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Internationale Politik Parole "Zeit gewinnen" in Ägypten ?

luchs35
luchs35
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Parole "Zeit gewinnen" in Ägypten ?
geschrieben von luchs35
Dass der ägyptische Militärat mit seinen Zugeständnissen für einen raschen Übergang zur Demokratie nur Zeit gewinnen will, dürfte auch nach dessen Angebot die Macht sofort abzugeben, wenn ein entsprechendes Gremium einer Übergangsregierung gebildet ist, wohl kaum auf Gegenliebe bei den Demonstranten stossen, ist doch der Hintergrund eher "Zeit gewinnen" um jeden Preis, um noch die Pfründe zu sichern und nebenbei auch die Demonstranten durch Massenverhaftungen und polizei-militärisches Eingreifen einzuschüchtern.
Sofortiger Rücktritt des Militärchefs Hussein Tantawi wird gefordert und kein Warten auf die Übergabe der Macht an eine zivile Übergangsregierung. bis Mitte 2012. Alle Zugeständnisse wurden abgelehnt,und die blutigen Ausseinandersetzungen gehen weiter.
Tantawi und seine Militärs haben sich alle Sympathien der Bevölkerung verspielt, die sie durch ihr Stillhalten während des Sturzes von Dikatator Mubarak eingeholt hatten. Durch Massenverhaftungen und Repressalien gegegnüber den führenden Köpfen während der Revolution stehen nun die Militärs auf der gleichen Stufe wie der gestürzte Mubarak. Zuviel Zeit hat das Militärregime verstreichen lassen, um seine einst gemachten Versprechungen einzulösen. Die Menschen glauben ihnen nicht mehr und die Toten der letzten Tage sprechen dazu eine eigene Sprache.

Nur- so frage ich mich, wer soll denn eine sofortige Übergangsregierung übernehmen? Bislang stehen nur Leute im Vordergrund, die mehr oder weniger eigene Interessen vertreten. Die Demonstranten befürchten , dass die mit gespaltener Zunge sprechende Muslimbruderschaft profitieren könnte, die sich jetzt wieder mit Heilsversprechungen profilieren möchte und vor allem bei der Landbevölkerung einen starken Rückhalt findet.
Auch die Frauen fürchten in all ihren Bemühungen einen Rückschlag, sollte die Muslimbruderschaft tatsächlich an die Regierung kommen. Die jungen Menschen, die "Generation Internet + Twitter", werden auch kaum zulassen, dass jene, die während der Revolution lieber im Hintergrund verharrten und schwiegen, jetzt den Rahm für sich abschöpfen und sich als die grossen Heilsbringer aufspielen.

Ägypten dürfte mit den derzeitigen Aussichten noch lange nicht zur Ruhe kommen, vermutlich noch nicht einmal, wenn der Militärrat samt seinen Überbleibseln aus der Regierung Mubarak tatsächlich verschwinden sollten.

Luchs
Re: Parole "Zeit gewinnen" in Ägypten ?
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf luchs35 vom 23.11.2011, 12:02:05
Wer die Bibel (speziell das AT) halbwegs aufmerksam gelesen hat, der hat auch mitgekriegt,
daß bei einem Machtwechsel ALLE aus dem vorher regierenden Clan sofort mit Stumpf und Stiel regelrecht ausgerottet wurden.
Das geschah sicherlich nicht ohne Grund; wie man sehen kann (wieder mal) an den Folgen humanitären Verhaltens der Demonstranten in Ägypten. Die, weil sie nicht gnadenlos den Clan Mubarak ausrotteten, jetzt weiter mit den 'Machthabern' kämpfen müssen.

Wer es auf das Ausbeuten des Volkes abgesehen hat,
der kann das nie allein bewerkstelligen.
Seine Adlaten und Palladine werden nach seinem Abtreten sein Werk weiterführen.
Und zwar mit allen Mitteln. Da hilft kein Betteln und Appelieren.
Folgerichtig ist das Ausrotten deswegen durchaus nachzuvollziehen.

Deshalb habe ich ein Auge auf Libyen und Syrien.
Da wird es jetzt (leider) 'spannend'.

