Forum Soziales und Lebenshilfe Lebenshilfe Benümm Dir nie daneben

Lebenshilfe Benümm Dir nie daneben

EmilWachkopp
EmilWachkopp
Mitglied

Benümm Dir nie daneben
geschrieben von EmilWachkopp
Ich war mit Edmund auf Sauftour. Ausnahmsweise einmal, und der Anlass dazu war ein ganz besonderer. Ich hatte nümlich soeben das Staatsexamen beim Verlosen gewonnen.
Nein, das ist kein guter Anfang für diese Geschichte. Ich wähle einen andren.

Ich warne die Leser(innen) ausdrücklich davor, mit Edmund jemals auf Sauftour zu gehen. Mit dem hält keiner mit, und das Ende überlebt nur er.
Auch das ist kein guter Anfang für diese Geschichte. Ich weiß gar nicht, was heute mit mir los ist! Ich kriech keine gute Einleitung hin.

Ich verabscheue Menschen, die sich wie Schweine benehmen. Ja, diese Einleitung gefällt mir schon wesentlich besser, weil sie – wenn gut weiterentwickelt – zur moralischen Veredlung der Menschen beitragen kann. Das Thema muss nur noch büschen präzisiert werden.
Sag mal, ich tu in ein Geschäft gehen. Warum soll ich mir denn mit die Verkäufer(innen) anlegen? Und jetzt ahnen schon alle Leser(innen), wie sie sich nicht zu verhalten haben, wenn sie in ein Geschäft gehen. Der moralische Imperativ muss nur noch klarer ausgemeißelt und auf den Sockel einer stichhaltigen Begründung gesetzt werden.
Entweder es gibt das, was ich haben will, in das Geschäft oder es gibt es nicht. Aber in beiden Fällen trifft die Verkäufer(innen) keine Schuld. Entweder die Verkäufer(innen) verstehen was ich haben will, oder ich bin zu ochsig um meinen Wunsch klar zu formulieren. Auch im letzteren Fall trifft die Verkäufer(innen) keine Schuld. Es gibt also normalerweise nie einen Grund dafür, Verkäufer(innen) das Leben schwerer zu machen.

Mit diesen profunden Weisheiten im Rückenmark schwankten Edmund und ich in einen Bücherladen in die Ost-West-Straße in Hamburg. Edmund brauchte doch ein Buch für seine Schwester, Piefke genannt, weil die bald Geburtstag hatte und aus Gewohnheit Literatur in Mengen verzehrte wie ihr Bruder, der Edmund, den Schnaps. In die Familie waren überhaupt alle so richtige Gierhälse, die den Rachen nie voll kriegen konnten. Ob das jetzt Sprit, Fressen, Literatur oder Sex war. Nur was die Arbeit betraf, waren alle gleichermaßen zurückhaltend.

„EIN Buch?“ lallte ich. „Das hat sie in zehn Minuten ausgelesen. 1000 müsstest du kaufen.“ „Tausend Bücher!!??“ polterte Edmund mit seiner heiseren, verraspelten Stimme. „Du bist der geborene Verschwender. Aber in Proletenkreisen will man sein Geld besser anlegen.“ „Indem man es in die Kneipen schleppt.“ „Du hast es …örrrks (Rülpser) … erfasst, Adelsemil.“

Schon beim Eintritt in den Bücherladen hörten wir wie ein ungehobelter Flotz von Kunde eine junge Verkäuferin förmlich zur Sau machte, wie es damals der Volksmund ausgedrückt hätte. Das war ein arger Verstoß gegen unseren Moralkodex, so dass sofort unsere Indignation geweckt wurde. Ein Duell? Meinetwegen. Aber nicht zwischen einem Aggressor, dem alles erlaubt ist und einem Aggressionsobjekt, dem eine veraltete Berufsmoral (auch ein Schwein ist des Verkäufers König) die Hände bindet. Der pöbelnde Flotz war augenscheinlich daran gewöhnt, Befehle zu erteilen, warum er seine Opfer nur unter in irgendeiner Art Abhängigen finden konnte. Denn nur Abhängigkeit – sei sie moralischer, psychologischer oder sozialer Art – hindert das Opfer sich seinen Möglichkeiten entsprechend zu wehren.

