Internationale Politik Stellt Tunesien die arabischen Weichen?

Während Ägypten, Irak, Libyen und Syrien im Chaos zu versinken drohen, kommt aus Tunesien ein Hoffnungsschimmer. Hier scheint sich ein ziviler Staat ähnlich der Türkei zu entwickeln, denn ab heute Montag ist die mit großer Mehrheit gewählte Verfassung in Kraft. Während sich die meisten arabischen Länder noch mit ihren "Grabenkämpfen" lähmen, hatten in Tunesien die Gegner des Regimes schon während der Diktatur zivilgesellschaftliche Strukturen mit Parteien,Gewerkschaften und Frauenverbänden aufgebaut und den Islamisten gezeigt, dass sie keine Alleinherrschaft anstreben können.
Ähnlich wie in Ägypten liegt in Tunesien nun der neue Verfassungstext vor, der bürgerliche Rechte, Gleichstellung beider Geschlechter und Religionsfreiheit verspricht.
Aber während in Tunesien das Grundgesetz auf der Grundlage heftiger Auseinandersetzungen auf parlamentarischer und gesellschaftlicher Ebene steht, wurde es in Ägypten vom Militär diktiert.

Natürlich garantiert auch in Tunesien die Verfassung allein noch keinen Rechtsstaat, aber er ist von unten her erstritten und nicht von oben diktiert.
Die neue Verfassung strotzt auch zwar von Widersprüchlichkeiten- und trotzdem wurde sie von der großen Mehrheit angenommen. Neuwahlen sind nun der nächste Schritt.

Den andern arabischen Ländern bleibt die tunesische Lehre, dass wer sich weder der alten Macht unterwerfen, noch neue Despoten an der Spitze haben will, muss den Konsens in der gesamten Gesellschaft suchen.
Das scheint in Tunesien gelungen zu sein.

Diese Erkenntnis benötigte übrigens in den europäischen Ländern fast zwei Jahrhunderte. Zuerst mussten Revolutionen, Konterrevulutionen, Terror und Kriege durchstanden werden,

Und so betrachtet könnte nach dem derzeitigen Vorbild Tunesien wieder die Hoffnung keimen, dass der Arabische Frühling doch noch zum Blühen kommen könnte.

Luchs35

Neuwahlen und was kommt danach!

So ähnlich schrieb und hoffte man in der Ukraine.

Doch der Oberste Rat die Werchnowa Rada, demokratisch gewählt und von der OSZE anerkannt fand sich auf der Strasse wieder.

In der VII.Wahlperiode und den Wahlen vom 28. Oktober 2012 existiert dieses Parlament. eher als eine Prügelarena.

Die Partei der Regionen PR mit Janukowitsch an der Spitze 3o% und 185 Sitze
Das Wahlbündnis der Timoschenko "Vaterland" 25,66% und 104 Sitze
Klitschkos Partei "Udar" mit 14 % und 20 Sitzen im "demokratischen" Parlament
Ohle Tjahniboks faschistische und antisemitische Partei "Svoboda" 10,5 % und 37 Sitzen
Petro Symonenkos Kommunisten mit 13,2 % und 32 Sitzen in der Werchnowa Rada, brachten einfach keine demokratische Arbeit zustande.

Wenn es in Tunesien gelingen sollte, dann dürfte man von einem Wunder sprechen.

In Tunesien agieren islamische Fundamentalisten, in der Ukraine nicht.

Gruß Crimmscher

Danke luchs35,

positive Nachrichten, gerade in diesen Tagen, sollten nicht unter den Teppich gekehrt werden. Ich wünsche den Tunesiern alles Gute!

Karl

Informiere Dich einfach ein bisschen ausführlicher, Crimmscher, dann kommst Du darauf, dass Du die arabischen Länder -im Mittelpunkt derzeit Tunesien- nicht mit der europäischen Ukraine vergleichen kannst.
Übrigens hat die Ukraine einen eigenen Themenstrang.

Luchs35

Auch das gleiche Erscheinungsbild!

In Tunesien hat ja alles begonnen als sich der junge Obstverkäufer selbst verbrannte. All das ist drei Jahre her - es ist erschütternd, dass sich nichts geändert hat. Die Blaupause Tunesien dürfte unzureichend sein - die anderen Staaten und Risiko-Herde sind grösser. Olga

Noch haben die Salafisten das sagen im Untergrund.

Gr Crimmscher

Genau das ist ein verzerrter Blick auf Tunesien, Crimmscher, und er besteht eher auf den üblichen Schlagwörtern.

Hier haben keine Revulotionen im eigentlichen Sinn stattgefunden, die an einer gesellschaftlichen oder politischen Programmatik festgemacht werden konnten. Es ging gegen die Verursacher der Massenarmut und gesellschaftlicher Beschränkung, die vor allem von der urbanen Jugend mit ihrem Wissen über Technologien der globalen Informationsmöglichkeit gesprengt wurden. Sie waren resistent gegen die Heilsversprechen der fanatischen Islamisten, die hier kaum wirklich Boden fassen konnten und zur Mitgestaltung bereit waren.

Tunesien steht nun noch am Anfang, aber er ist vielversprechender als alle Bemühungen der anderen arabischen Länder, weil es hier bereits ein politisches Programm unter der Mitwirkung der säkularen wie auch der islamistischen Kräfte entstanden ist, bevor alles in Scherben lag. Hier wurde die Chance genutzt, eine Gesellschaft aufzubauen, die tragfähig gegenüber Fanatikern ist.

Dies ist der große Hoffnungsschimmer, der derzeit allein von Tunesien ausgeht und sich vielleicht in ähnlicher Weise in Ägypten fortsetzen könnte, auch wenn dieses Land noch sehr zerrissen ist. Dass tiefster Frieden trotzdem nicht von heute auf morgen gelingen wird, ist einberechenbar.

Für den haltbaren Weg zur arabischen Freiheit ist es noch ein langer Marsch. Aber auch 100 Schritte beginnen mit einem ersten, sagte schon ein weiser Mann!

Luchs35

Ich habe die Vorgänge in Tunesien auch verfolgt und teile Deine Schlussfolgerungen, luchs35. Ich danke Dir auch dafür, dass Du Dich von Beiträgen, die nur vom Bedürfnis der Lautäußerung geprägt sind, nicht beirren lässt. Wie man angesichts der Vorgänge schreiben kann, es habe sich nichts verändert, gibt mir wirklich Rätsel auf.

Karl

Das Fragezeichen in der Überschrift ist dennoch angebracht!

Gr Crimmscher