Irgendwie finde ich das Aufrüsten einzelner Staaten da gar nicht so unbedingt unverständlich.
Jedoch gilt es, sich gegen BEIDE Machenschaften RECHTZEITIG zu schützen.
Wenn ein System erst mal etabliert ist, und genügend Palladine mitmachen,
dann geht das immer zulasten des Volkes. Und dann ist da nur noch mit Gewalt eine Änderung möglich.
Wir kennen das wohl aus der eigenen Geschichte.
Der Nahe Osten wiederholt sich da nur.

Nein, es schmeckt mir auch nicht; aber so ist nun leider mal die Realität.
Und diese wird sich auch nicht ändern; denn sonst würde so etwas nicht immer wieder passieren.
sittingbull
sittingbull
Mitglied

Re: Parole "Zeit gewinnen" in Ägypten ?
geschrieben von sittingbull
wenn die offiziellen medien des "imperialismus" eine "revolution" unterstützen ...
muss etwas faul sein .
lasst es euch gesagt sein vom alten häuptling ...
das "kapital" entlässt seine protektorate nicht auf "lau" .

sitting bull

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passant_11
passant_11
Mitglied

Re: Parole "Zeit gewinnen" in Ägypten ?
geschrieben von passant_11
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 23.11.2011, 13:38:01
digizar schrieb:

Wer die Bibel (speziell das AT) halbwegs aufmerksam gelesen hat, der hat auch mitgekriegt,
daß bei einem Machtwechsel ALLE aus dem vorher regierenden Clan sofort mit Stumpf und Stiel regelrecht ausgerottet wurden.
Das geschah sicherlich nicht ohne Grund; wie man sehen kann (wieder mal) an den Folgen humanitären Verhaltens der Demonstranten in Ägypten. Die, weil sie nicht gnadenlos den Clan Mubarak ausrotteten, jetzt weiter mit den 'Machthabern' kämpfen müssen.


Nunmal langsam mit die jungen Pferde...
Jegliches hat seine Zeit, und die martialischen Episoden des AT passen eben in die Ihrige.

Heute sollten politische Übergänge aber durchaus human und mit dem nötigen Augenmaß volziehbar sein, ohne ein Unrecht mit einem anderen zu vergelten.

Nimm als Beispiel die Wende 89/90 in der DDR. Hier zeigte sich, wie Menschen eine Systemumwälzung unblutig durchführen können, wenn sie nur die nötige politische Reife dafür besitzen. Auf beiden Seiten. Das macht den Unterschied im Vergleich zu den Machtwechseln in den arabischen Ländern.
JuergenS
JuergenS
Mitglied

Re: Parole "Zeit gewinnen" in Ägypten ?
geschrieben von JuergenS
Wir sind da nur Zuschauer, Erstaunte, Unmaßgebliche.
Größer vermag ich die Rolle von uns nicht zu sehen.

Der ganze arabische Raum hat eine Eigendynamik gewonnen, in jeder Region anders.
Beten wäre vielleicht noch zu empfhehlen.
Demokratie mit einhergehenden Menschenrechten ist nur ein Wunschtraum, der vielleicht da und dort und zehn, hundert oder zweihundert Jahren erreicht wird.
Zeit gewinnen klingt schön, ist aber dort zeitlos.
luchs35
luchs35
Mitglied

Re: Parole "Zeit gewinnen" in Ägypten ?
geschrieben von luchs35
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 23.11.2011, 13:38:01
Auch wenn mir der Gedanke zurückzudenken bis zum AT und all den Grausamkeiten (nicht nur da) widerstrebt, muss ich dir leider teilweise Recht geben, Digi. Dieses versuchte demokratische oder humanistische Denken der ägyptischen (arabischen) Demonstranten, das uns doch in unserem oft zitierten eigenem Verständnis entgegenkommen müsste, wird der Revolution in ihrer Nachhaltigkeit womöglich zum Verhängnis. Solange "Maden im Apfel" sind, ist er angefault.

Andererseits zeigt aber dieses Verhalten auch, dass da Menschen selbst in größtem Zorn nicht nur "mordlustig" werden, sondern andre Ziele vor Augen haben - selbst wenn es sich am Ende als Trugschluss herausstellen sollte, dass ein Leben in Freiheit und Würde auch ohne überflüssiges Blutvergießen des bekämpften Gegners zu erreichen ist. Aber ich bin realistisch genug, um zu wissen, dass das Wunschdenken ist. Also wird es in den arabischen Ländern noch lange dauern, bis die Ziele erreicht worden sind und weiteres Blutvergießen wird auch nicht zu verhindern sein. Aber ich meine nach wie vor, was da begonnen wurde, lässt sich nicht mehr zurückdrehen.

