Internationale Politik Kosovo, der neue Krisenherd?

dunkelgraf
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Re: Es könnte ein europäischer Krisenherd werden ...
geschrieben von dunkelgraf
als Antwort auf hafel vom 22.02.2008, 00:34:35
Ein sehr merkwürdiges Resümee. Es waren mal wieder NUR die Amerikaner an allem schuld.

Nöö, in diesem Fall waren es nicht nur die Amerikaner. Die Deutschen haben einen gehörigen Teil der Mitschuld. Ich kann mich noch erinnern, wie die Außenpolitik der BRD unter GEnscher damals betrieben wurde. Man setzte den Keil zwischen die einzelnen Teilrepubliken, unterstützte jede nationale Separationsbewegung, um möglich viele schwache Teilrepubliken zu bilden, die irgendwann an die Deutschland-dominierte EU zu binden. Die Reaktion Serbiens war eine Reaktion auf die Teilungsbestrebungen, die dann zu diesem Bürgerkrieg führte.
Gerade Deutschland, das in der Geschichte soviel Leid in Jugaslawien hervorgerufen hatte, hätte sich aus der Zerschlagung des Vielvölkerstaates heraushalten sollen.
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dunkelgraf
niederrhein
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Nur ein paar kleine Richtigstellungen ....
geschrieben von niederrhein
als Antwort auf hafel vom 22.02.2008, 00:34:35
Nur ein paar kleine Richtigstellungen ....

Es fällt mir natürlich schwer, einer so profunden Reaktion und Darstellung etwas gegenüberzustellen; dennoch ein paar Zeilen dazu ...


Ist Dir vollkommen entgangen, dass kurz vor Kriegsausgang ein unerträgliches Gemetzel war, dass durch ethnische Säuberungen Massen von Menschen vertrieben und abgeschlachtet worden


Geschrieben wurde: Der Konflikt zwischen den Menschen dort auf dem Balkan ist eine historische und aktuelle Realität. Was man vor Ort hier kaum erkennen und beurteilen kann: Das Verhältnis der dort lebenden Menschen untereinander; sei es aufgrund ihrer Herkunft, ihrer Sprache, ihrer Religion und ihres politischen, historischen und weltanschaulichen Selbstverständnis.
(Mit keinem Wort wurde etwa ein „unerträgliches Gemetzel“, eben der Konflikt zwischen den dort lebenden Menschen ignoriert.)

Aber dazu:
Zwischen dem, was konkret geschehen ist, und dem, was die Propaganda verbreitete, dürfte eine gewisse Diskrepanz bestehen.
Seit jeher dienten Greuelschilderungen, die eben keiner nachprüfen kann, als beliebte Begründung für Kriege. Das fängt u.a. mit der Kreuzzugspredigt von Papst Urban an, in der u.a. von den obszönen und blasphemischen Greueltaten, die man den Muslimen dort andichtete (später berichten christliche Autoren von dem Blutgemetzel, daß die Kreuzzugsritter nach der Einnahme von Jerusalem dort angerichtet hatten) ... das zieht sich gleichsam ouvertürenhaft durch alle Kriege.
Bei Beginn und beim Verlauf des Ersten Weltkriegs versuchte man dies durch [gefälschte] Bilder zu veranschaulichen ... über den Vietnamkrieg (in bzw. mit dem nach us-amerikanischer und nachgeplapperter bundesdeutscher Aussage Friede, Freiheit und Demokratie in Südvietnam verteidigt werden sollten, die bis zu diesem Zeitpunkt ausgerechnet in Südvietnam nie existiert hatten) etwa hin bis zum ersten Irakkrieg, den der us-amerikanische Autor John R. MacArthur als „Die Schlacht der Lügen“ entlarvte.
Ein besonders perfides Detail ist mir noch in Erinnerung: Man unterstellte den irakischen Soldaten, daß sie die Brutkästen aus den kuweitischen (Kinder)Krankenhäusern geklaut hätten und die Kinder hätten sterben lassen. Später stellte sich eben heraus, daß dies eine infame Lüge der us-amerikanischen Propaganda war.
Selbst politisch un-bedarften und naiven Menschen dürfte inzwischen bewußt sein, die angegebenen Gründe für den zweiten Irakkrieg sich als Lügen erwiesen haben.

