Forum Kunst und Literatur Literatur Aus Anlass der Maifeiertage,

Literatur Aus Anlass der Maifeiertage,

nimrod50
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Aus Anlass der Maifeiertage,
geschrieben von nimrod50

jeweils am ersten und achten, die neben dem Nationalfeiertag zu den wirklich wichtigen in der damaligen DDR zählten, hier eine Leseprobe :
 
…“Der 1 Mai war ein warmer Frühsommertag. Bodo richtete sich nach den Ratschlägen seines Vaters. Er kam verspätet zum Stellplatz in der Chaussestraße. Der Marschblock war ins stocken geraten. Bodo lies sich überall sehen und begrüßte bekannte Kollegen und die wichtigen Leute. Schließlich landete er bei Herbert Fischer. Der stand mit zwei anderen Technologen auf dem Bürgersteig.
»Morjen Bodo, gut dass zu spät kommst. Unser Bier ist alle und der Letzte holt immer neues.« und dabei schüttelte er den letzten Tropfen aus dem weißen Pappbecher.
Der Demonstrationszug bewegte sich nur sehr langsam und es gab einige Bierstände am Straßenrand. Als sie kurz vor dem Lustgarten waren, tönte aus den Lautsprechern auf dem Marx-Engels-Platz, wo die Partei- und Staatsführung den Massen zuwinkte, etwas über die Freilassung von Nelson Mandela. Plötzlich riss der schon etwas angetrunkene Gerhard Winkler die linke, zur Faust geballte Hand hoch und rief laut:

                                             »FREIHEIT FÜR WALLUSCHECK«
Herbert Fischer schloss sich ihm an und plötzlich rief der ganze Marschblock die Losung. Als sie dann rechts auf den Marx-Engels-Platz einschwenkten, bildeten sie einen großen Marschkomplex mit den Kolonnen, die aus Richtung Alexanderplatz links auf den Platz einbogen. Nach kurzer Zeit war der Platz erfüllt von der revolutionären Forderung:
                                           »FREI-HEIT FÜR WAL-LU-SCHECK«
                                           »FREI-HEIT FÜR WAL-LU-SCHECK«
Nachdem sich der Demonstrationszug aufgelöst hatte, tranken sie in der Rathausstraße noch ein Bier.
»Sag mal Gerhard, wer ist denn dieser Walluscheck eigentlich?«  Gerhard guckte Herbert Fischer mit glasigen Augen an und sagte »Das weiß ich doch nich. Ich glaube aba, das isso ein Sittlichkeitsverbrecher aus Westberlin.« Bei dem anschließenden Gelächter fielen zwei Pappbecher vom Stehtisch. Das war Anlass für die nächste Lage.
Der Vorfall war natürlich von zentraler Stelle nicht unbeachtet geblieben und es wurde gemunkelt, dass man versuchte herauszukriegen, ob Betriebsangehörige mit diesem Vorfall in Verbindung standen.“…
 
                                 Werden und Sein
                                                       Friedrich Milbradt
                                                 ISBN 978-3-7407-3588-3
                                                      Verlag TWENTYSIX
 
 


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