Was dabei herasukommt, verrät im Moment nicht mal die berühmte Kristallkugel.

Luchs


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olga64
olga64
Mitglied

Re: Parole "Zeit gewinnen" in Ägypten ?
geschrieben von olga64
als Antwort auf luchs35 vom 23.11.2011, 14:53:28


Aber ich meine nach wie vor, was da begonnen wurde, lässt sich nicht mehr zurückdrehen.


Luchs


Na klar lässt es sich nicht mehr zurückdrehen; oder sollte Mubarak gar von seinem Krankenbett aufstehen und dann mit ca 90 Jahren die Regierungsgeschäfte wieder übernehmen?
Wir im Westen sollten uns endlich davon verabschieden, Demokratie in unserem Sinne in andere Ländere transportieren zu wollen. Warum sollten diese arabischen Länder, deren Focus vermutlich auch auf der Religion liegen wird, an uns orientieren? An hochverschuldeten Ländern, die sich hermetisch absichern gegen Einwanderer aus der sog. 3. Welt? Die zwar Revolutionen am heimischen Fernseher bejubeln, dabei aber hauptsächlich zusätzliche Erwerbsquellen sehen, wenn sich dort internationale Konzerne etabliert haben.
Wie auch Deutschland vor nicht allzu langer Zeit - wir hatten ja innerhalb weniger Jahrzehnte zwei Diktaturen - sollte man auch den arabischen Ländern zugestehen, dass sie ihren WEg und ihre Interpretation zu Demokratie selbst finden. Olga

luchs35
luchs35
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Re: Parole "Zeit gewinnen" in Ägypten ?
geschrieben von luchs35
als Antwort auf passant_11 vom 23.11.2011, 14:29:27
Nimm als Beispiel die Wende 89/90 in der DDR. Hier zeigte sich, wie Menschen eine Systemumwälzung unblutig durchführen können, wenn sie nur die nötige politische Reife dafür besitzen. Auf beiden Seiten. Das macht den Unterschied im Vergleich zu den Machtwechseln in den arabischen Ländern.
geschrieben von Passant_11:


Schon mal nachgedacht, was mit der Systemumwälzung passiert wäre, hätten die Sowjets die Zügel nicht freiwillig hergegeben, weil sie die Zeichen der Zeit erkannt hatten? Die tapferen Demonstranten samt ihrer "politischen Reife" wären in ihrem Blut untergegangen oder hätten die berühmten Gefängnisse überbelegt. Daraus einen Unterschied zu den arabischen Ländern zu machen, zeugt eher von einem "verhangenen Blick".

Luchs
passant_11
passant_11
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Re: Parole "Zeit gewinnen" in Ägypten ?
geschrieben von passant_11
als Antwort auf luchs35 vom 24.11.2011, 09:32:24
luchs35 schrieb:

Schon mal nachgedacht, was mit der Systemumwälzung passiert wäre, hätten die Sowjets die Zügel nicht freiwillig hergegeben


Ach .... ich denke ständig über irgendetwas nach, mal über dies, mal über das.

Recht hast Du darin, dass es solch einen Umsturz bspw. in den 70-ern oder auch noch Anfang der 80-er nicht hätte geben können. Dafür war auch ganz einfach der Staat noch zu mächtig, weil u. a. auch die wirtschaftliche Situation in der DDR noch zu gut war.
Und erst, als Gorbatschow Ende der 80-er die DDR "frei gab", wurde damit aus bündnispolitischer Sicht die Möglichkeit dieser Wende eröffnet.

Mit diesem Problem aber waren die Länder Nordafrikas ja nicht konfrontiert.
Sie mussten nicht darauf warten, aus einer Besatzung/Protektorat und militärischen Bündnispflichten entlassen zu werden. Sie erfuhren ja sogar noch massive Unterstützung seitens ihrer ehem. Kolonialisten bzw. der NATO.

So gesehen, ähnelten sich im großen und ganzen die Ausgangssituationen am Vorabend der Revolutionen.
Und dann macht tatsächlich das politische Bewusstsein den Unterschied in der Frage, wie gehe ich mit meinem politischen Gegner um.
Ein ganz krankes Beispiel bildet hierbei der wütende Lynchmob in Libyen.


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