Literatur Balladen

Sirona
Sirona
Mitglied

Re: Balladen
geschrieben von Sirona
als Antwort auf Allegra vom 17.02.2016, 17:05:52
Allegra, die Ballade hat mich motiviert, nach den Hintergründen der Ballade und des Unterganges von Rungholt zu forschen und fand diesen interessanten Artikel:

Rungholt
Allegra
Allegra
Mitglied

Re: Balladen
geschrieben von Allegra
als Antwort auf Sirona vom 17.02.2016, 17:34:40
@ Sirona:
So umfassend kannte ich die Historie von Rungholt nicht. Begreiflich dass in vergangenen Zeiten ein Gottesgericht darin gesehen wurde. Es hat an der gesamten Nodseeküste immer wieder solche verheerenden Flutkatastrophen gegeben, auch nach langer Zeit gibt das Meer Spuren davon frei.

In Kellinghusen (Schl.Holst.), v. Liliencrons zeitweiligem Wohnsitz, in dem vieles nach ihm
benannt ist, war ich vor Jahren einmal zu Gast.

Allegra
isabelle
isabelle
Mitglied

Re: Balladen
geschrieben von isabelle
als Antwort auf Sirona vom 17.02.2016, 17:34:40
Nis Randers

Krachen und Heulen und berstende Nacht,
Dunkel und Flammen in rasender Jagd –
Ein Schrei durch die Brandung!

Und brennt der Himmel, so sieht man's gut.
Ein Wrack auf der Sandbank! Noch wiegt es die Flut;
Gleich holt sich's der Abgrund.

Nis Randers lugt – und ohne Hast
Spricht er: "Da hängt noch ein Mann im Mast;
Wir müssen ihn holen."

Da fasst ihn die Mutter: "Du steigst mir nicht ein!
Dich will ich behalten, du bliebst mir allein,
Ich will's, deine Mutter!

Dein Vater ging unter und Momme, mein Sohn;
Drei Jahre verschollen ist Uwe schon,
Mein Uwe, mein Uwe!"

Nis tritt auf die Brücke. Die Mutter ihm nach!
Er weist nach dem Wrack und spricht gemach:
"Und seine Mutter?"

Nun springt er ins Boot und mit ihm noch sechs:
Hohes, hartes Friesengewächs;
Schon sausen die Ruder.

Boot oben, Boot unten, ein Höllentanz!
Nun muss es zerschmettern ...! Nein, es blieb ganz! ...
Wie lange? Wie lange?

Mit feurigen Geißeln peitscht das Meer
Die menschenfressenden Rosse daher;
Sie schnauben und schäumen.

Wie hechelnde Hast sie zusammenzwingt!
Eins auf den Nacken des anderen springt
Mit stampfenden Hufen!

Drei Wetter zusammen! Nun brennt die Welt!
Was da? – Ein Boot, das landwärts hält –
Sie sind es! Sie kommen!

Und Auge und Ohr ins Dunkel gespannt ...
Still – ruft da nicht einer? – Er schreit's durch die Hand:
"Sagt Mutter, 's ist Uwe!"
Otto Ernst

Anzeige

isabelle
isabelle
Mitglied

Re: Balladen
geschrieben von isabelle
als Antwort auf isabelle vom 18.02.2016, 18:58:55
meine Lieblingsballade:

Gorm Grymme

König Gorm herrscht über Dänemark,
Er herrscht' die dreißig Jahr,
Sein Sinn ist fest, seine Hand ist stark,
Weiß worden ist nur sein Haar,
Weiß worden sind nur seine buschigen Brau'n,
Die machten manchen stumm;
Im Grimme liebt er dreinzuschaun, –
Gorm Grymme heißt er drum.

Und die Jarls 1) kamen zum Fest des Jul 2),
Gorm Grymme sitzt im Saal,
Und neben ihm sitzt, auf beinernem Stuhl,
Thyra Danebod, sein Gemahl;
Sie reichen einander still die Hand
Und blicken sich an zugleich,
Ein Lächeln in beider Augen stand, –
Gorm Grymme, was macht dich so weich?

