der Nobelpreis für den Frieden ist kein Zeichen des innern politischen Kampfes, sondern der Verständigung zwischen den Völkern.“ – Carl von Ossietzky

Die Gestapo lehnte es ab, Ossietzky zur Entgegennahme des Preises nach Oslo reisen zu lassen. Der Diktator Adolf Hitler verfügte anschließend, dass in Zukunft kein Reichsdeutscher mehr einen Nobelpreis annehmen dürfe.

Alle Tyrannen der Welt sind früher oder später, dem Untergang geweiht. - sysiphus...
adam
adam
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Re: Friedensnobelpreis für den chinesischen Menschenrechtler Liu Xiaobo
geschrieben von adam
als Antwort auf miriam vom 20.11.2010, 13:53:45

Pasternak konnte 1958 wegen Druck aus Moskau den Nobelpreis nicht annehmen, 1980 boykottierte der Westen die Olympiade in Moskau und jetzt erpresst China Staaten, die von ihm abhängig sind. Russland benutzt dies, um mit dem Zaunpfahl zu winken, denn dem Kreml gehen die westlichen Ermahnungen, zwecks Menschenrechten, auch auf die Nerven. Der Eklat um Liu Xiaobo ist nichts Neues und wird schnell vergessen sein. Wirtschaftliche Beziehungen sind wichtiger als ein Mann im Gefängnis. Für die Bundesrepublik bedeutet der Export nach China Arbeitsplätze, Steuern und damit u.a. Renten.

Aber vielleicht hat der Westen in den vergangenen Jahren gelernt, daß über öffentliches Brüskieren von totalitären Regierungen oder gar mit Anwendung von Gewalt weder Demokratisierungen in Ländern, noch wirtschaftliche Interessen verteidigt oder erhalten werden können. Die Brüskierungen sind kontraproduktiv und die Gewalt zu teuer.

China ist nur über die Wirtschaft beizukommen. Bei Importen aus China muß auf Qualität geachtet und Wirtschaftshilfen müssen eingestellt werden. Der Westen muß seine Bemühungen in Afrika als Konkurrent gegenüber China verstärken und kann auch im mittleren Osten noch als verlässlicher Partner auftreten. Letztendlich tut sich China längerfristig keinen Gefallen damit, ein Vasallenimperium ala Sowjetunion aufzubauen. Erpressung ist keine Empfehlung für Freundschaft und Verlässlichkeit.

Das sollte auch die deutsche Wirtschaft erkennen und sich überlegen, ob es die Dumpinglöhne auf dem chinesischen Sklavenmarkt wert sind, sich einem totalitären System in einem Staat von der Größe Chinas preiszugeben.

--

adam



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