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Literatur Künstler-Gedenken

CharlotteSusanne
CharlotteSusanne
Mitglied

RE: Anekdoten und Aphorismen - Witziges und Be-Denkliches
geschrieben von CharlotteSusanne
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 05.08.2019, 07:50:46

Liebe Clematis,
da Du nicht nur an den Geburtstag, sondern auch an den Todestag von Janusz Korczak
erinnert hast, hat Dich wohl seine Biografie genauso berührt wie mich.

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Ich zitiere aus dem Klappentext des Buches :

"In seinem Leben kam alles etwas anders. Er hieß Henryk Goldszmit und wurde bekannt
als Janusz Korczak.
Als Kind jüdischer Eltern fühlte er sich vor allem als Pole.
Er wurde ein guter Arzt, aber Ruhm erwarb er als Erzieher und Schriftsteller.

Er stammte aus wohlhabendem Hause, hätte in diesen Kreisen Karriere machen können, aber
er wandte sich den Waisen und Armenkindern zu, verzichtete auf eigenen Wohlstand.

Er hätte leben, dem Ghetto entfliehen können, aber er ging mit den ihm anvertrauten Kindern
ins Gas von Treblinka.

Er wollte elternlose Kinder für das Leben rüsten, doch seine letzte Tat war, sie für den Tod
zu wappnen. "

C.S.

RE: Anekdoten und Aphorismen - Witziges und Be-Denkliches
geschrieben von ehemaliges Mitglied
Eine "Be-denkliche Anekdote" gibt's von mir.
Sorry, wegen der Länge!

 
Auch ich war dabei. Und ich muß das Erlebnis aufschreiben.
Mittwoch, 1. April 1987 (!) - Theaterabend.
 
Vom Alltag ermüdet, vom Parkplatzsuchen gestreßt und wie so häfig, auf die letzte Minute angekommen, lasse ich mich in den Sessel eines beliebten Kölner Boulevardtheaters fallen.
 
Ich bin bereit, mir vom Stück und seinen Akteuren "einen schönen Abend" bereiten zu lassen. Man kennt das doch: leichte Kost, mehr oder weniger gekonnt vorgetragen. Die Künstler agieren, wie es der Regisseur verlangt. Die Zuschauer reagieren, wie sie es verstehen. Ihre Palette reicht vom erhabenen Schmunzeln bis zum spontanen Szenenapplaus. In der Pause dann das obligatorische Glas Sekt, das "Hallo, wie geht's" und die abschätzenden Blicke auf die Garderobe der Anderen. Aber heute soll alles anders kommen.
 
Einleitungsmusik und Bühnenbild lassen vermuten, dass die heutige Kost ganz leicht sein wird. Dass sie nur aus "Mickymaus" besteht und dass alle "Einsteins" in der falschen Vorstellung sind.
 
In das sonore Gelächter der junggebliebenen Zuschauer mischt sich ein glockenhelles Kinderlachen, das immer ein wenig zu laut, oft ein wenig zu spät und manchmal auch in die Stille hinein erschallt. Im Publikum macht sich langsam Unruhe breit. Man sucht neugierig nach der Quelle dieses Lachens.
 
Ein Lachen, das auf die kleinste Pointe hin ertönt und dadurch bei einem Teil des Publikums wiederum Gelächter erzeugt. Die Zuschauer, die darüber nicht lachen können, fühlen sich belästigt und sinnen auf Abhilfe. Aber es gibt keine.
 
Niemand darf einem Anderen vorschreiben, wann und wie er zu lachen hat! Nicht, wenn er im Zuschauerraum sitzt. Bei den Künstlern auf der Bühne ist das freilich etwas anderes. Sie erhalten ihre Regieanweisungen und wissen, wann sie zu lachen haben.  
 
Sie verstehen ihr Handwerk so ausgezeichnet, dass ihnen die zunehmende Unruhe im Saal und die immer häufigeren Zwangspausen offenbar nichts ausmachen. Gekonnt bringen sie ihr Stück über die Bühne, fast bis zur großen Pause.
 
Da, plötzlich fällt der berühmte Tropfen, der das Faß (sprich Hauptdarsteller) zum überlaufen bringt. Sein Text ist weg und es packt ihn ein Lachanfall, der ihm Tränen in die Augen treibt.
 