Den Saal hinunter, in offner Hall,
Da fliegt es wie Locken im Wind,
Jung-Harald spielt mit dem Federball,
Jung-Harald, ihr einziges Kind,
Sein Wuchs ist schlank, blond ist sein Haar,
Blau-golden ist sein Kleid,
Jung-Harald ist heut fünfzehn Jahr,
Und sie lieben ihn allbeid.

Sie lieben ihn beid; eine Ahnung bang
Kommt über die Königin,
Gorm Grymme aber, den Saal entlang
Auf Jung-Harald deutet er hin,
Und er hebt sich zum Sprechen, – sein Mantel rot
Gleitet nieder auf den Grund:
»Wer je mir spräche, 'er ist tot',
Der müsste sterben zur Stund.«

Und Monde gehn. Es schmolz der Schnee,
Der Sommer kam zu Gast,
Dreihundert Schiffe fahren in See,
Jung-Harald steht am Mast,
Er steht am Mast, er singt ein Lied,
Bis sich's im Winde brach,
Das letzte Segel, es schwand, es schied, –
Gorm Grymme schaut ihm nach.

Und wieder Monde. Grau-Herbstestag
Liegt über Sund und Meer,
Drei Schiffe mit mattem Ruderschlag
Rudern heimwärts drüber her;
Schwarz hängen die Wimpel; auf Brömsebro-Moor
Jung-Harald liegt im Blut, –
Wer bringt die Kunde vor Königs Ohr?
Keiner hat den Mut.

Thyra Danebod schreitet hinab an den Sund,
Sie hatte die Segel gesehn;
Sie spricht: »Und bangt sich euer Mund,
Ich meld ihm, was geschehn.«
Ab legt sie ihr rotes Korallengeschmeid
Und die Gemme 3) von Opal,
Sie kleidet sich in ein schwarzes Kleid
Und tritt in Hall und Saal.

In Hall und Saal. An Pfeiler und Wand
Goldteppiche ziehen sich hin,
Schwarze Teppiche nun mit eigener Hand
Hängt drüber die Königin,
Und sie zündet zwölf Kerzen, ihr flackernd Licht,
Es gab einen trüben Schein,
Und sie legt ein Gewebe, schwarz und dicht,
Auf den Stuhl von Elfenbein.

Ein tritt Gorm Grymme. Es zittert sein Gang,
Er schreitet wie im Traum,
Er starrt die schwarze Hall entlang,
Die Lichter, er sieht sie kaum,
Er spricht: »Es weht wie Schwüle hier,
Ich will an Meer und Strand,
Reich meinen rotgoldenen Mantel mir
Und reiche mir deine Hand.«

Sie gab ihm um einen Mantel dicht,
der war nicht golden, nicht rot,
Gorm Grymme sprach: »Was niemand spricht,
Ich sprech es: Er ist tot.«
Er setzte sich nieder, wo er stand,
ein Windstoß fuhr durchs Haus,
die Königin hielt des Königs Hand,
die Lichter loschen aus.
Theodor Fontane
Sirona
Sirona
Mitglied

Re: Balladen
geschrieben von Sirona
als Antwort auf isabelle vom 18.02.2016, 19:45:03
Isabelle, diese Ballade hat mich veranlasst nachzuforschen, wer König Gorm war und auf wen sich Fontane bezogen hat. Bei Wiki fand ich u.a. diese Information.


König Gorm errichtete dieses Denkmal für Thyra seine Frau,
die Zierde Dänemarks.


Mir gefallen Balladen insofern, weil sie größtenteils einen geschichtlichen Hintergrund haben auf wahren Tatsachen beruhen.

