Internationale Politik Gender-neutrale Erziehung?

In Schweden ist Vorschulerziehung vom Kleinkindalter an nicht gerade verpflichtend, aber üblich, und im Curriculum staatlich geführter Vorschulen wird Lehrern die Rolle eines 'Sozialingenieurs' nahegelegt, in der sie "traditionellen Geschlechtsrollen und Geschlechtsmustern entgegenwirken" sollen. Spiele werden so organisiert, dass die Kinder immer gemischte Gruppen bilden, es werden nicht 'Mädchen' und 'Jungen' angesprochen, sondern 'Freunde' oder 'Kinder', selbst die Begriffe 'er' und 'sie' werden seit 2012 durch das genderneutrale Kunstwort 'hen' ersetzt, das inzwischen auch Platz in der schwedischen Alltagssprache gefunden hat.

Ein Ergebnis ist etwa, dass die Kinder Freunde nicht mehr primär unter gleichgeschlechtlichen suchen und dass sie weniger zu Geschlechtsstereotypen neigen, allerdings auch keine Tendenz zeigen, Geschlechtsunterschiede nicht wahrzunehmen. Speziell Mädchen lernen scheint's damit eher sich durchzusetzen. Das Experiment startete 1996, die ersten betroffenen Kinder sind inzwischen über 20, haben selbst Kinder und geben das System auch in der Familie weiter.

Konservative haben manchmal protestiert und die 'liberale Gehirnwäsche' beklagt, die rechtsstehenden 'Schwedendemokraten' haben versprochen eine Erziehung abzuschaffen "die alle Kinder sowie Verhalten und Gender-Identität junger Leute zu verändern sucht", aber dieses Modell genießt die Unterstützung der Großparteien.

Ich persönlich bin nicht ganz sicher was ich davon halten soll - das Ziel scheint mir ja gut, die Umsetzung aber doch einigermaßen brachial...

() qilin
 

Hallo Quilin,

darf ich dich fragen, was daran du als brachial empfindest?

Liebe Grüße
Andrea

Nun ja, für mich ist eine Anweisung 'von oben', dass eine Sache 'so und nicht anders' zu handhaben sei, immer zu hinterfragen - außer es stünde völlig zweifelsfrei fest, dass diese Handlungsweise die einzig richtige, und jede Abweichung davon ebenso zweifellos schädlich wäre. Das ist aber IMO hier nicht der Fall, es sind verschiedene (nicht verifizierbare) Sichtweisen, vergleichbar verschiedenen Religionen...

() qilin
 

Hallo Qilin,

mir gefällt die Idee.
Es ist bekannt, dass Mädchen und Jungen unterschiedlich behandelt werden. Meist ist es so, dass Kinder sich so verhalten, wie es von ihnen erwartet wird. Geschieht das, werden sie eher gelobt/belohnt, als wenn sie diesen Erwartungen nicht entsprechen. Den Kindern wird also vermittelt, dass sie nicht so sein können, wie sie sind, sondern so, wie die Gesellschaft es von ihnen erwartet.

Werden die Kinder geschlechtsneutral erzogen, werden sie sich eher so entwickeln, wie es ihnen entspricht und sie bekommen vermutlich die gleichen Chancen - Mädchen wie Jungen. Es geht um Gleichwertigkeit und Toleranz und nicht um Gleichmacherei.
Das Konzept ist in auch Schweden umstritten, wo die Gleichstellung der Geschlechter weiter fortgeschritten ist als in Deutschland, so dass ich vermute, dass sich diese Idee hier kaum verwirklichen lassen wird - jedenfalls bis auf Weiteres.

Gruß Mane
 

 

Hallo qilin,
ich habe zum Thema einen Artikel für Dich, der Dich sicher interessieren wird. Schau mal bitte hier
Dieser Artikel betrachtet diese Gendergeschichte so ziemlich neutral. Viel Spaß beim lesen.
LG Pucette
P.S. mir fällt zum Thema Schweden und Frauenrechte noch eines ein. Prostituierten werden in Schweden fast immer ihre Kinder weggenommen. Egal aus welchem Grund sie anschaffen gehen.

Ja, das sehe ich ebenso, und die Ergebnisse scheinen die Methode ja auch zu bestätigen  - wo ich eher im Zweifel bin ist, ob man eine eben doch umstrittene Sache mit Mitteln wie der gezielten Änderung der Alltagssprache 'pushen' sollte...

() qilin

Ja, der Artikel ist interessant, aber bei dieser Genderfrage geh es eben um  mehr als Chancengleichheit.

Die Sache mit den Prostituierten und ihren Kindern ist mir bekannt - also da verstehe ich die 'Logik' dahinter überhaupt nicht - die Grundlage der Methode ist doch, die Freier zu bestrafen; hier werden aber die, nach dieser Annahme grundsätzlich ausgenützten, Frauen noch zusätzlich bestraft...

() qilin

Ich nehme an, hier geht es in erster Linie um die Kinder, die geschützt werden sollen.
Mane

Hallo,
 

Nun ja, für mich ist eine Anweisung 'von oben', dass eine Sache 'so und nicht anders' zu handhaben sei, immer zu hinterfragen
 

nun ja, aber das hat man doch bei "Lehrplänen" und sowas eigentlich immer.

Gut, bei uns gibts für Kindergartenkinder kein Lehrpläne, aber bei unseren Nachbarn im Westen wird ja nun beispielsweise die Schulpflicht ab 3 eingeführt, das ist doch auch etwas das "Kindergartenkinder" betrifft und "von oben" angewiesen wird.

Ich finde es seltsam dass die Sprache dort geändert wird, aber ich mutmasse, dass man sich daran gewöhnen kann. Und ich habe in der letzten Zeit auch häufiger über die Geschlechter in der deutschen Sprache nachgedacht... das ist teilweise ganz schön entlarvend.

Liebe Grüße
Andrea

Welches Fehlverhalten der Kinder untereinander lag in Schweden eigentlich vor, dass man sie auf diese Weise umerziehen muss?