Wie kommt man nun dazu, die (nicht nur) us-amerikanische Darstellung vom Geschehen damals in Kosovo als bare Münze zu nehmen? Jeder halbwegs intelligente Zeitgenosse müßte an diesen offiziellen Darstellungen doch einen leisen Zweifel haben ... vor allem dann, wenn jemand die politischen Zusammenhänge und Interessen wenigstens ansatzweise erkannt und begriffen hat!
Vielleicht kommt jemand darauf, daß dieser zweifelsohne existierende Konflikt zwischen den verschiedenen Gruppen u.U. geschürt und manipuliert, auf jeden Fall dann aber in Sinne einer bestimmten Politik instrumentalisiert worden ist. Allein die Rolle der UCK ... ich Naiverl damals, vor dem Sonderparteitag der Grünen in Bielefeld, habe geglaubt, es handele sich um tapfer-heroische Freiheitskämpfer ... aber dann habe ich immerhin auf diesem Parteitag mitbekommen (leider damals mit dem Votum des Kreisverbandes – nach heutiger Erkenntnis – falsch abgestimmt), wie wir, die Delegierten, von Joschka Fischer eingewickelt und manipuliert worden sind.
Von jenem Joschka Fischer, über den Michael Schwelien – unwidersprochen und nicht von Joschka Fischer dementiert! – schreibt, daß dieser damals von Schröder vor die Alternative gestellt wurde, entweder bei diesem Krieg mitzumachen oder eben auf das Amt als Außenminister, das Fischer unbedingt wollte, zu verzichten. (Schwelien, Michael: Joschka Fischer. Eine Karriere. Hamburg 2000; hier ist das Kapitel „Kriegstreiber“ (Wie Fischer in den Kosovo-Krieg schlitterte; S. 91 ff.) bezüglich der Haltung, aber auch (Nicht)Möglichkeiten der noch nicht einmal installierten rot-grünen Regierung gegenüber den USA sehr interessant und aufschlußreich.)


Es waren mal wieder NUR die Amerikaner an allem schuld.

Wo – in meinem Text – war von dieser Platitüde und von diesem simplen stammtisch-moralischen Verdikt die Rede? Nur Menschen mit dem etwas schlichten Nachkriegsweltbild „Westen = gut, Osten [lies: Sowjetunion/Kommunisten] böse“ ... plappern, sabbern und labern solche Plattheiten vor sich her, wozu ich mich leider – mea culpa, mea culpa, mea maxima culpa – bis 1967 bekennen muß.
Sowohl aufgrund meiner persönlichen Biographie als auch aufgrund meiner politischen Unbedarftheit und bildungsbourgeoisen bzw. klösterlich-schulischen Erziehung hatte ich bis zu jenem Jahr an diese dumme Dichotomie der Welt und Weltanschauungen geglaubt.
Bis mir allerdings und allmählich ein Licht aufging ... wie etwa antisemitisch die USA vor dem Zweiten und während des Zweiten Weltkrieges waren (im trauten Verein mit manchen anderen europäischen Staaten), wie es ihnen kaum bzw. eben nicht vorrangig um die Befreiung der KZ-Häftlinge ging, sondern bereits 1944, vor allem 1945 um die Auseinandersetzung mit der Sowjetunion und wie auf einmal die USA, nachdem die Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki „geglückt“ waren, der Sowjetunion etwa auf der Potsdamer Konferenz ganz anders behandelte.
(Militärisch-strategisch waren diese Atombombenabwürfe gegenüber den Japanern nicht notwendig, sondern sie dienten der politischen und militärischen Machtdemonstration gegenüber der Sowjetunion.)

Daß das/ein militärisches Hauptinteresse der USA war, an die berühmten technischen Blaupausen, an den hochentwickelten (militär)technischen Produktionsapparat der Deutschen zu kommen, dessen Exponenten sie, trotz NS- oder SS-Zugehörigkeit, problemlos übernahmen ... (Ich hatte ebenfalls früher hier bei einer anderen Beitragskette auf etliche wissenschaftliche Publikationen zur us-amerikanischen Außenpolitik, u.a. auf Werke von Ernst-Otto Czempiel, der als der Experte für die us-amerikanische Außenpolitik gilt; wenigstens eine seriöse Darstellung sollte man gelesen und verstanden haben, bevor man sich zu einem solchen Thema äußert.)

Es wurde hier schon an anderer Stelle auf die Kriege und militärischen Konflikte hingewiesen, die die USA seit 1945 führten, initiierten oder an denen sie maßgeblich (als Verursacher) beteiligt waren. Von den zahlreichen Kooperationen, Duldungen und/oder Förderungen undemokratischer Regime gar nicht zu reden ... last but not least: Saddam Hussein und die Taliban.

