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Internationale Politik Politischer Wandel im Urlaubsparadies Tunesien

nasti
nasti
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Re: Politischer Wandel im Urlaubsparadies Tunesien
geschrieben von nasti
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 18.01.2011, 12:15:24
Den ganzen Tag laufen in Tv die Nachrichten über Tunesien.


Was ich darüber denke---wem Interessiert das? Vielleicht wissen Sie selber nicht in Tunesien genau was Sie so wollen......
clara
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Re: Politischer Wandel im Urlaubsparadies Tunesien
geschrieben von clara
als Antwort auf nasti vom 18.01.2011, 13:20:45
Unsere Tageszeitung bringt heute die Schilderung einer Frau, die gerade aus Tunesien ausgeflogen wurde und schon öfter in dem Land war. Sie sagt, zum ersten Mal habe sie Bekannte und Hotelangestellte gesprächig erlebt, die vorher eher wortkarg waren. Der Druck, der auf ihnen lastete, sei weg.
Andere Touristen berichteten, sie hätten nichts von der politischen Situation in Tunesien gewusst, obwohl sie auch schon oft dort waren. Ist es nicht traurig, ein Land nur von seinen tollen Stränden und komfortablen Hotels zu kennen und nichts über Gefängnisse zu wissen, in denen Regimekritiker teilweise Jahrzehnte lang einsaßen?

Clara
dutchweepee
dutchweepee
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Re: Politischer Wandel im Urlaubsparadies Tunesien
geschrieben von dutchweepee
als Antwort auf nasti vom 18.01.2011, 13:20:45
zitat nasti: "Was ich darüber denke---wem Interessiert das?"

Mal abgesehen vom Dativ interessiert es mich, ob ein Mensch seine Meinung sagen kann oder nicht, ob er dafür inhaftiert, gefoltert oder sogar getötet wird. Ich sehe ungern Polizisten die protestierende Menschen beschießen und niederknüppeln und ich mag es nicht, wenn eine Familie ein Land aussaugt, sich Villen baut und dann einfach nach Saudie-Arabien fliegt, ohne für den Raubzug bestraft zu werden.

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myrja
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Re: Politischer Wandel im Urlaubsparadies Tunesien
geschrieben von myrja
als Antwort auf dutchweepee vom 18.01.2011, 13:49:54
Da bin ich ganz Deiner Meinung Dutchweepee.

Ich mag das auch nicht. Auch ich habe ein arabisches Land, in dem ich oft und gerne bei Freunden Urlaub mache. Und ich habe nicht nur die schönen Strände gesehen. Mein täglicher Weg ins Zentrum der Stadt führte mich am dortigen Gefängnis vorbei. ich sah Augenpaare, dicht beieinander gedrängt, die durch schmalste Fenster nach draußen blickten. Es war jedesmal ein schreckliches Gefühl.

Ich fing an mir Bücher zu besorgen über dieses Land und hörte mich auch im Freundeskreis um.

König Hassan, der Vater des jetzigen Königs, hat ganze Familie in Sippenhaft genommen. Sie verschwanden und niemand wusste, wo sie geblieben sind. Ich empfehle allen Interessierten die Bücher von der Ehefrau und der Tochter des ehemaligen Innenministers unter König Hassan. Malika Oufkir: Die Gefangene u. Fatimée Oufkir (Mutter): Gefangen i. d. Gärten des Königs.

Jetzt, unter König Mohamed hat sich Einiges geändert, aber gut ist es noch lange nicht. Aber die Armut ist noch immer extrem hoch. Ich kann mir gut vorstellen, dass die Unruhen in Tunesien auch irgendwann auf Marokko übergreifen könnten.

So gibt es noch viele Länder auf dieser Erde, deren Menschen in ständiger Angst leben und wir Europäer machen dort fröhlich Urlaub und regen uns auf, wenn wir mal nicht bestens bedient werden!

