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Internationale Politik Politischer Wandel im Urlaubsparadies Tunesien

kirk
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Re: Politischer Wandel im Urlaubsparadies Tunesien
geschrieben von kirk
als Antwort auf olga64 vom 18.01.2011, 17:33:08
@Olga
Was "Baby Doc" vorhat wird er nun erstmal verschieben müssen.
Nach neuesten Meldungen wurde er in seinem Hotel festgenommen.
Ob es zu einer Anklage kommen wird, weiss bis jetzt sicher niemand.
Lassen wir uns überraschen.
olga64
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Re: Politischer Wandel im Urlaubsparadies Tunesien
geschrieben von olga64
als Antwort auf kirk vom 18.01.2011, 23:32:25
Vielleicht ist Aristide der nächste, der Haiti heimsucht. Dieser hat nach anfänglichem hohen Engagement dann auch nur in die eigenen Taschen gewirtschaftet.Ich befürchte, Baby Doc wird nicht viel passieren: er verliess lächelnd das Luxushotel, wo er bislang logierte - wer weiss, welche Grossmacht (USA?) auch hier die Finger im Spiel hat und die Zukunft "mitsteuern" will, natürlich mit Hilfe internationaler Konzerne? Dann ginge evtl. auch der Aufbau rascher als es bisher der Fall war. Olga
carlos1
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Re: Politischer Wandel im Urlaubsparadies Tunesien
geschrieben von carlos1
als Antwort auf adam vom 18.01.2011, 23:29:02
Da kann ich weitgehend zustimmen, adam. Wenn von diesen Vorgängen in Tunesien der Anstoß zu einer grundlegenden langfristigen Veränderung in Richtung einer stabilen freiheitlichen Demokratie ausgehen würde (würde!), wäre dies eine positive Entwicklung in der unmittelbaren Nachbarschaft Europas. Ich glaube nicht daran. Die Demokratie ist eine freiheitliche Ordnung, in der die Politik durch das Verhalten der Bürger mitgestaltet wird und sie bezeichnet eine Ordnung, in der zielgerichtete aktive Einflussnahme durch Wahlen und über Wahlen hinaus ermöglicht wird. In Anbetracht der inneren Situation Tunesiens ist die Möglichkeit für eine solche Entwicklung nicht gegeben. Die Leute wollen in dieser Situation sehr schnell zu viel an Verbesserungen auf einmal. Wirtschaftlicher, sozialer und politischer Fortschritt ist aber keine Sache, die einem nur so zufliegt.

Was allgemein bei allem Gefühlsüberschwang vergessen wird, ist die aus dem Begriff Demokratie sich ergebende Konsequenz, dass der Bürger, der solche Möglichkeiten wahrnimmt, sich ebenfalls der Kritik, nicht nur der Regierenden, sondern auch vor allem auch der Mitbürger aussetzen muss. Das muss erst geübt werden. Auch bei uns übrigens. So wenig das Handeln der Regierenden darf das Handeln der Regierten tabuisiert sein. Bei uns ist die Meinung verbreitet, dass das laute in einer größeren Menge erfolgte Rufen von Parolen wie „Wir sind das Volk“ automatisch die Richtigkeit in der Sache (etwa dem Bau eines Bahnhofs) garantiert. Weder richtiges und besonnenes sachgemäßes Handeln aber wird durch massenhaftes lautes Auftreten, Tränengas und Schüssen auf Demonstranten garantiert und schon gar nicht die Friedfertigkeit. Wenn das bei uns so ist, wie erst sieht es in Tunesien aus? Dort gibt es den „Bürger“ gar nicht, der Rechte auszuüben gelernt hat, weil er sie nie hatte. Das Durchschnittseinkommen pro Kopf der Bevölkerung in Tunesien lag 2007 bei knapp über 3398 USD (Dtld rund 40 000 USD). Wer in Tunesien auf die Straße ging und gegen das Regime demonstrierte, war m. E. eine eher etwas besser informierte Mittelschicht, die Aufstiegsmöglichkeiten sucht, technische Kenntnisse besitzt und mit Ausländern in Berührung kommt. Die Armen auf dem Lande blieben vermutlich unberührt. Deine letzten Sätze klingen skeptisch:

„Was macht das Militär? Wie einig sind sich die islamistischen Strömungen? Demokratische Kräfte gehen in derartigen Machtkämpfen schnell unter.“ Adam

c.


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olga64
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Re: Politischer Wandel im Urlaubsparadies Tunesien
geschrieben von olga64
als Antwort auf carlos1 vom 19.01.2011, 19:35:33
Ich möchte schon optimistischer sein: sogar wir Deutsche haben Demokratie gelernt und dies nach zwei von uns angezettelten, verheerenden Weltkriegen und einem diktatorischen Regime in der ehem. DDR. Tunesien und andere Staaten in dieser Region haben den Vorteil, dass es dort sehr viele junge Menschen gibt, die teilweise gut bis sehr gut (akademisch) ausgebildet sind und sich heute mit viel Glück z.B. als Taxifahrer verdingen müssen. So ging es ja in Tunesien los: ein junger Mann, der sich anzündete,weil er keine beruflich adäquate Perspektive für sich sah.
Problematisch in diesen Ländern wird es natürlich ,wenn die alten Autokraten weggejagt sind - wie islamistisch werden diese Länder? Die Religion spielt ja eine sehr wichtige Rolle und wird es immer tun - und der wegschauende/schweigende Westen dürfte nicht unbedingt als nachahmbares Beispiel herhalten - trotz Demokratie.
Demokratie muss ja nicht in jedem Land gleich interpretiert werden. Olga
Mitglied_81b4260
Mitglied_81b4260
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Re: Politischer Wandel im Urlaubsparadies Tunesien
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf olga64 vom 20.01.2011, 16:05:26
Vor allem, da der Islamismus einfache Antworten bietet und ... gerade die Muslimbruderschaft die soziale Komponente vergleichsweise überschwänglich innehat.

