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Internationale Politik Menschenrechte: nur europäischer Rauch im Wind der Welt?

adam
adam
Mitglied

Menschenrechte: nur europäischer Rauch im Wind der Welt?
geschrieben von adam
Gestern sah ich einen Talk mit Altbundeskanzler Helmut Schmidt, bei dem es ursprünglich um das Thema China ging.

Man kam auch auf die Menschenrechte zu sprechen und Helmut Schmidt vertrat die These, daß Ermahnungen aus Europa an Staaten, wie beispielsweise China , die Menschenrechte einzuhalten, nicht berechtigt sei. Die Menschenrechte seien eine europäische "Erfindung" und die Europäer, aber auch die USA, seien angehalten, mehr die Jahrtausende alte Entwicklung der dortigen Kulturen zu beachten, als ihre eigene kulturelle Entwicklung der Menschenrechte exportieren zu wollen.

Liegt Helmut Schmidt richtig? Sind vielleicht sogar die Menschenrechte allgemein, im Rauch der unterschiedlichen, menschlichen Geschichte und Helmut Schmidts in Frage gestellt?

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adam
nerida
nerida
Mitglied

Re: Menschenrechte: nur europäischer Rauch im Wind der Welt?
geschrieben von nerida
als Antwort auf adam vom 03.05.2013, 13:00:25


Liegt Helmut Schmidt richtig? Sind vielleicht sogar die Menschenrechte allgemein, im Rauch der unterschiedlichen, menschlichen Geschichte und Helmut Schmidts in Frage gestellt?

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geschrieben von adam

interessantes Thema.

Ich denke, China ist Vollmitglied der Uno, ist sogar eines der Gründungsstaaten dieser Organisation.
So kann ich mir als "Lieschen Müller" eigentlich nicht vorstellen, dass China in ihrer Gesetzgebung die internationalen Menschenrechte nicht berücksichtigen muss, das schliesst doch eine Berücksichtigung von Tradition und geschichtlichen Hintergrund nicht aus.

Allerdings kommt mir die Schulmeisterei unserer Politiker, die ja oft genug nur auf öffentlichen Druck hin entsteht auch sehr peinlich vor.
dutchweepee
dutchweepee
Mitglied

Re: Menschenrechte: nur europäischer Rauch im Wind der Welt?
geschrieben von dutchweepee
als Antwort auf adam vom 03.05.2013, 13:00:25
@adam

Red doch mal mit den Menschen in den Problemvierteln und den Arbeitsämtern Deutschlands über Menschenrechte. Denen ist das egal, solange sie was zu futtern haben. und genauso gehts den Menschen in China und Indien.

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qilin
qilin
Mitglied

Re: Menschenrechte: nur europäischer Rauch im Wind der Welt?
geschrieben von qilin
als Antwort auf adam vom 03.05.2013, 13:00:25
Ich denke im Prinzip hat Schmidt da nicht ganz unrecht - was einzelne Kulturen als 'Menschenrechte' verstehen, ist zweifellos verschieden (und sicher auch mit der Zeit veränderlich), vgl. auch die 'Kairoer Erklärung der Menschenrechte im Islam' - wobei ich (als - vorwiegend ) 'Westler' allerdings die UNO-Version für die fortgeschrittenste halte. Ein Anhaltspunkt für den Vergleich ist m.E. immerhin die Meinung nicht nur der jeweiligen 'Obrigkeit', sondern auch des betroffenen 'Fußvolks' - man müsste die Möglichkeit haben, den Durchschnittschinesen (bzw. -moslem zu diesem Punkt befragen zu können - unbeeinflusst, versteht sich...

() qilin
Medea
Medea
Mitglied

Re: Menschenrechte: nur europäischer Rauch im Wind der Welt?
geschrieben von Medea
als Antwort auf qilin vom 03.05.2013, 14:03:03
Ich habe neulich ein Radio-Interview mit einer Chinesin
gehört, die wegen eines kleinen "Vergehens" für ein Jahr in
ein sogenanntes Erziehungslager für Frauen gesteckt wurde,
und von der gnadenlosen Behandlung durch die Aufseherinnen
berichtete. Fast jeden Tag Prügel, Essensreduzierung,
Demütigungen etc., niemand da, der eine Beschwerde entgegengenommen
hätte - "Menschenrechte" auch für Inhaftierte unbekannt.

Ich glaube Helmut Schmidt, der alte Mann, hat Unrecht mit
seiner Meinung, einem so alten Kulturvolk wie den Chinesen
nicht nahezubringen, daß andere Zeiten angebrochen sind.
Gerade die Gerichtsbarkeit im alten Kaiserreich China verhängte
grausamste Strafen, da gab es kein Mitleid mit dem Deliquenten.
Davon scheint noch durch die Jahrtausende etwas durchzuschimmern.

Ich glaube daß Menschenrechte, wie sie der Europäer heutzutage versteht,
auch alten Kulturvölkern wie China oder auch dem Islam gut zu
Gesicht stünden.

M.
sittingbull
sittingbull
Mitglied

Re: Menschenrechte: nur europäischer Rauch im Wind der Welt?
geschrieben von sittingbull
als Antwort auf Medea vom 03.05.2013, 14:42:51
Ich glaube daß Menschenrechte, wie sie der Europäer heutzutage versteht,
auch alten Kulturvölkern wie China oder auch dem Islam gut zu
Gesicht stünden.


ich glaube , dass es Europa und den USA gut zu gesicht stehen würde , menschenrechte und
menschenwürde erstmal "vor ort" zu realisieren .
"folterstaaten und kriegstreiber" wie die USA und "abwickler des sozialstaatsgedanken" wie die BRD, sollten sich zu diesem thema vielleicht etwas bescheidener entäussern .

menschenrechte sind keine dispositionsmasse !

sitting bull

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Karl
Karl
Administrator

Re: Menschenrechte: nur europäischer Rauch im Wind der Welt?
geschrieben von Karl
als Antwort auf Medea vom 03.05.2013, 14:42:51
Ich bin wie Medea der Ansicht, dass die Menschenrechte mehr sind als eine vorübergehende Mode. Die Menschenrechte des Individuums mussten erkämpft werden und sie sollten nicht leichtfertig wieder verspielt werden. Die Stellung des Individuums in einer alten Kultur wie in China ist nicht deshalb richtig, weil dies schon immer so war.

