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EmilWachkopp
EmilWachkopp
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Eheberatung und Faustrecht
geschrieben von EmilWachkopp
Ich hatte schon als Kleinkind dieses unwiderstehliche Sendungsbewusstsein, das Bewusstsein einer mir von Oben her auferlegten Mission: Schiefes gerade zu biegen, Raues zu glätten, Streit zu schlichten, Frieden zu stiften, Menschen auf den rechten Pfad zu geleiten. Und dieses Sendungsbewusstsein hätte mich fast als Dreijährigen schon ins Zuchthaus gebracht, denn – bis zur Brust von reinlichkeitseiferndem Zorn erfüllt – nagelte ich riesige Schilder an jede Kneipen- Tobaksladen- und Apothekentür mit der Aufschrift „GIFTMISCHEREI! EINTRITT NUR FÜR SELBSTMORDKANDIDATEN.“ Das haben mir dann die unbelehrbaren Knechte des Rechtes als Geschäftsschädigung ausgelegt. Aber da hat der Rechtsontologe Hubert Krach meinen Freispruch bewirkt. „Geschäftsschädigung, meine verehrte Jury, ist das Wesensmerkmal, ja der Lebenssaft des Kapitalismus. Jede Form der Konkurrenz ist – zumindest in seiner Tendenz – geschäftsschädigend für irgendjemand. Es ist das einmalige Verdienst meines dreijährigen Mandanten, Emil von Liebkne… von Wachkopp, diese Entdeckung gemacht zu haben. Dafür schulden wir ihm Dank.“

Aus Schaden wird man klug. „Emil“, sagte ich mir. „Weniger anarchistisches Gewuchte, mehr kleinbürgerliche Kleckerei mit erkennbaren Strukturen.“ Kurz: Ich wollte Eheberater werden. Na ja, genau genommen bin ich es ja auch gewesen. Eine viertel Stunde lang jedenfalls. Auf selbstständiger Basis, quasi. Aber zu dem Zeitpunkt war ich nicht mehr drei Jahre alt, sondern schon ganze sieben.
Jedenfalls: Da man mir schon bei meiner ersten Seans ein blaues Auge haute, verkroch ich mir erst mal wieder in den sicheren Hinterhalt der Theorien, um neue Strategien auszubrüten.

Aber zuvor hatte ich draußen vor der Einfahrt zu meinem Grundstück ein riesiges, bei Dunkelheit beleuchtetes, Schild angebracht:
„DIPLOMIERTER EHEBERATER (in spe) EMIL. DISKRETION UND PFIFFIGE LÖSUNGEN MIT DREIJÄHRIGER GARANTIE.“
Meine Praxis war ein Bretterverhau, den ich mir in Eile – und provisorisch – zusammengenagelt hatte. Die Beleuchtung drinnen war schummrig, damit man mein junges Alter nicht gleich erkennen konnte. Aus demselben Grund hatte ich mir auch einen langen Bart – von derselben Farbe wie meine weiße Adelsperücke –angeklebt und ein Monokel in das rechte Auge gedrückt. Meine ganze Erscheinung sollte Weisheit und Lebenserfahrung ausstrahlen und Vertrauen einflößen.

Das erste Paar, das willig schien, sich meiner ausgeklügelten Therapieform – die sich eigentlich noch im zartesten Experimentierstadium befand – zu unterwerfen, waren zwei uralte, verheiratete Knacken. Sie war 23 und er sogar schon 27. Für einen Nekrolog vielleicht noch büschen früh, aber jeder mit einem Bein schon im Grab. So sah ich die Sache damals.
„Womit kann ich dienen?“
Beide beklagten sich über Orgasmusschwierigkeiten beim anderen.
Orgasmusschwierigkeiten? Was war denn das für’n Ding?
Jedenfalls konnte ich diese merkwürdige Erscheinung an kein bestimmtes Organ binden: Weder an die Nieren noch ans Zwerchfell. Und über die andren Organe wusste ich noch nicht so gut bescheid. Und denn war mir auch neu, dass man sich über das Wehwehchen des andren beklagt, obwohl man es selber auch hat. Entweder waren die Beiden nicht ganz dicht oder die Krankheit war ansteckend und jeder verdächtigte den anderen als dessen Herd.

Um korrekt diagnostizieren zu können, musste ich näheres über die Krankheit in Erfahrung bringen:
„Bei wem haben Sie die Erasmusschwierigkeit zuerst bemerkt?“
Beide: „Bei ihm (ihr)!“
(Piep, Piep im Oberstübchen! Habe ich mir doch gleich gedacht.)
„Und wo haben Sie den Schwund zuerst bemerkt?“
Er: „Im Bett?“
Sie: „Nein, auf der Couch war das.“
„Ich meinte nicht, in welchem Möbel Sie Ihren Erasmusschwund zum ersten Mal bemerkten, sondern in welchem Körperteil?“
„Wie bitte!?! fauchte sie mir plötzlich wie aus heiterem Himmel an. Und an ihren Mann gewand sagte sie: „Amandus, ich glaube, der greise Zwerg macht sich lustig über uns.“
„Meinst du, Amanda?“
„Ganz entschieden!“
„Aber das darf er doch nicht, oder?“
„Ganz entschieden: Nein!“
Wumms, haute er mir ein blaues Auge. Entrüstet erhob sich das Paar, stapfte aus meiner soeben eingeweihten Praxis, wobei es die Tür dermaßen zuknallte, dass der Verhau ganz traurig und schief dastand.

Dies aber hatte ich nun gelernt. Auch in der Eheberatungspraxis herrscht teilweise das Faustrecht. Menschliche Vernunft und sublime Weisheit können es niemals gänzlich verdrängen. Mir blieb nur noch das Schild abzunehmen und den Verhau in Brennholz zu verwandeln.
nasti
nasti
Mitglied

Re: Eheberatung und Faustrecht
geschrieben von nasti
als Antwort auf EmilWachkopp vom 08.12.2010, 14:41:50
Herrlich geschrieben, mit Leichtigkeit eines Profis.

Danke Emil
schorsch
schorsch
Mitglied

Re: Eheberatung und Faustrecht
geschrieben von schorsch
als Antwort auf EmilWachkopp vom 08.12.2010, 14:41:50
Schön zu wissen, dass es dich noch gibt, lieber Emil ()

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