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Internationale Politik US-Imperialismus? Sowjet-Imperialismus!

carlos1
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Mitglied

Re: US-Imperialismus? Sowjet-Imperialismus!
geschrieben von carlos1
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 21.08.2010, 14:34:29
„Imperialismus( imperare= herrschen) nennt man das Bestreben eines Staates, seinen Einfluss auf andere Länder oder Völker auszudehnen, bis hin zu deren Unterwerfung und Eingliederung ins eigene Reich.“ Klaus


@ klaus
Der Thread gerät zu einem Exkurs in die Geschichte. Du versuchst es in deinem Beitrag zunächst mit einer Definition. Gehe ich von dieser Definition aus, lassen sich jedoch anachronistische Begriffe wie Vasallenstaat, , tributpdlichtige Provinz, Protektorat oder Kolonie, die Einstellung gegenüber den Bewohnern jenseits der Grenzen als Barbaren ohne weiteres auf eine ganze Reihe von heutigen (auch kleineren) Staaten anwenden. Ich möchte auch Bedenken anmelden gegen die Auffassung, dass Lenin maßgeblich an der Schaffung des Sowjetimperiums mitgewirkt hat. Lenin und Stalin haben die Zaren beerbt. Außenpolitisch betrieb Stalin die gleiche Politik wie die Zaren



In der kurzen Zeit von Ende 1917 bis zu seiner schweren Krankheit war Lenin nur beschäftigt das bereits bestehende riesige russische Reich, Erbmasse der Zaren, vor dem Zerfall im Bürgerkrieg zu bewahren. Im Frieden von Brest Litowsk mit Deutschland Frühjahr 1918 ging Lenin einen Kompromiss ein und verzichtete auf wichtige Teile Russlands. Er tat es im (irrigen) Glauben an den bevorstehenden Sieg der proletarischen Weltrevolution (Deutschland sollte der Zündfunke sein). Der Sieg der Roten im Kampf gegen die Weißen erhielt das russische Großreich in seiner Ausdehnung. Dieser flächenmäßig größte Staat auf dem Globus war das Werk der Zaren seit dem Machtzerfall des Mongolenreiches. Die Wiedergeburt Russlands als Machtfaktor nach dem Untergang des Kiewer Reiches im Mongolensturm war das Werk der Großfürsten von Moskau, die die „Sammlung der russischen Erde“ begannen. Das Ergebnis lässt sich sehen: Dieses Staatsgebilde umfasste um 1900 die Gebiete von der polnischen Grenze bis nach Sibirien und weit in den Süden in den Kaukasus östlich davon nach Innerasien und an die Grenze Afghanistans (ca 22,5 Mio qkm). England fürchtete im 19. Jahrhundert den Vorstoß der Russen an den Indischen Ozean und den Persischen Golf. Wenn von russischem Imperialismus gesprochen werden kann, dann ab Peter I. Mit diesem Imperialismus einher gingen Siedlungspolitik und ethnische Säuberungen in den eroberten Gebieten zwecks Sicherung der bestehenden Gebiete (Südrussland).



Die imperiale Machtausdehnung Stalins beschränkte sich auf die Gebiete, die der Sowjetunion in den Verträgen mit Hitler 1939 im Geheimen Zusatzprotokoll zugesprochen wurden (Finnland, baltische Staaten, Ostpolen, Bessarabien), aber diese Gebiete waren vor dem ersten Weltkrieg bereits Teil des Russischen Reiches gewesen. Die Gebiete, die 1944 und 1945 in Ostmitteleuropa von der Roten Armee besetzt und befreit wurden und in denen gegen den Willen der Bevölkerung das sowjetische System in der Form der Volksdemokratien installiert wurden, können vage als eine Art sowjetisches Prorektorat betrachtet werden. Im Kalten Krieg sprach auf westlicher‚ Seite von Satellitenstaaten. Die Macht der Kommunisten beruhte auf den sowjetischen Bajonetten. Die Größe der Fläche allein macht aber noch kein Imperium aus.



Bezeichnend ist, dass es den Kommunisten nicht gelang, ihre Ideologie ohne Gewalt einzuführen. Wo der Kommunismus sich durchsetzte geschah es fast immer mit Gewalt oder durch Täuschung. Ende der 20er Jahre gab Stalin übrigens die marxistische Forderung nach dem Sieg des Sozialismus weltweit auf (wie Trotzky es forderte)und ging über zur Strategie des Sozialismus in einem Lande. Mit dem kommunistischen China und der Sowjetunion samt Satellitenstaaten umfasste das kommunistische Imperium in etwa das Gebiet des Mongolenreiches vom 13. Bis 15. Jahrhunderts. Der kommunistische Staatenbereich war dagegen aber niemals ein monolithischer Block. Die Gründe können hier nicht erörtert werden.



Genau darin unterschied das Sowjetimperium sich beispielsweise von der Macht Roms. Dessen Macht beruhte auf einem wichtigen psychologischen Faktor: Civis Romanus sum (römisches Bürgerrecht . Das war ein Ehrentitel für den der es war, und danach zu streben war ein hohes Ziel. Die römische Zivilisation war den Barbaren an den Grenzen weit überlegen. Die NATO beispielsweise ist ein Bündnis, das keineswegs auf der Anwesenheit von US-Streitkräften beruht. Es besteht die Möglichkeit gegen die US-Politik zu protestieren. Es ist eine indirekte Herrschaft, was man von der Herrschaft der von Moskau abhängigen KPs in Osteuropa und der DDR nicht sagen kann. Der „American way of life“ und seine Kultur bestimmen in vielerlei Hinsicht unser Leben in Europa .udn weltweit. Dies wird von Völkern anderer Kulturkreise teilweise anders gesehen. Aber sie sind gezwungen sich damit auseinanderzusetzen.


Die inkriminierte Überschrift „US-Imperialismus? Sowjet-Imperialismus!“ hat für uns in Europa ihre Berechtigung auf dem Hintergrund des Kalten Krieges und der kommunistischen Unterdrückung in Osteuropa.

Das Trauma der russischen Geschichte ist der Untergang des Kiewer Reiches im Mongolensturm. Die kulturelle, soziale und politische Rückständigkeit im 18. Und 19. Jhd wird von russischen Historikern auf die Herrschaft der Mongolen zurückgeführt. Das heißt nichts anderes als dass sie sich als das Opfer eines mongolischen Imperialismus fühlen.


c.

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