Ich bin für das offensive Einfordern der Menschenrechte, allerdings stelle ich fest, dass der Westen das seit dem Irakkrieg und seit Guantanamo nicht mehr glaubwürdig tun kann. Wir müssen in unseren westlichen Demokratien diese Werte glaubhaft vorleben, sonst haben die Menschenrechte weltweit leider keine Chance, sich durchzusetzen.

Karl
sammy
sammy
Mitglied

Re: Menschenrechte: nur europäischer Rauch im Wind der Welt?
geschrieben von sammy
als Antwort auf adam vom 03.05.2013, 13:00:25
Liegt Helmut Schmidt richtig? Sind vielleicht sogar die Menschenrechte allgemein, im Rauch der unterschiedlichen, menschlichen Geschichte und Helmut Schmidts in Frage gestellt?
geschrieben von adam

adam, Menschenrechte kann man doch nicht in Frage stellen.....! Lediglich die Umstände bzw. die Entwicklung hin zu den praktizierten Menschenrechten kann man kritisch begleiten unter Einbeziehung jedweiliger Kulturen.
Was der eine oder andere Poliker von sich gibt ist m.E. nicht immer zielführend, da politisch gemachte Äußerungen nicht immer die besten Absichten verfolgt. Auch ein Ex-Kanzler Helmut Schmidt bleibt im Ruhestand, da immer noch an exponierter Stelle, ein Poliker...
ich halte es da wie "nerida", zwar sollten Menschenrechtsverletzungen ÜBERALL angesprochen werden, aber nicht als "Schulmeister", sondern unter Einbeziehung von Entwicklung und Kultur in der gebotenen Form.

sammy
clara
clara
Mitglied

Re: Menschenrechte: nur europäischer Rauch im Wind der Welt?
geschrieben von clara
als Antwort auf qilin vom 03.05.2013, 14:03:03
- man müsste die Möglichkeit haben, den Durchschnittschinesen (bzw. -moslem zu diesem Punkt befragen zu können - unbeeinflusst, versteht sich...

() qilin

Diese Möglichkeit habe ich aufgrund verwandtschaftlicher Beziehung. Die betr. Chinesin erhielt vor einiger Zeit die deutsche Staatsbürgerschaft und wagt es deshalb wieder, nach China einzureisen. Sie kennt die Verhältnisse dort, auch was Menschenrechte betrifft, bestens und hat eigene Erfahrungen in einigen ihrer Bücher dargestellt - nicht immer erbaulich zu lesen.

Den Schmidt-Abend gestern habe ich auch teilweise verfolgt. Einiges, was der Ex-Kanzler sagte, war gut (z. B. über die Eurozone), was er über Menschenrechte in China meinte, halte ich für falsch. China hat ja selbst zur Zeit seiner "Kulturrevolution" diese uralte Kultur teilweise vernichtet und missachtet.

Menschenrechte sind für mich keineswegs eine Erfindung, sondern eine Selbstverständlichkeit, unabhängig von verschiedenen Kulturen. Sie sind auch klar definierbar und für alle Menschen gleich.
Mein Eindruck war, dass Schmidt ein wenig seinem ebenfalls anwesenden chinesischen Freund zu Gefallen reden wollte. Kaum jemand wagt auch noch, dem elder statesman zu widersprechen.

Clara
Re: Menschenrechte: nur europäischer Rauch im Wind der Welt?
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf clara vom 03.05.2013, 16:00:08
Ja, Clara, traurig, dass das kaum jemand wagt.
Ich habe Schmidts diesbezügliche Relativierungen schon in anderen Talkshows vernommen und war entsetzt.
Er sollte sich mal anhören, was der chinesische Freidenspreisträger des deutschen Buchhandels 2012, Liao Yiwu, anlässlich der Preisverleihung dazu sagt:
Der Autor, der nach dem Massaker auf dem Pekinger Platz des Himmlischen Friedens vier Jahre in Haft war, warf dem SPD-Politiker im Nachrichtenmagazin "Focus" vor, er behaupte, "die Unterdrückung der Demokratiebewegung in China 1989 sei vielleicht doch notwendig gewesen". Mit seiner Stellungnahme sei Schmidt "nicht weit entfernt von den Staatsautoren", die das chinesische Regime 2009 nach Frankfurt schickte, als das Land Ehrengast der Buchmesse war, sagte Liao den Angaben zufolge.
[ . . . ]
Liao Yiwu sagte dem "Focus", er habe noch darüber nachgedacht, ob der Börsenverein des Deutschen Buchhandels mit der Verleihung des Friedenspreises an ihn die politische Fehlentscheidung der Buchmesse korrigiere, China 2009 trotz Menschenrechtsproblemen zum Ehrengast zu machen. "Ich habe Verantwortung gespürt und eine Chance, auf mein Buch 'Die Kugel und das Opium' aufmerksam zu machen, in dem die Leiden der Opfer des Massakers von 1989 geschildert werden", sagte er. "Vielleicht kann Altkanzler Helmut Schmidt das Buch lesen und sich dann fragen, wer von uns beiden sich irrt in der Einschätzung der chinesischen Machthaber."
geschrieben von 3 SAT Kulturzeit

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