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Internationale Politik Hilfe für den Maghreb - Was darf der Westen fordern und tun?

adam
adam
Mitglied

Hilfe für den Maghreb - Was darf der Westen fordern und tun?
geschrieben von adam
Die von Aufständen geschüttelten Maghrebstaaten brauchen Hilfe und der Westen tut sich schwer. Wer kommt an die Macht? Darf der demokratische Westen fordern, daß demokratische Strukturen für und mit seiner Hilfe geschaffen werden?

Wie kann die Hilfe aussehen? Wo kann sie anfangen?

Auf dem Balkan wurde aus humanitären Gründen sogar militärisch eingegriffen, um das ethnische Morden zu verhindern. Kann, darf, muß der Westen den Despoten des Maghreb auch mit Gewalt drohen, wenn sie mit dem Militär gegen die eigene Bevölkerung vorgehen?

Selbstverständlich geht es dabei auch um das Öl. Der Westen braucht den Rohstoff und die Völker der rohstoffreichen Länder brauchen den Handel damit, um in ihren kommenden Staaten ein menschenwürdiges Leben mit demokratischen Strukturen möglich zu machen. Was darf der Westen fordern und tun?

--

adam

Marija
Marija
Mitglied

Re: Hilfe für den Maghreb - Was darf der Westen fordern und tun?
geschrieben von Marija
als Antwort auf adam vom 22.02.2011, 09:14:11
Deine akademische Frage, was der Westen fordern und tun kann, ist sehr schwierig.
Ich bin ratlos.

Ich weiß nur eines, wir werden Probleme bekommen , die Ölkosten werden gigantisch steigen.

Möglicherweise entsteht daraus Handlungsaktionismus.
Und ich erkenne noch etwas :
Im Moment brennt der Maghreb, die Folgen sind sehr gefährlich.
Aber unsere Gedanken werden mit "Plagiaten" gebunden. Zufall?

Marija
luchs35
luchs35
Mitglied

Re: Hilfe für den Maghreb - Was darf der Westen fordern und tun?
geschrieben von luchs35
als Antwort auf adam vom 22.02.2011, 09:14:11
"Was darf der Westen fordern oder tun?" fragst du, Adam.
Nichts! Dazu ist es längst zu spät!

Die arabischen Völker stehen auf, nachdem sie mit und durch den Westen um die Ausbeute ihrer Landesressourcen betrogen wurden. Wir hielten die Augen fest verschlossen, dass in diesen Ländern, die über einen immensen Reichtum von Bodenschätzen, vor allem Erdöl verfügen, die grösste Armut der Bevölkerung herrscht, während sich ihre vom Westen hofierten "Oberhäupter" mit Akzeptanz des Westens die Taschen im Übermaß vollgestopft haben.

Der Westen wird ohnedies erst eingreifen, wenn Gefahr besteht, dass die Ölquellen verstopft werden. Wir werden es alle zu spüren bekommen - nicht nur, weil der Benzinpreis an den Zapfsäulen steigt, es wird sich preismäßig auf alle Lebensgüter auswirken, weil wir am Zapfhahn dieser Länder hängen.

Das arabische Volk, nicht nur die Libyer, misstraut dem Westen zu Recht. Ein Eingreifen von aussen würde zu einem noch viel größerem Blutvergießen führen als es jetzt schon der Fall ist.

So trostlos der Gedanke auch sein mag, aber da müssen die aufständischen arabischen Völker alleine durch.

Nur ermutigende Zeichen von außen werden sie stützen und unterstützen können. Aber da herrscht wie bei dem schon beim Ägyptenaufstand erlebten Beistand "Ruhe an der Front"!

Luchs





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adam
adam
Mitglied

Re: Hilfe für den Maghreb - Was darf der Westen fordern und tun?
geschrieben von adam
als Antwort auf luchs35 vom 22.02.2011, 09:55:11
So trostlos der Gedanke auch sein mag, aber da müssen die aufständischen arabischen Völker alleine durch.


Luchs,

gerade die Trostlosigkeit des von Dir genannten Gedankens hat mich bewogen, diesen Thread zu eröffnen. Macht der Westen die Fehler, die er in den vergangenen hundert Jahren gemacht hat, jetzt schon wieder?