Mir fiele nun weiß Gott nicht diese Platitüde ein und – das möchte ich noch einmal explizit konstatieren! – das wurde auch nicht von mir geschrieben, die „Amerikaner [wenn schon, dann präzise: die jeweilige us-amerikanische Regierung] seien am allem (woran eigentlich „konkret“?) schuld“. Bloß tue ich mich schwer, mit einer gleichsam etwas dümmlich-naiven Haltung alles so hinzunehmen, wie es Regierungen, Politiker, politische Interessenvertreter und die abhängigen Medien einer dumm-gläubigen Masse so schlagzeilen-mäßig vorkauen. Das hieße ja u.a., nichts aus den letzten fünfzig Jahren gelernt zu haben.

Für mich ein saudummes Geschnacke: "es hätten die Menschen da regeln müssen". Deren Regelung waren Massengräber.

Wurde oberflächlich gelesen, etwas nicht verstanden ...? Es wurde als Postscriptum geschrieben:
Es geht mir nicht um eine persönliche politische Stellungnahme zu der "Staatsgründung" - etwa im Sinne pro/contra Kosovo-Albanern/Serben (das hätten allenfalls die Menschen dort untereinander regeln müssen)
Es geht um folgendes: Anstatt einer Einmischung von außen (mit einem mehr oder weniger us-amerikanischen Diktat unter dem ausschließlichen Aspekt der us-amerikanischen Interessen) eine Regulierung der Interessen aller Menschen dort; dies gegebenenfalls mit der sicherheitspolitischen Flankierung durch eine UN-Truppe. (Den Sinn oder Unsinn einer Staatsgründung lassen wir zunächst einmal außer acht.)

Die Bertha
vom Niederrhein


P.S. Prophylaktisch der Hinweis: Es geht nicht um die ehemalige Sowjetunion oder um das jetzige Rußland und/oder um ein Ausspielen und/oder Abwägen oder so dieser beiden Großmächte ... etc. etc.


mart
mart
Mitglied

Re: Nur ein paar kleine Richtigstellungen ....
geschrieben von mart
als Antwort auf niederrhein vom 22.02.2008, 14:00:18
Das dürfte der sinnvollste Satz sein, den ich je gelesen habe:

Zwischen dem, was konkret geschehen ist und geschieht, und dem, was die Propaganda jeder Seite verbreitete und verbreitet, dürfte eine gewisse Diskrepanz bestehen.


Nicht jeder, der anderen das Plappern, Sabbern und Labern von Plattheiten vorwirft, ist deswegen schon per se vor dieser Untugend gefeit.

Da kann es schon zu solchen Plattidüden kommen:

Es kristallisiert sich sehr schnell heraus (so auch u.a. die Neue Zürcher Zeitung(!)), daß es ausschließlich um die Interessen der USA geht: geopolitische, militärstrategische, energiepolitische (!) (1) und machtpolitische Interessen. (niederrhein)


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hafel
hafel
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Re: Nur ein paar kleine Richtigstellungen ....
geschrieben von hafel
als Antwort auf niederrhein vom 22.02.2008, 14:00:18
Ich hatte es mir fast gedacht, dass Du( unübersichtlich und Seitenweise) auf alle Kreuritter eingehst, nur nicht auf meine Bemerkungen. Deine Ausführungen zum ersten Weltkrieg etc. und sonstige "Historien" sollen vermutlich nur vom eigentlichen Thema ablenken.
Es war nun mal so, dass das gegenseitige Abschlachten im Kosovo ein militärisches Eingreifen notwendig gemacht hat. Ich schreibe das OHNE Parteinahme, im Gegensatz zu Dir, die immer die Angelegenheit "Linkslastig" sieht.
--
hafel
niederrhein
niederrhein
Mitglied

Nur ein winzigkleiner Lesefehler ..
geschrieben von niederrhein
als Antwort auf mart vom 22.02.2008, 14:09:49
Nur ein winzig kleiner Lesefehler ...

[...] Nicht jeder, der anderen das Plappern, Sabbern und Labern von Plattheiten vorwirft, ist deswegen schon per se vor dieser Untugend gefeit. mart
geschrieben von mart


Ich habe mich dessen selbst bezichtigt ...


Die Bertha
vom Niederrhein
mart
mart
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Re: Nur ein winzigkleiner Lesefehler ..
geschrieben von mart
als Antwort auf niederrhein vom 22.02.2008, 14:23:57
Ich habe einen Sensus für Selbstironie; allerdings ist deine entweder zu subtil oder andererseits derartig dick und marktschreierisch aufgetragen, daß meine grobstofflichere Natur nicht immer mitkommt.

Bis auf das, daß sie, die Selbstironie, für mich unehrlich rüberkommt.

