Internationale Politik Stéphane Hessel - "Empört Euch!"

Anfang dieses Jahres forderte er seine Mitbürger auf mit seinem Pamphlet: "Indignez-vous!" übersetzt: "Emport Euch!": Stéphane Hessel, 93 Jahre alt, der trotz seines hohen Alters eigentlich als die Verkörperung des Wutbürgers betrachtet werden kann.

Wer ist dieser zornige alte Mann?
Eigentlich kann man ihn eher als Grandseigneur bezeichnen, einer der Mitkämpfer in der Résistance gewesen ist, ein Überlebender des KZs Buchenwald, der später als Schriftsteller und Diplomat bekannt wurde – und u.a. die Uno-Menschenrechts-Charta, mitformulierte - usw...

Er hat sich nie - auch nicht im hohen Alter zurückgezogen - blieb nicht nur interessiert an die Geschehnissen dieser Welt, sondern mischt sich auch jetzt noch ein – und wie schon aufgezeigt: empörte sich ganz laut über manche Entwicklungen, bzw. fordert uns alle auf, uns auch zu empören.

Einige Schwerpunkte seiner Aktivitäten sollten hier aufgezeigt werden – seine Aufmerksamkeit und sein Einmischen galt sowohl der Unabhängigkeit Algeriens, sehr früh schon war er ein Befürworter der Einigung Europas, fand sich auch als Kämpfer ihrer Rechte an der Seite der Einwanderern aus Ländern der so genannten Dritten Welt – usw...

Sein Pamphlet "Empört Euch" ist an die Europäer gerichtet – seine eigene Empörung die er gerne mit uns allen teilen möchte, richtet sich gegen die Verursacher der Finanzkrise, gegen die Schere zwischen Reich und Arm, die immer mehr auseinander klafft, und gegen die Indifferenz angesichts des Elends der Flüchtlinge – um nur einige Punkte zu nennen.

Zitat:

»Die schlimmste aller Haltungen ist die Indifferenz, ist zu sagen: ›Ich kann für nichts, ich wurschtel mich durch.‹ Wenn ihr euch so verhaltet, verliert ihr eine der essenziellen Eigenschaften, die den Menschen ausmachen: die Fähigkeit, sich zu empören, und das Engagement, das daraus folgt.«

Diesem ersten Pamphlet folgte ein zweites mit dem Titel "Engagiert Euch".

Miriam

"Indignez-vous!"


sitting bull

Sind eigentlich die Gründe sich zu empören nicht sehr individuell? Dies frage ich mich, den Text von Stéphane Hessel lesend.

Nicht jeder wird sich damit identifizieren können - denn die Art wie wir unsere Umgebung bzw. die Ereignisse wahrnehmen, sind ja unterschiedlich. Es muss - nach meinem Empfinden - eine gewisse Resonanz bestehen, um die Empfindungen anderer, nachzuvollziehen.

Stéphane Hessel schreibt:

Mein langes Leben hat mir eine ganze Reihe von Gründen gegeben, mich zu empören.
Diese Gründe sind weniger aus einem Gefühl heraus entstanden, sondern aus dem Willen sich für etwas einzusetzen. Der junge „Normale“ der ich war, wurde sehr
durch Jean-Paul Sartre geprägt, einem älteren Mitschüler. Die Werke Der Ekel, Die Mauer, Das Sein und das Nichts, waren sehr wichtig für meine gedankliche Entwicklung.

Sartre hat uns gelehrt, uns selbst zu sagen: „Ihr seid als Individuum verantwortlich.“
Das war eine befreiende Botschaft. Die menschliche Verantwortung, die sich weder einer Macht noch einem Gott zu unterwerfen hat.
Im Gegenteil, man muss sich im Namen seiner Persönlichkeit verantworten.

Ende des Zitats.

Diese Sätze sind so voller Inhalt, knüpfen auch an die große Zeit des Jean-Paul Sarte an.

Wir sind eine viel zu schnelllebige Gesellschaft geworden - wer verweilt noch bei so einem Text?

Miriam

Sartre hat uns gelehrt, uns selbst zu sagen: „Ihr seid als Individuum verantwortlich.“

jean paul sartre hat seine "existentialistische haltung" später , u.a. in der auseinandersetzung mit
albert camus , historisch neu verortet :
"der marxismus ist die philosophie des jahrhunderts"

SB

Ich werde mir den Text zu Weihnachten schenken lassen. Vorher werde ich keine Zeit zum Lesen finden - leider. Karl

Diese Sätze sind so voller Inhalt, knüpfen auch an die große Zeit des Jean-Paul Sarte an.