Mubaraks Weg, die Muslimbruderschaft praktisch informell handeln zu lassen, solange sie offiziell keine politischen Ansprüche stellt, ist eine sehr kurzsichtige Strategie.
olga64
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Re: Politischer Wandel im Urlaubsparadies Tunesien
geschrieben von olga64
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 20.01.2011, 16:13:28
Auch bedingt durch meine geografische (und religiöse) Entfernung zu den Maghreb-Staaten bin ich aber unsicher, ob die Vereinnahmung dieser Völker durch kapitalistische Länder (bzw. global operierende Konzerne) für das Volk so viel besser wäre. Dies wird aber - insbesondere in Tunesien - weiter vorangetrieben werden; dafür sorgte der weggejagte Ben Ali bereits (und auch Obama drückte sich schon lobend in Sachen Tunesien aus, was er und Frankreich ja bis vor kurzem noch mit der damaligen Regierung machten). Olga

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Mitglied_bed8151
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Re: Politischer Wandel im Urlaubsparadies Tunesien
geschrieben von ehemaliges Mitglied
"Unsere" Schurken fallen gerade. Die Mächtigen im Imperium americanum zittern vor den arabischen Revolutionären und ihrer Revolution gegen die vom Westen installierten und gestützten Quislinge. Sie trauern der alten Zeit nach als Friedhofsruhe war an der Erdöl- /Erdgasfront. Es zeigt sich wieder einmal, dass den westlichen Machthabern nicht zu trauen ist. "Menschenrechte", "Demokratie", "Freiheit", "Frieden" sind ihnen nur gut als Worte in ihrer AgitProp. Tatsächlich tun sie alles, dass es beim Unrecht bleibt, bei Diktatur, Unfreiheit und Krieg.

--
Wolfgang

SZ
21.01.2011
Tunesien und Europa: "Ich oder die Taliban"
Der gefallenen Diktator Ben Ali hat sich Europas Unterstützung gesichert, indem er mit dem Schreckbild des Islamismus drohte. Auch Deutschland hat den Despoten gehätschelt - ein folgenreicher Fehler.
Sihem Bensedrine
*

Am 14. Januar hat das tunesische Volk einen mafiösen Diktator gestürzt, der 23 Jahre lang das Land mit eiserner Hand regierte. Den Menschen ist eine Revolution gelungen - ohne eine einzige Kugel zu verschießen, ohne eine einzige Bombe zu zünden, ohne einen einzigen terroristischen Akt. In den vier Wochen vor dem Umsturz hat der Diktator dagegen Blut fließen lassen, er hat befohlen zu schießen, seine Handlanger haben kaltblütig Männer aus ihren Betten gezerrt und erschossen.

Europa aber sah zu, es hat komplizenhaft geschwiegen. Schlimmer noch: Frankreich, die alte Kolonialmacht, gewährte dem Diktator logistische Hilfe, um den Aufstand zu unterdrücken. Drei Tage vor dem Sturz des Tyrannen bot Außenministerin Michèle Alliot-Marie der tunesischen Polizei "französisches Know-how" an, um "die Sicherheit zu regeln".

[...]

* Sihem Bensedrine ist Journalistin und Menschenrechtsaktivistin. Sie lebte lange im Exil. In Tunis will sie ihre Online-Zeitung Kalima wiederaufbauen.
schorsch
schorsch
Mitglied

Re: Politischer Wandel im Urlaubsparadies Tunesien
geschrieben von schorsch
als Antwort auf olga64 vom 20.01.2011, 16:05:26
@: "...Ich möchte schon optimistischer sein: sogar wir Deutsche haben Demokratie gelernt und dies nach zwei von uns angezettelten, verheerenden Weltkriegen und einem diktatorischen Regime in der ehem. DDR...."

Dem wäre aber entgegen zu halten, dass Deutschland mit seiner Demokratie nur ein paar Jahre "pausiert" hat und zudem von demokratischen Staaten umgeben ist. Tunesien aber - hauptsächlich die Landbevölkerung, die teilweise noch "mittelalterlich" lebt -, muss Demokratie erst noch lernen.
Mitglied_bed8151
Mitglied_bed8151
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Re: Politischer Wandel im Urlaubsparadies Tunesien
geschrieben von ehemaliges Mitglied
Verlogenheit hat einen Namen: EU

--
Wolfgang
hema
hema
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Re: Politischer Wandel im Urlaubsparadies Tunesien
geschrieben von hema
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 24.01.2011, 21:11:10
Setzen sie auf Demokratie oder Stabilität


Beides ist wichtiger als wichtig.

Wie soll eine Demokratie ohne Stabilität aussehen,

fragt Hema




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