--
mart

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niederrhein
niederrhein
Mitglied

Von der Altersmilde sehr entfernt ...
geschrieben von niederrhein
als Antwort auf hafel vom 22.02.2008, 14:13:18
[...] Es war nun mal so, dass das gegenseitige Abschlachten im Kosovo ein militärisches Eingreifen notwendig gemacht hat.

Genau das wird heute bezweifelt ... zumindest nicht in der Art, wie es die USA/ die NATO vollzogen hat ...

Schon beneidenswert, wie die Zusammenhänge schlichtweg ignoriert werden. Die Dinge sind leider komplexer als wir vielleicht wahrhaben wollen.

Ich schreibe das OHNE Parteinahme, im Gegensatz zu Dir, die immer die Angelegenheit "Linkslastig" sieht. hafel


Parteinahmen leiste ich mir nicht mehr, aber immerhin ein prinzipielles Mißtrauen nach rund 74 Lebensjahren und rund 50 politisch bewußt(er)en Jahren.
Zudem ein mehr gebranntes Kind ... seit 1945 wurde ich mit dem ideologischen Süppchen "Guter-Westen-böser-Osten" vollgetrichtert. Daran glaube ich allerdings nicht mehr ganz ... insofern durchaus parteinehmend ...

Aber vielleicht komme ich mit der Zeit zu einer altermilden Haltung.

Die Bertha
vom Niederrhein


P.S. Aber für Richtigstellungen meiner Zeilen bin ich sehr dankbar, falls ich etwas Falsches geschrieben habe ...

P.P.S. Ich muß wohl mich nicht für meine Diktion entschuldigen ... das plakative BILD-Schlagezeilenmäßige habe ich leider nie gelernt. (Ich sollte vielleicht meine Tageszeitungen wechseln ...?)
hafel
hafel
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Re: Von der Altersmilde sehr entfernt ...
geschrieben von hafel
als Antwort auf niederrhein vom 22.02.2008, 14:34:41
@ Niederrhein: Genau das wird heute bezweifelt ... zumindest nicht in der Art, wie es die USA/ die NATO vollzogen hat ...


Ich habe meine Kenntnisse nicht aus amerikanischen oder Nato-Darstellungen, sondern von Menschen die dort gelebt haben und nur mit Mühe ihr Leben retten konnten. Wenn Du dieses Elend verniedlichen möchtest und das anders siehst, sei es Dir unbenommen. Ich kann Deiner Darstellung nur sehr bedingt folgen.
--
hafel
mart
mart
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Re: Von der Altersmilde sehr entfernt ...
geschrieben von mart
als Antwort auf niederrhein vom 22.02.2008, 14:34:41
Und glaubt denn wirklich dieser Kosovo mir die Schau/Show stehlen zu können mit der mickrigen Staatsgründung.


Nein, er will dir nicht die Show stehlen und kann dir nicht die Show stehlen .... diese ist unvergleichlich und einzigartig, fast wie im BILD.
niederrhein
niederrhein
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Re: Von der Altersmilde sehr entfernt ...
geschrieben von niederrhein
als Antwort auf hafel vom 22.02.2008, 14:48:51
Das sind eben zwei verschiedene Perspektiven ...

[...] Ich habe meine Kenntnisse nicht aus amerikanischen oder Nato-Darstellungen, sondern von Menschen die dort gelebt haben und nur mit Mühe ihr Leben retten konnten. [...]



... die vermutlich beide ihre Berechtigung haben, ohne daß man sagen kann, die eine ist falsch oder nur die andere ist richtig. (Es vereinfacht allerdings den Nachvollzug, wenn jeweils das Gegenüber dies dann weiß ...)

Auch ich habe lange Zeit Vergangenheit, Geschichte, bestimmte Ereignisse speziell der deutschen Geschichte unter dem Aspekt der persönlichen Betroffenheit gesehen und beurteilt.
Flucht und Vertreibung der Deutschen aus Schlesien, Ostpreußen etc. - durchaus als Folge eben der deutschen Politik! - habe ich lange Zeit, eigentlich bis weit in die neunziger Jahre, ignoriert oder gleichsam in den Hintergrund gestellt, dies natürlich aufgrund meiner eigenen Biographie und Betroffenheit.
Erst allmählich habe ich mich damit auseinandergesetzt und gelernt, die Betroffenheit, den Schmerz dieser Menschen akzeptieren und zu respektieren, ohne etwa dann Dinge aufzuwiegen ..

Die Bertha
vom Niederrhein


P.S.
Wenn Du dieses Elend verniedlichen möchtest [...]

Ich glaube, diese Unterstellung ignoriere ich besser ...



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