Wir sind eine viel zu schnelllebige Gesellschaft geworden - wer verweilt noch bei so einem Text?

Miriam

J.P. Sartre hatte viele solcher starker Sätze - kein Wunder bei dieser starken Frau, mit der er so lange zusammen war.
Mich beeindruckte immer am stärksten "die geschlossene Gesellschaft" und daraus der Satz: die Hölle sind immer die Anderen! (aber nur im Zusammenhang zu kapieren).
Mit Herrn Hessel kann ich in bezug auf Deutschland wenig anfangen; man merkt, dass er die meiste Zeit seines Lebens in Frankreich lebt, wo naturgemäss die Probleme, Riten usw. völlig anders sind als in Deutschland. Olga

Mit Herrn Hessel kann ich in bezug auf Deutschland wenig anfangen; man merkt, dass er die meiste Zeit seines Lebens in Frankreich lebt, wo naturgemäss die Probleme, Riten usw.
völlig anders sind als in Deutschland.

womit das dann ja auch geklärt wäre...


SB

Diesmal greife ich zurück auf einem Thread von Oktober 2011.

Der alte, empörte Mann, Stéphane Hessel, ist in der vergangenen Nacht gestorben – er wurde 95 Jahre alt.

Hessel wurde in Berlin geboren. Seine Familie wanderte im Jahr 1924 nach Frankreich aus.

Wie könnte man Stéphane Hessel zutreffend charakterisieren?

Dazu wiederhole ich einen Satz aus meinem Eröffnungsbeitrag von Okt. 2011:

"Eigentlich kann man ihn eher als einen Grandseigneur bezeichnen, einer der Mitkämpfer in der Résistance gewesen ist, ein Überlebender des KZs Buchenwald, der später als Schriftsteller und Diplomat bekannt wurde – und u.a. die Uno-Menschenrechts-Charta, mitformulierte.“

Eine seiner wichtigen Funktionen erfüllte Hessel während des zweiten Weltkrieges als Mitglied des Widerstandskomitees von General de Gaulle in London – und fungierte dabei als Verbindungsmann zwischen der Résistence in Frankreich und der in London sich befindenden Zentrale.

Später als Diplomat, war Hessel einer der Autoren der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, die im Jahr 1948 von den Vereinten Nationen verabschiedet wurden.

Unter dem Präsidenten François Mitterrand, war Stéphane Hessel einer seiner engsten Mitarbeitern im Rahmen des Außenministeriums.

Sein Traum war stets ein Vereintes Europa. Doch so wie für viele andere auch, entstand auch für Stéphane Hessel, nach der Finanzkrise, auch eine Vertrauenskrise.

Er schreibt in diesem Zusammenhang:

"Ich hätte mir gewünscht, dass schon jetzt - und umso mehr im Jahre 2020 - Europa eine einheitliche Außenpolitik und Wirtschaftsentwicklungspolitik zustande bringen könnte. Das ist auch nicht unmöglich, aber es bedeutet von Seiten der größeren Mächte ein Anhören von dem, was die anderen brauchen.
Nicht nur Griechenland ein bisschen Hilfe zu geben, sondern wirklich mit Griechenland, Spanien und Irland so zu arbeiten, dass sie sich als voneinander abhängig und solidarisch empfinden."

Miriam

Er wurde ja auch als Zwangsarbeiter in Dora, der Domäne des hochgelobten Wernher von Braun, gequält. Sein Glück war wohl, dass dies alles erst zum Ende des Krieges geschah (1944) und nicht zum Beginn, sonst hätte er das hohe Alter von 95 Jahren wohl nicht erreicht. Olga

Gestern sah ich in 3Sat ein Interview mit St.Hessel, das 2011 erstmalig ausgestrahlt wurde.

Gelebter Humanismus, geistige Regheit im hohen Alter, Menschlichkeit,für mich gelebte Menschlichkeit und nicht nur vor sich hergetragene, Optimismus ....

Ein Vorbild für ein gelungenes Leben trotz aller erlebten Widrigkeiten, ein großartiger Mensch mit großen Ideen

LG mart