Internationale Politik The Cloud - que sera?

seewolf
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The Cloud - que sera?
geschrieben von seewolf
Aus der "Zeit-Online":
"Unsere Zukunft in der Matrix

Wem gehören unsere Daten? Wer bremst Google? Zerstört das Internet die Mittelschicht? Durch die Vernetzung der Welt bleibt nichts, wie es war. Ein Essay von Nicholas Carr"

--
seewolf
supi62
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Re: The Cloud - que sera?
geschrieben von supi62
als Antwort auf seewolf vom 07.11.2009, 15:40:21
und das scheint mir nur einer von vielen aspekten zu sein, der in deinem link angesprochen wird...

eine meiner umschreibungen, wenn auch in einem anderen zusammenhang, befindet sich unten im link.

nur scheint mir, ich konnte mich nicht verständlich machen…

herzlich s
carlos1
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Re: The Cloud - que sera?
geschrieben von carlos1
als Antwort auf seewolf vom 07.11.2009, 15:40:21
Hallo seewolf,
als ich den essay von Carr überflog, wurde mir nicht so recht klar, wie dieses Phänomen der Netzwelt einzuordnen ist. Im Grund stehen wir erst am Anfang einer Entwicklung und die Auswirkungen auf unser Leben, Denken, die Wirtschaft, Politik und Kultur können wir nur grob einschätzen. Es ist eigentlich ein Blick in die Zukunft, science fiction, was die Angelsachsen so gerne pflegen. Dazu gehört nun auch mal, dass Parallelen gezogen werden (Analogieschlüsse). So wie das elektrische Netz neu Berufsmöglichkeiten gechaffen haben soll, so wird die Netzwelt diese Möglichkeiten zerstören, weil die mediale Macht in den Händen weniger konzentriert sein wird. Wie die Zukunft aussehen wird, wissen wir erst, wenn die Zukunft vorbei ist.

Die elektriche Stromversorgung über Netze hat übrigens nicht neue Berufe und damit den Mittelstand erst geschaffen. Das tat eine andere Erfindung, der Elektromotor von Siemens (60er Jahre 19. Jhd.) der da war bevor das el. Netz installiert wurde. Seinen Siegeszug hätte der Elektromotor ohne el. Stromverosrgung nicht angetreten. Auch eine weit verbreitete Dampfmaschine hat neue Berufe ermöglicht. Nur hat sich die Dampfmschine nicht durchgesetzt.

supi hat auf ihren Beitrag verwiesen. Darfaus einen kurzen Abschnitt:

"kein elektrisches licht
keine flugzeuge
keine waschmaschinen
keine computer
keine studienräte…

ich glaube, uns ginge es viel besser, wenn es all das nicht gäbe, denn die menschen wären nicht so weit auseinander gerückt und auch nicht so weit von sich selber entfernt worden…

zugegeben, ich musste auch erst ein paar tage alt werden, um es gesamtheitlich zu begreifen"



Ich frage mich, ob wir nicht doch durch die moderne Technik näher zusammengerückt sind. Die Entfernungen sind geschrumpft, übers Internet können wir rasch und intensiv kommunizieren. Wie nutzen wir aber diese Technik? Liegt es an der Technik allein, wenn diese Mittel der Technik Menschen trennen und gewachsene Strukturen zerstören?


c.





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supi62
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Re: The Cloud - que sera?
geschrieben von supi62
als Antwort auf carlos1 vom 07.11.2009, 16:41:30
ich glaube sicherlich liegt es an den menschen, welche die technik sich zu eigen machen…

und „näherzusammenrücken“ im sinne von entfernungen überwunden, ja…
nur gilt dies auch tatsächlich für die kommunikation und die menschliche nähe/wärme?
ich glaube eher nicht…

in wie viele haushalte kam ich rein (ganz gleich zu welcher uhrzeit) und der fernseher lief…
und selbiges gilt für kinder/erwachsene, welche stunden vor dem pc verbingen…

alles nonverbal…

und ich glaube kaum, dass man darüber diskutieren muss, ob nun die technik mehr arbeitsplätze schaffte, als abschaffte…

und was werden wird? es wird sich weisen...

herzlich s
seewolf
seewolf
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Re: The Cloud - que sera?
geschrieben von seewolf
als Antwort auf carlos1 vom 07.11.2009, 16:41:30
Nein Carlos - es liegt nicht an der Technik an sich. Es liegt auch nicht am schnöden Messer, daß mancher sich zu oft damit selbst schneidet. Bedachtes Hantieren mit dem Werkzeug vermeidet "Unfälle".

Der Begriff "Entschleunigung" spielt sicher hinein in diese Thematik. Nicht alles, was schneller ginge, muß schneller gehen. Nicht alles, was machbar ist, muß allein deswegen gemacht werden.