Was der pöbelnde Flotz der Verkäuferin alles an den Kopf geworfen hat (und es waren die gröbsten Gemeinheiten), weiß ich natürlich heute nicht mehr. Ich hatte doch damals schwer einen in der Kiste. Trotzdem tat ich mein Bestes. Ich holte aus, um dem Pöbler (meiner eignen Sicherheit wegen von hinten) die Faust in den Nacken zu schlagen. Doch haute ich vorbei, drehte mich einmal um mich selbst und saß mit dem Ar …, saß auf dem Fußboden. „Gong!“ sagte es in meinem Kopf. „Ende der Runde eins.“

Doch dann begann Edmunds Auftritt; und ich gestehe frei, dass ich ihm so viel Intelligenz und taktische Finesse gar nicht zugetraut hätte. Er packte die Hände des Pöblers mit eisernem Griff und legte sie sich um seinen eignen Hals, wobei er schrie: „Help mi!! Anschlag!! Mord!!! De Keerl wörgt mi de Luft af!!!“ Dann hob er den Angreifer – jetzt in „Notwehr“ – hoch und klatschte ihn einfach an die Wand. Danach wandte er sich dem staunenden Publikum –das aus Verkäuferinnen, Kunden und mir, Emil, bestand – und brüllte: „Ihr seid alle meine Zeugen. Das war Notwehr. Ich bin graad eben noch mal lebend davongekommen. Aber das war … örrrks (Rülpser) … knapp.“ Dann fiel sein Blick auf mich. „Und vorher haut er auch noch meinen besten Freund zu Boden!“
Natürlich wagte nicht einmal der verblüffte Pöbler zu widersprechen. Wahrscheinlich aus Angst, dass er sonst noch mal an die Wand geklatscht wird. Aber noch mehr, weil jede aufgeblasene Autorität sich einer größeren Autorität sofort unterwirft. Es konnte ja auch keiner wissen, dass Edmund zwar nicht ganz dicht, aber ansonsten völlig harmlos war. Normalerweise klatsch er niemand gegen die Wand. Dafür verbürge ich mir.

Nach seiner emotionalen Entladung war Edmund wieder die Höflichkeit in eigner Person: „Gestatten Sie, Fräulein, dass wir uns vorstellen. Ich bin Edmund. Biermacher von Beruf. Und der Herr da mit die weiße Adelsperücke, das ist Adelsemil“, sagte er und stieß mir dabei so hart gegen die Brust, dass ich schon wieder auf dem Fußboden saß. „Aber mit dem ist heute nicht mehr zu rechnen. Der hat nümlich graad sein Staatsabitur …“. „Examen!“ „Sein Abiturexamen beim Losen gewonnen.“
Diese Proleten!

cecile
cecile
Mitglied

Re: Benümm Dir nie daneben
geschrieben von cecile
als Antwort auf EmilWachkopp vom 13.11.2010, 22:54:57

Ach Emil Wachkopp - wenn ich dich mal unbekannterweise so unförmlich ansprechen darf:

Ob ich jetzt moralisch veredelt aus deiner Geschichte hervorkomme - ich weiß es nicht!

Aber immerhin: weit mehr als mittelschwere Erheiterung - das ist doch eine würdige Resonanz auf deinen Text, oder?



Je t'adore
Cécile

Re: Benümm Dir nie daneben
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf cecile vom 13.11.2010, 23:18:51
endlich mal wieder mein lieblingsautor

oh emil ich seh gerade du hattest ja gestern geburstag, meine besten grüssen an dich und für die nächsten 30 jahre alles gute.
EmilWachkopp
EmilWachkopp
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Re: Benümm Dir nie daneben
geschrieben von EmilWachkopp
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 13.11.2010, 23:30:47
Du liebe Zeit! Meinen Geburtstag hab ich ganz vergessen. Oder vielleicht hab ich den - aus Eitelkeit - unbewusst mit Absicht übersehen. Um mir das Altwerden nicht allzu bewusst zu machen. (Man weiss nie, was sich ganz drinnen im Kopp abspielt.)

Jedenfalls: Vielen Dank an Euch Beide für Eure lieben Antworten, die ich als Ermunterung verstehe.
Mitglied_b12f0f2
Mitglied_b12f0f2
Mitglied

Re: Benümm Dir nie daneben
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf EmilWachkopp vom 13.11.2010, 22:54:57
Da isser ja wieder

Grüss und Küss neben de Schnüss

vonne Proletenlady

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