Danke Isabelle für Deine Beiträge.
Sirona
isabelle
isabelle
Mitglied

Re: Balladen
geschrieben von isabelle
als Antwort auf Sirona vom 20.02.2016, 13:50:07
das ist meine absolute favoritin. hab noch mehr...lol.
schönes wochenende dir
isa

Anzeige

isabelle
isabelle
Mitglied

Re: Balladen
geschrieben von isabelle
als Antwort auf isabelle vom 20.02.2016, 18:26:56
noch ne schaurig schöne:



Des Sängers Fluch
Es stand in alten Zeiten ein Schloß so hoch und hehr,
Weit glänzt' es über die Lande bis an das blaue Meer,
Und rings von duft'gen Gärten ein blütenreicher Kranz,
D'rin sprangen frische Brunnen in Regenbogenglanz.

Dort saß ein stolzer König, an Land und Siegen reich.
Er saß auf seinem Throne so finster und so bleich;
Denn was er sinnt, ist Schrecken, und was er blickt, ist Wut,
Und was er spricht, ist Geißel, und was er schreibt, ist Blut.

Einst zog nach diesem Schlosse ein edles Sängerpaar:
Der ein' in goldnen Locken, der andre grau von Haar;
Der Alte mit der Harfe, der saß auf schmucken Roß,
Es schritt ihm frisch zur Seite der blühende Genoß.

Der Alte sprach zum Jungen: "Nun sei bereit, mein Sohn!
Denk' unsrer tiefsten Lieder, stimm' an den vollsten Ton,
Nimm alle Kraft zusammen, die Lust und auch den Schmerz;
Es gilt uns heut' zu rühren des Königs steinern Herz."

Schon stehn die beiden Sänger im hohen Säulensaal,
Und auf dem Throne sitzen der König und sein Gemahl;
Der König furchtbar prächtig, wie blut'ger Nordlichtschein,
Die Königin süß und milde, als blickte Vollmond drein.

Da schlug der Greis die Seiten, er schlug sie wundervoll,
Daß reicher, immer reicher der Klang zum Ohre schwoll.
Dann strömte himmlisch helle des Jünglings Stimme vor,
Des Alten Sang dazwischen wie dumpfer Geisterchor.

Sie singen von Lenz und Liebe, von sel'ger, goldner Zeit,
Von Freiheit, Männerwürde, von Treu' und Heiligkeit;
Sie singen von allem Süßen, was Menschenbrust durchbebt,
Sie singen von allem Hohen, was Menschenherz erhebt.

Die Höflingsschar im Kreise verlernet jeden Spott,
Des Königs trotz'ge Krieger, sie beugen sich vor Gott,
Die Königin, zerflossen in Wehmut und in Lust,
Sie wirft den Sängern nieder die Rose von ihrer Brust.

"Ihr habt mein Volk verführet, verlockt ihr nun mein Weib?"
Der König schreit es wütend, er bebt am ganzen Leib.
Er wirft sein Schwert, das blitzend des Jünglings Brust durchdringt,
Draus, statt der goldnen Lieder, ein Blutstrahl hoch aufspringt.

Und wie vom Sturm zerstoben ist all' der Hörer Schwarm;
Der Jüngling hat verröchelt in seines Meisters Arm,
Der schlägt um ihn den Mantel und setzt ihn auf das Roß,
Er bind't ihn aufrecht feste, verläßt mit ihm das Schloß.

Doch vor dem hohen Tore, da hält der Sängergreis,
Da faßt er seine Harfe, sie, aller Harfen Preis,
An einer Marmorsäule, da hat er sie zerschellt,
Dann ruft er, daß es schaurig durch Schloß und Gärten gellt:

"Weh' euch, ihr stolzen Hallen! Nie töne süßer Klang
Durch eure Räume wieder, nie Saite noch Gesang,
Nein, Seufzer nur und Stöhnen und scheuer Sklavenschritt,
Bis euch zu Schutt und Moder der Rachegeist zertritt!

"Weh' euch, ihr duft'gen Gärten im holden Maienlicht!
Euch zeig' ich dieses Toten entstelltes Angesicht,
Daß ihr darob verdorret, daß jeder Quell versiecht,
Daß ihr in künft'gen Tagen versteint, verödet liegt.

"Weh' dir, verruchter Mörder! du Fluch des Sängertums!
Umsonst sei all' dein Ringen nach Kränzen blut'gen Ruhms;
Dein Name sei vergessen, in ew'ge Nacht getaucht,
Sei, wie ein letztes Röcheln, in leere Luft verhaucht!"