Die Menschen müssen von immer mehr "Möglichkeiten" eben immer weniger Gebrauch machen. Sonst überheben sie sich...
--
seewolf
supi62
supi62
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Re: The Cloud - que sera?
geschrieben von supi62
als Antwort auf seewolf vom 07.11.2009, 17:06:59
...

Die Menschen müssen von immer mehr "Möglichkeiten" eben immer weniger Gebrauch machen. Sonst überheben sie sich...
--
seewolf


toll formuliert

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carlos1
carlos1
Mitglied

Re: The Cloud - que sera?
geschrieben von carlos1
als Antwort auf seewolf vom 07.11.2009, 17:06:59

"Nein Carlos - es liegt nicht an der Technik an sich. Es liegt auch nicht am schnöden Messer, daß mancher sich zu oft damit selbst schneidet." seewolf


Hallo seewolf,
um Missverständnissen vorzubeugen: ich habe nicht behauptet, dass es an der Technik liege.

Das Wort "entschleuingen" nennt den Lebensbezug. Es geht alles langsamer, wenn wir wollen. Zeit ist Geld (Benjamin Franklin 17. Jh). Daran lässt sich die Beschleunigung festmachen, die uns seelisch krank machen kann. Dahinter steckt die Wachstumsproblematik.

Wenn wir viel haben, ist es leicht auf Dinge zu verzichten wie guten Wein, gutes Essen, gute Kleidung, ein schönes Haus, Flugreisen in die weite Welt. Danach streben wir, geben wir es doch zu. Können oder wollen wir auf diese exklusiven Dinge verzichten, dann wäre es gut. Eine Entschleunigung gesamtwirtschaftlich gesehen führt jedoch zu geringeren Einkommen. Dagegen haben wohl alle etwas. Persönlich kann jeder sein Leben einrichten, wie es gefällt. Nur sollte nicht Wasser gepredigt werden und Wein getrunken werden. Wachstum, um mehr zu haben von dem, wovon wir genügend haben, wäre Verschwendung. Müssen wir das aber dem Einzelnen vorschreiben? Es ist Sache des Einzelnen.

Das Thema kann unter vielen Gesichtspunkten behandelt werden, psychologischen, historischen, politischen, theologischen, philosophischen (anthropologische). Es gehört eher unter Philosophie-Geisteswischaften eingeordnet als unter Internationale Politik

c

seewolf
seewolf
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Re: The Cloud - que sera?
geschrieben von seewolf
als Antwort auf carlos1 vom 08.11.2009, 12:21:20
Carlos - wozu dann überhaupt noch "Leadership"? Mache jeder was er wolle ... DAS kann doch nicht der Inhalt von Politik sein.
--
seewolf
Karl
Karl
Administrator

Re: The Cloud - que sera?
geschrieben von Karl
als Antwort auf seewolf vom 07.11.2009, 15:40:21
Lieber Seewolf,


ich war über das Wochenende auf einem runden Geburtstag und lese erst jetzt Dein sehr interessantes Thema und den zugehörigen Link. Im Gegensatz zu Carlos1 finde ich nicht, dass dies Science fiction ist, sondern eine Fortschreibung heute bereits stattfindender Entwicklungen.

Ein wenig mutet mich der Aufsatz von Nicholas Carr wie eine auf neuen Fakten basierende Erweiterung meines alten Textes "Mensch und Computer" von 1981 an. Ich schrieb dort:

"Die Einsparung menschlicher Arbeitskraft durch den Einsatz der Computertechnologie ist - trotz politisch motivierter Gegenrede - evident. Die heutige Arbeitslosigkeit ist zumindest teilweise auf die progressive Automatisierung der Produktionsprozesse zurückzuführen. Der Anteil dieser strukturellen Arbeitslosigkeit wird zunehmen, trotz der langfristig drastischen Verkürzung der menschlichen Arbeitszeit.

Die heutige Situation ist nicht nur einfach eine Wiederholung der Erscheinungen während der ersten industriellen Revolution im 19. Jahrhundert, als z.B. die Weber durch die Konkurrenz der mechanischen Webstühle brotlos wurden. Jede der damaligen Maschinen bedeutete wenigstens auch einen Arbeitsplatz für denjenigen, der sie bedienen mußte. Heute ist die Entwicklung hingegen gerade die, daß Maschinen selbständig (automatisch) ihre Arbeit verrichten. Menschenleere Fabriken sind z.B. in der Automobilindustrie und in der chemischen Verfahrenstechnik schon heute keine Utopie mehr. Vor allem auch in der Computerentwicklung selbst werden immer mehr Computer eingesetzt. Das dynamische Wachstum dieser Branche verschleiert noch, daß pro Produktionseinheit immer weniger Mensch benötigt wird.

Früher wurde die Handarbeit mechanisiert, der Mensch blieb immer der 'Kopf' des Mensch-Maschine Systems. Heute wird auch die Kopfarbeit automatisiert; wird dadurch der Mensch funktionslos?"