Natürlich war es bequem (wenn auch riskant und kontraproduktiv, wie sich jetzt herausstellt), mit Despoten Geschäfte zu machen, aber die Bequemlichkeit resultierte auch aus dem Grundsatz des Selbstbestimmungsrechts der Völker und der Nichteinmischung. Das hat sich als verhängnisvoll und falsch für alle Beteiligten bewiesen.

Meine Frage: Müssen sich Staaten, deren Bürger sich (in Grenzen) selbst bestimmen, nicht erst einmal in innere Belange von diktatorischen Staaten einmischen, damit deren Völker überhaupt eine Chance der Selbstbestimmung bekommen?

Rein materiell gesehen, wäre es die letzten hundert Jahre nicht teuerer gekommen, zuerst die Ideale der Selbstbestimmung zu verwirklichen. Unter dem Strich hätte es idealen und materiellen Gewinn für alle bedeutet. Liegt darin nicht die Pflicht begründet, die Freiheit und Würde des Menschen zuerst zu berücksichtigen? Und liegt darin folglich nicht ebenfalls die Berechtigung, sie auch aggressiv zu verbreiten?

--

adam



schorsch
schorsch
Mitglied

Re: Hilfe für den Maghreb - Was darf der Westen fordern und tun?
geschrieben von schorsch
als Antwort auf adam vom 22.02.2011, 09:14:11
Fordern kann und darf er: Wer mit uns Handel treiben und diplomatische Beziehungen haben will, der muss sich verpflichten, international gültige Standards von Recht - insbesondere Menschenrechte - einzuhalten.

Tun kann er: Wer sich international gültigen Regeln nicht unterstellen will, wird von uns aus seinen Ämtern entfernt.
luchs35
luchs35
Mitglied

Re: Hilfe für den Maghreb - Was darf der Westen fordern und tun?
geschrieben von luchs35
als Antwort auf adam vom 22.02.2011, 10:43:37
Meine Frage: Müssen sich Staaten, deren Bürger sich (in Grenzen) selbst bestimmen, nicht erst einmal in innere Belange von diktatorischen Staaten einmischen, damit deren Völker überhaupt eine Chance der Selbstbestimmung bekommen?
geschrieben von Adam


Wie denn, Adam? Der Zug ist längst abgefahren.
Diese Menschen, deren Unterdrücker /Despoten von den meisten westlichen Regierungen gebauchpinselt wurden, die Freunde genannt wurden, denen man zu Füßen lag, wenn es um Öl oder andere Bodenschätze ging - sollten die nun plötzlich von diesen Menschen, die tapfer ihr eigenes Leben für ihre Befreiung von dieser Tyrannenbrut riskieren, als Helfer anerkannt werden - und die dann am Ende des Aufstandes (so oder so) wiederum ihre ihnen genehmen Leute einsetzen, die das Profit- Spiel weiterspielen?

Klar ist in dieser Sache nur, dass einer den andern braucht. Die einen brauchen das Öl, um es zu verkaufen, die andern, um ihren Lebensstandard zu erhalten. Die Krux ist nur, dass bei diesem an sich normalen Handel sich nur die diktatorischen Oberhäupter bereichert haben - die westlichen "Mithändler" haben es akzeptiert.

Denn wie kann es sein, dass diese arabischen Völker mit ihrem unermesslichen Reichtum an Bodenschätzen ein derat armseliges, völlig fremdbestimmtes Leben führen müssen?

Mit meinem Herzen bin ich ganz bei den Aufständischen, aber ich sehe mit Bangen der Reaktion des Westens entgegen und hoffe nur, dass Vernunft und Ermutigung ohne direktes Einschreiten walten möge.

Luchs

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adam
adam
Mitglied

Re: Hilfe für den Maghreb - Was darf der Westen fordern und tun?
geschrieben von adam
als Antwort auf luchs35 vom 22.02.2011, 11:12:29

Luchs,

es müßte ja kein direktes Eingreifen sein, manchmal hilft schon die Drohung.

Also: Wieder nichts tun, außer Lippenbekenntnissen? Sich wieder mit Gegebenheiten abfinden, mit ihnen leben, sprechen, handeln und sie sich in einigen Jahrzehnten wieder vorwerfen lassen?

Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass? Darauf laufen jetzt alle Vorwürfe hinaus, die mit keinerlei Vorschlägen verbunden sind.

--

adam
olga64
olga64
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Re: Hilfe für den Maghreb - Was darf der Westen fordern und tun?
geschrieben von olga64
als Antwort auf luchs35 vom 22.02.2011, 11:12:29

Mit meinem Herzen bin ich ganz bei den Aufständischen, aber ich sehe mit Bangen der Reaktion des Westens entgegen und hoffe nur, dass Vernunft und Ermutigung ohne direktes Einschreiten walten möge. Luchs[/

Ich sehe mit bangem Herzen den Flüchtlingsströmen aus diesen Ländern zu uns entgegen und dem Kippen der Stimmung im Volk, die ja jetzt noch Bravo zu den Revolutionen ruft. Dies wird sich schnell ändern, wenn diese nordafrikanischen Menschen bei uns einwandern wollen und der Ölpreis so rapide steigt, dass der deutsche Bürger Probleme hat, seine Fahrtkosten damit zu finanzieren. Olga
carlos1
carlos1
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Re: Hilfe für den Maghreb - Was darf der Westen fordern und tun?
geschrieben von carlos1
als Antwort auf adam vom 22.02.2011, 09:14:11
"Was darf der Westen fordern und tun?" adam

Das internationale System der außenpolitischen Beziehungen beruht auf der Existenz von Staaten. Alle Mitglieder der Vereinten Nationen verpflichteten sich die territoriale Integrität, Souveränität und Unabhängigkeit der anderen Staaten anzuerkennen. Das ist die Grundlage der internationalen Beziehungen und des Friedens.

Eine humanitäre Intervention bedeutet die Einmischung in die inneren Angelegenheten anderer Staaten, so unverständlich dies zunächst auch sein mag. Drohungen oder eine Intervention zugunsten unruhiger Massen auf den Straßen irgendeines benachbarten Mittelmeranrainerstaates wäre nicht zu rechtfertigen.

Bemängelt werden muss das Fehlen eines "grand design" der amerikanischen und europäischen Politik. Darunter ist das Vorausdenken und und Vorausplanen für mögliche Fälle gemeint und das Setzen von Prioritäten. Obama ist von den Ereignissen in Ägypten überrascht worden. Es besteht der Eindruck, dass die amerikanische Politikt mit solchen Ereignissen nicht gerechnet hat. Das ist nicht allein Schuld Obamas. Jeder Präsident der USA verfügt über einen Stab von Sicherheitsberatern. Diese haben mögliche Ereignisse vorauszuplanen und Vorschläge zu machen, Prioritäten zu setzen. Bemerkenswert der Kommentar in Newsweek in dieser Woche. Für Ägypten war kein Szenario vorausgesehen worden, das einen Sturz Mubaraks durch eine Volksbewegung als Szenario vorsah.

Zweimal wird in Newsweek auf einen bedeutenden Außenpolitiker verwiesen: Bismarck. Dieser hatte im Hinblick auf die Gestaltung der Außenpolitik gesagt: Der Politiker gestaltet die Ereignisse nicht, er findet sie plötzlich vor. Alles, was er zu tun hat ist, dass er sich nicht überraschen lässt, sondern den Saum des Mantels Gottes in der Geschichte, der an ihm vorbeistreift ergreift. Mit "ergreifen" meinte Bismarck, dass der verantwortliche Politiker sich an die Spitze der Ereignisse setzen muss. Genau das hat er im 19. Jhd in der deutschen Frage praktiziert. Der konservative Junker hat offen und dezidiert die Ziele der deutschen Nationalbewegung übernommen. Zu Beginn des Krieges gegen Österreich erklärte er, dass es keine Niederlage geben werde. Für den Fall der Fälle werde er den "Acheron" in Bewegung setzen, d. h. er werde offen zur Revolution aufrufen.

Obama hat die jungen Facebookrevoluzzer in Kairos Straßen enttäuscht. Ebenso hat er die Militärs enttäuscht, weil er keine Prioritäten gesetzt hat. Europa hat niemand enttäuscht, weil man nichts erwarten kann, außer den Bekentnissen zu demokratischen Idealen. Bismarck hatte begriffen, dass der demokratische Gedanke systemsprengend wirkt. Demokratie ist eine revolutionäre Idee. Das verstehen Demokraten heute nicht.