Myrja
olga64
olga64
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Re: Politischer Wandel im Urlaubsparadies Tunesien
geschrieben von olga64
als Antwort auf myrja vom 18.01.2011, 14:19:22
Da in den Maghreb-Staaten, aber auch in Ägypten, Jemen, Jordanien eine grossenteils junge Bevölkerung ohne jegliche Zukunftsperspektiven lebt, die "Regierung" teilweise aus Uralt-Männern besteht, die korrupte Familien-Clans vorstehen, Wahlfälschung betreiben usw. wird es überall in diesem Ländern zu Aufständen kommen, was ja nicht verwunderlich ist. Diese jungen Leute in diesen Ländern sind in der Lage, sich via Internet, Twitter usw. umfassender zu informieren und zu organisieren - alles kann hier nicht kontrolliert werden. Sie werden, wenn es in den eigenen Ländern nicht zu überfälligen Reformen kommt, ihren Aktionsradius auch auf Europa ausdehnen (wo die Bevölkerungsschichten ja mehr und mehr vergreist) und sich ihr Stück vom Kuchen holen,das man ihnen noch verweigert. Ein wichtiges Bindeglied für diese Aktionen ist die gemeinsame islamische Religion; der islamistische "Führer" haben Geld und Überzeugungskraft bei den jungen Menschen und werden ebenfalls entsprechend steuern. Olga
schorsch
schorsch
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Re: Politischer Wandel im Urlaubsparadies Tunesien
geschrieben von schorsch
als Antwort auf dutchweepee vom 18.01.2011, 13:49:54
Die Frau von Ben Ali soll sich mit 1,5 Tonnen Gold abgesetzt haben. Ich denke, sie wird nun von einigen Ländern umworben werden. Mindestens so lange, als bis das Gold die Hände gewechselt hat!

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olga64
olga64
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Re: Politischer Wandel im Urlaubsparadies Tunesien
geschrieben von olga64
als Antwort auf schorsch vom 18.01.2011, 16:28:00
Im GEgenzug werden ja die Bankkonten in Frankreich und der Schweiz eingefroren. Von irgendwas muss die Familie ja leben (schluchz). Interessant ist, dass der fortgejagte frühere Diktator von Haiti dort wieder aufgetaucht ist. Auch dessen Konten in der Schweiz sind eingefroren - was der wohl plant? An diesem armen Haiti geht auch keinerlei Plage vorbei. Olga
EehemaligesMitglied58
EehemaligesMitglied58
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Re: Politischer Wandel im Urlaubsparadies Tunesien
geschrieben von EehemaligesMitglied58
als Antwort auf olga64 vom 18.01.2011, 17:33:08
Interessant ist, dass der fortgejagte frühere Diktator von Haiti dort wieder aufgetaucht ist. Auch dessen Konten in der Schweiz sind eingefroren - was der wohl plant? An diesem armen Haiti geht auch keinerlei Plage vorbei. Olga[/quote]


Ja Olga, was plant der wohl oder was will er wohl dort.
Diese frage hab ich mir auch sofort gestellt und denke mal so.
Wie immer wieder zu hören ist, sind schon gewaltige hilfsgelder nach Haiti geflossen, aber zu sehen davon ist wenig und für die menschen dort habemn sich die verhältnisse nicht verbessert.
Da wird sich Baby Doc eben auch mal anstellen um ein paar dollar oder euro abzufassen.
carlos1
carlos1
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Re: Politischer Wandel im Urlaubsparadies Tunesien
geschrieben von carlos1
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 18.01.2011, 09:00:45
„Und der Westen? Das salbungsvolle Geschwätz der europäischen und amerikanischen Politiker über die Etablierung von echter Demokratie, von Meinungs- und Pressefreiheit ist nichts als eine hohle Phrase.“ Kommentar taz


In welchem arabischen Land hat sich denn je eine „echte Demokratie“ mit Meinungs- und Pressefreiheit und der Menschenrechte als Eigengewächs etablieren können?