Der Funke fliegt in den Zuschauerraum und entzündet ein herrliches "Feuerwerk". Die Kollegin auf der Bühne versucht vergeblich die Situation zu retten. Auch sie wird erbarmunglos angesteckt und muß wohl oder übel hinter die Kulisse flüchten. Ganz profihaft wird gleich wieder für Ordnung gesorgt und das Stück bis zur großen Pause durchgezogen.
 
Heute ist im Foyer nur der Sekt "wie üblich". Gespräche und Interesse drehen sich vielfach um den Ausgangspunkt der soeben erfahrenen Zwerchfellmassage. Bis zum ersten Klingelzeichen hat es sich dann herumgespochen - dieses ungewohnten Lachen gehört einer jungen behinderten Zuschauerin.
 
Und plötzlich hat man den Eindruck, dass diese junge Frau das gesamte Publikum auf ihrer Seite hat. Da ist niemand mehr, der sich belästigt fühlt. Da geht keiner vorzeitig nach Hause. Ein wenig nachdenklich, so scheint mir, wird wieder Platz genommen.
 
Kaum sind die ersten Sätze gefallen, da ertönt es wieder. Dieses glockenhelle Lachen eines im Leben so benachteiligten Menschen. Diese Herzlichkeit, mit der hier Freude und Wohlbefinden ausgedrückt werden, sollte uns alle beschämen.
 
Und als dann noch ein Darsteller beim Schlussapplaus von der Bühne springt, um der jungen Frau einen symbolischen Blumenstrauß zu überreichen, da hört man fast die Herzen höher schlagen: Dank den Künstlern und Dank der Zuschauerin in der dritten Reihe links.
 

Dieser Beitrag wurde damals in der Tageszeitung  veröffentlicht. Ich erhielt später einen bezaubernden Brief von der Mutter der jungen Frau, wofür ich sehr dankbar war.
 
Suse
RE: Anekdoten und Aphorismen - Witziges und Be-Denkliches
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 05.08.2019, 17:37:17
Liebe Charlie - Danke! Rose
Liebe Suse - Danke! Rose

Hamann, Evelinfloral-2069810_960_720.png

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Clematis
 

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RE: Anekdoten und Aphorismen - Witziges und Be-Denkliches
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 06.08.2019, 07:29:40
Nolde-700.JPG
Clematis
 
CharlotteSusanne
CharlotteSusanne
Mitglied

RE: Anekdoten und Aphorismen - Witziges und Be-Denkliches
geschrieben von CharlotteSusanne
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 07.08.2019, 07:35:20


Joachim Ringelnatz   7.8.1883   -   17.11.1934


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Einen schönen Tag wünscht Allen
C.S.
RE: Anekdoten und Aphorismen - Witziges und Be-Denkliches
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 07.08.2019, 07:35:20

Liebe Clematis, meinen versprochenen Bericht über die Ausstellungen im Schäfermuseum habe ich in eigenen Blog gepackt und soeben veröffentlicht, viel Spaß damit!

LächelnWinken

 


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RE: Anekdoten und Aphorismen - Witziges und Be-Denkliches
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 07.08.2019, 10:31:27
Liebe Clematis, meinen versprochenen Bericht über die Ausstellungen im Schäfermuseum habe ich in eigenen Blog gepackt und soeben veröffentlicht, viel Spaß damit!

LächelnWinken

 
Rani, Dein Blog ist gesperrt. Leider.

6d7526e9c7c8b0db5b0ca4812c8225f4.pngClematis
 
RE: Anekdoten und Aphorismen - Witziges und Be-Denkliches
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 07.08.2019, 13:44:23
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Clematis
 
Roxanna
Roxanna
Mitglied

RE: Anekdoten und Aphorismen - Witziges und Be-Denkliches
geschrieben von Roxanna
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 08.08.2019, 07:52:01
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Nicht an die Dinge  mehr  Bedeutung geben, als sie sich selber nehmen; das Leid nicht von außen sehen, es nicht abschätzen und groß nennen; das "große Leid" ... Sie wissen ja nicht, ob ihr Herz nicht mit ihm gewachsen ist, ob diese große Müdigkeit nicht das Wachstum des Herzens ist, Geduld, Geduld und nicht urteilen im Leiden, nie urteilen, solang es über einem ist, man hat kein Maß dafür, man vergleicht und übertreibt.

Rainer Maria Rilke



Roxanna
 
RE: Anekdoten und Aphorismen - Witziges und Be-Denkliches
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf Roxanna vom 08.08.2019, 09:22:00
Houston, Whitney2.jpg
Clematis
 

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