Der Ölpreis steigt und wird möglicherweise weiter steigen. Er wird auch wieder sinken. Aber es ist ausgeschlossen, dass die Olstaaten ihr Öl allein selber verbrauchen wollen. Sie müssen verkaufen, weil sie Geld brauchen. So wie die Industriestaaten das Öl benötigen. Es kann die Weltwirtschaft in schwere Turbulenzen stürzen. Wir sehen nur unsere eigenen vergleichweise geringen Probleme (Hartz, Plagiate bei Dissertation eines Poltikers, nicht die Notwendigkeiten in den südeuropäischen Ländern und schon gar nicht die Not in den Maghrebstaaten. Unsere Chancen nehmen wir nicht wahr.







adam
adam
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Re: Hilfe für den Maghreb - Was darf der Westen fordern und tun?
geschrieben von adam
als Antwort auf carlos1 vom 22.02.2011, 22:52:58
Obama hat die jungen Facebookrevoluzzer in Kairos Straßen enttäuscht. Ebenso hat er die Militärs enttäuscht, weil er keine Prioritäten gesetzt hat. Europa hat niemand enttäuscht, weil man nichts erwarten kann, außer den Bekentnissen zu demokratischen Idealen. Bismarck hatte begriffen, dass der demokratische Gedanke systemsprengend wirkt. Demokratie ist eine revolutionäre Idee. Das verstehen Demokraten heute nicht.
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Wir sehen nur unsere eigenen vergleichweise geringen Probleme (Hartz, Plagiate bei Dissertation eines Poltikers, nicht die Notwendigkeiten in den südeuropäischen Ländern und schon gar nicht die Not in den Maghrebstaaten. Unsere Chancen nehmen wir nicht wahr.


Carlos,

daß Demokratie eine revolutionäre Idee ist, sollte man annehmen, wenn man die heutige Form des Rechtsstaates aus der Ansicht von Bismarcks Zeiten betrachtet. Ich sehe die Demokratie als die ursprüngliche, ethische Daseinsform des Menschen an und sie beginnt für mich nicht erst dort, wo die Gesetze des Rechtsstaates greifen. Diese Gesetze sind sinnvoll gegen die, die Demokratie nicht begriffen haben und immer nach dem Staat rufen, wenn sie nicht zurecht kommen oder zur Ordnung gerufen werden müssen, wenn sie ihr Leben als egomanisches Recht begreifen.

Aus meiner Sicht muß Demokratie auch Aggressivität beinhalten, mit der sie sich nicht nur verteidigen kann, sondern sich auch dort einsetzt, wo sie Menschen agressiv vorenthalten wird. Demokratie bringt keine Rechte zu Menschen, sondern sie schafft dort Unrecht ab, wo sie nicht gilt.

Ich möchte hier keine pathetischen Reden schwingen, sondern gleich Bezug nehmen auf die Realität am Beispiel Libyens. Als agressiver Demokrat möchte ich mich mit den Demonstranten in Libyen solidarisieren. Da ich weiß, daß die Luftwaffe dort von Gaddafis Stamm beherrscht und gegen die Demonstranten eingesetzt wird, möchte ich daß sie daran gehindert wird, indem ihrer Gewalt Gegengewalt angedroht wird. Das rettet nicht nur Menschenleben, sondern hilft den Demonstranten, gegen das Unrecht anzugehen, das ihnen angetan wird. Das ist echte Hilfe zur Selbsthilfe für Menschen, die diese Hilfe nicht nur brauchen können, sondern fordern und auch annehmen werden.

Daran hindern mich undemokratische Vereinbarungen mit undemokratischen Staaten, die die Gaddafis dieser Welt stützen. Kompakt ausgedrückt: Ich pfeife auf die Uno, mitsamt allen verlogenen Unterschriften, denn ich will keinen Krieg führen, sondern Massaker verhindern und das kurzfristig, um es Menschen zu ermöglichen, in ihrem Land die Ordnung herzustellen, die sie haben möchten. So nehmen wir auch unsere Chancen wahr und das ganz legal, mit ethischen Ansprüchen.

--

adam



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