Nicholas Carr schreibt jetzt 28 Jahre später:

Heute stecken wir erneut inmitten einer epochalen Transformation. Was vor einem Jahrhundert auf dem Gebiet der Produktion von Energie geschah, das geschieht jetzt auf dem Gebiet der Produktion von Information. ... Historisch führte der Aufstieg neuer Technologien dazu, dass bestimmte Arten von Arbeitsplätzen verlorengingen, schließlich aber viel mehr neue Jobs geschaffen wurden: Die Elektrifizierung brachte viele Handwerker um ihren Broterwerb, schuf aber zugleich viel mehr Arbeitsplätze für ungelernte Fabrikarbeiter und qualifizierte Angestellte. Die Computerisierung hingegen bewirkt etwas völlig anderes. Sie hat es Unternehmen ermöglicht, alle Arten von Arbeitskräften zu ersetzen, qualifizierte wie ungelernte. Aber sie hat nicht gleichzeitig massenhaft neue, gut bezahlte Tätigkeiten geschaffen, die an die Stelle der zerstörten Arbeitsplätze treten könnten.
geschrieben von Nicholas Carr


Nicholas Carr zitiert den amerikanische Ökonom Jagdish Bhagwati. Dieser meint, die Computerisierung sei der entscheidende Grund dafür, dass die Einkommen der amerikanischen Mittelschichten seit zwei Jahrzehnten stagnieren. »Es gibt heute noch Fließbänder, aber diese benötigen keine Arbeiter mehr«, schreibt Bhagwati. »Sie werden von Computern gesteuert, die von hoch qualifizierten Ingenieuren bedient werden.« Unter normalen Umständen würde die Einführung neuer, Arbeitskräfte sparender Technologien die Einkommen nur für kurze Zeit drücken; danach würde der Produktivitätszuwachs, der aus dem Einsatz dieser Technologien resultiert, die Löhne wieder hochtreiben. Aber Informationstechnologie wirke sich anders aus, erklärt Bhagwati. Die Wegrationalisierung von Arbeitsplätzen werde zu einem »fortwährenden Prozess«, schreibt er. »Der Druck auf die Löhne wird erbarmungslos.«

Unabhängig wie man zu Detailprognosen steht, ich denke jedem ist heute irgendwie klar, dass eine gewaltige Transformation in Gange ist. Ich habe erst vor wenigen Tagen hier die Diskussion über "Mixed reality" bzw. die "Virtuell erweiterte Realität" gestartet. Diese Entwicklungen sind Teil davon. Nicholas Carr thematisiert den möglichen Bedeutungsverlust der Mittelklasse, weil sich die neuen virtuellen Produktionsmittel in den Händen sehr weniger befinden. Es brauchte, z. B. bei YouTube nicht viele Mitarbeiter, um innerhalb des Gründerjahres der Firma enorme Werte zu schaffen. Nicht viele haben von dieser Werteentwicklung profitiert, keine Heerschar von Arbeitern wie z. B. in den großen Autofabriken des letzten Jahrhunderts, weil eben nur 60 Mitarbeiter überhaupt nötig waren.

Die Virtualisierung der Warenproduktion und die dabei entstehenden Kosten sind so gering, dass die Marge von Firmen wie Google oder zunehmend auch Apple gigantisch ist. Sie bringen nur einer verschwindend kleinen Minderheit Arbeit, schöpfen aber einen enormen Mehrwert ab.

Ich würde daraus zwar nicht folgern, dass das Gros der Menschheit zwangsläufig verarmen muss und der Lebensstandard sinkt (die virtuellen Dienste könnten ja einen enormen Zugewinn an Lebensqualität bedeuten), aber politisch muss etwas geschehen, um die Macht der Herrscher über die virtuelle Welt in Schach zu halten. Sie dürfen nicht so übermächtig und in die Lage versetzt werden, einen virtuellen Kokon um uns zu spinnen, der uns der Individualität und Selbstbestimmung beraubt.
--
karl
seewolf
seewolf
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Re: The Cloud - que sera?
geschrieben von seewolf
als Antwort auf Karl vom 08.11.2009, 18:45:39

D'accord, Karl. Ich habe das Thema bewußt unter "Politik" eingebracht. Ich bin - wie Du - der Überzeugung, daß nur echte "Leadership", d.h. überzeugte, von Grundwerten getragene und energische politische Führung, unerläßlich ist, um die Modalitäten des Lebens für die "im Produktionsprozeß überflüssigen" und damit vom Erwerbsleben abgeschnittenen Mitbürger von Staats wegen auskömmlich zu organisieren.

Ich glaube nicht an den Altruismus weniger Reicher. Ich glaube auch nicht an die diesbezügliche Potenz nationaler Politiker.

Es will scheinen, als müßten international verantwortliche Leader eine gemeinsame Finanzierungsform über Steuern und Abgaben ersinnen und einführen. Sonst bleiben die Massen auf der Strecke.

--
seewolf

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