„Weder in Algerien noch in Palästina hat der Westen demokratische Wahlergebnisse anerkannt, weil der Sieg an die Falschen ging.“ Kommentar taz


Der Westen hat die Ergebnisse zu respektieren, auch wenn sie ihm nicht gefallen. Wie er damit umgeht, ist eine andere Frage. Die Islamisten der FIS hätten in Algerien in Wahlen gesiegt. Die Militärs ergriffen die Macht. Der westliche Einfluss in Algerien? Die innenpolitischen bürgerkriegsähnlichen Konflikte in den 90er Jahren sind nicht vom Westen gesteuert worden. Ebenso wenig die ständigen Aufspaltungen der Islamisten.

vgl. http://www.algeria-watch.org/artikel/analyse/martinez.htm


Algerien ist neben anderen arabischen Ölstaaten in der glücklichen Lage, dass es Öl und Gas auf dem Weltmarkt verkaufen kann (trotzdem gibt es Armut). Das kann Tunesien nicht. Der Aufruhr in Tunesien ist auch eine Hungerrevolte, wie hier anderweitig bereits angedeutet wurde. Die Nahrungsmittel- und Rohstoffpreise sind in letzter Zeit gestiegen. Es gibt eine ganze Anzahl von Staaten, die die in letzter Zeit stark gestiegenen Getreideimportpreise nicht mehr werden bezahlen können. Angesichts der sich rapide leerenden Getreidespeicher auf dem Globus und den Ernteausfällen des letzten Jahres in traditionellen Lieferländern wird es in den nächsten Monaten in anderen Staaten ebenfalls zu Hungerrevolten kommen. Ich denke nicht in erster Linie an arabische Staaten.

„Für die westliche Politik heißt das Zauberwort "Stabilität". Wer sie garantiert, findet den Beifall des Westens.“ Kommentar taz


Stabilität ist erforderlich, wenn wirtschaftliche Erfolge angestrebt werden. Der Tourismus ist eine Haupteinnahmequelle Tunesiens. Stabilität ist Voraussetzung für Tourismus. Kommt durch Unruhen der Tourismus zum Erliegen, ist das nachteilig für das Land. Der Schlusssatz im Kommentar der taz lautet: „Es sind viele im tunesischen Spiel, die genau das wollen.“ Hier wurde eher unbewusst wohl mal etwas Richtiges gesagt. Eine Opposition muss sich erst formieren. Wunschdenken ist erlaubt. Die vertretene Auffassung, eine allgemeine Perspektivlosigkeit sei die Ursache des Aufruhrs, begegne ich eher skeptisch. Perspektivlosigkeit kann viele Jahrzehnte andauern. Erst der Hunger und zunehmende Informationsmöglichkeiten treibt die Menschen zur Aktion.

Ach so, eine Bemerkung noch: Neulich fand ich am Wege, von Schülern achtlos weggeworfene Plastiktüten mit Wurstbroten. Wohl dem Volk, dessen Kinder Brot wegwerfen können und dürfen. Millionen von Kinder hungern und verhungern in dieser Welt.

adam
adam
Mitglied

Re: Politischer Wandel im Urlaubsparadies Tunesien
geschrieben von adam
als Antwort auf carlos1 vom 18.01.2011, 22:23:11
Stabilität ist erforderlich, wenn wirtschaftliche Erfolge angestrebt werden.


@carlos,

bleibt noch hinzuzufügen, daß Stabilität, gerade in Staaten wie den Maghreb-Länder, auch Menschenleben schützt. Ein Regierungswechsel ist dort nicht so einfach zu gestalten, wie in funktionierenden Demokratien. Der Staatsapparat, die Verwaltung ist auf das Regime eingestellt, ja eingeschworen. Bis jetzt geht es in Tunesien noch relativ geordnet zu, was auch darauf zurückzuführen sein dürfte, daß alte Kader noch darauf hoffen, sich in die neue Regierung zu retten und weiter Privilegien genießen zu können.

Wenn sich abzeichnet, daß das gesamte Regime weggefegt werden soll, wird das nicht ohne Gegenwehr und Gewalt funktionieren. Das bedeutet Verluste an Menschenleben. Und wer füllt das entstehende Machtvakuum? Ohne Streit geht das nicht vor sich. Auch in der Verwaltung stehen nicht ohne weiteres neue Fachkräfte zur Verfügung. Ein Regime, wie das des tunesischen Präsident Ben-Ali zu stürzen, ist schon schwierig genug, alles in einigermaßen geordneten Bahnen zu halten, so gut wie unmöglich. Was die Menschen in Tunesien wollen und was sie an Staatsmacht letztendlich bekommen, ist offen. Was macht das Militär? Wie einig sind sich die islamistischen Strömungen? Demokratische Kräfte gehen in derartigen Machtkämpfen schnell unter.

--

adam


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