Der Alte hat's gerufen, der Himmel hat's gehört;
Die Mauern liegen nieder, die Hallen sind zerstört,
Noch eine hohe Säule zeugt von verschwund'ner Pracht,
Auch diese, schon geborsten, kann stürzen über Nacht.

Und rings, statt duft'ger Gärten, ein ödes Heideland:
Kein Baum verstreuet Schatten, kein Quell durchdringt den Sand;
Des Königs Namen meldet kein Lied, kein Heldenbuch:
Versunken und vergessen! - das ist des Sängers Fluch.

von Ludwig Uhland
isabelle
isabelle
Mitglied

Re: Balladen
geschrieben von isabelle
als Antwort auf isabelle vom 20.02.2016, 18:36:56
Das Gewitter[1]

Urahne, Großmutter, Mutter und Kind
In dumpfer Stube beisammen sind;
Es spielet das Kind, die Mutter sich schmückt,
Großmutter spinnet, Urahne gebückt
Sitzt hinter dem Ofen im Pfühl -
Wie wehen die Lüfte so schwül!

Das Kind spricht: „Morgen ists Feiertag,
Wie will ich spielen im grünen Hag,
Wie will ich springen durch Tal und Höhn,
Wie will ich pflücken viel Blumen schön;
Dem Anger, dem bin ich hold!“
Hört ihrs, wie der Donner grollt?

Die Mutter spricht: „Morgen ists Feiertag,
Da halten wir alle fröhlich Gelag,
Ich selber, ich rüste mein Feierkleid;
Das Leben, es hat auch Lust nach Leid,
Dann scheint die Sonne wie Gold!“
Hört ihrs, wie der Donner grollt?

Großmutter spricht: „Morgen ists Feiertag,
Großmutter hat keinen Feiertag,
Sie kochet das Mahl, sie spinnet das Kleid,
Das Leben ist Sorg und viel Arbeit;
Wohl dem, der tat, was er sollt!“
Hört ihrs, wie der Donner grollt?

Urahne spricht: „Morgen ists Feiertag,
Am liebsten morgen ich sterben mag:
Ich kann nicht singen und scherzen mehr,
Ich kann nicht sorgen und schaffen schwer,
Was tu ich noch auf der Welt?“
Seht ihr, wie der Blitz dort fällt?

Sie hörens nicht, sie sehens nicht,
Es flammet die Stube wie lauter Licht:
Urahne, Großmutter, Mutter und Kind
Vom Strahl miteinander getroffen sind,
Vier Leben endet ein Schlag -
Und morgen ists Feiertag.
Re: Balladen
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf isabelle vom 21.02.2016, 00:22:09
Das Gewitter[1]

Urahne, Großmutter, Mutter und Kind
In dumpfer Stube beisammen sind;
Es spielet das Kind, die Mutter sich schmückt,
Großmutter spinnet, Urahne gebückt
Sitzt hinter dem Ofen im Pfühl -
Wie wehen die Lüfte so schwül!

Das Kind spricht: „Morgen ists Feiertag,
Wie will ich spielen im grünen Hag,
Wie will ich springen durch Tal und Höhn,
Wie will ich pflücken viel Blumen schön;
Dem Anger, dem bin ich hold!“
Hört ihrs, wie der Donner grollt?

Die Mutter spricht: „Morgen ists Feiertag,
Da halten wir alle fröhlich Gelag,
Ich selber, ich rüste mein Feierkleid;
Das Leben, es hat auch Lust nach Leid,
Dann scheint die Sonne wie Gold!“
Hört ihrs, wie der Donner grollt?

Großmutter spricht: „Morgen ists Feiertag,
Großmutter hat keinen Feiertag,
Sie kochet das Mahl, sie spinnet das Kleid,
Das Leben ist Sorg und viel Arbeit;
Wohl dem, der tat, was er sollt!“
Hört ihrs, wie der Donner grollt?

Urahne spricht: „Morgen ists Feiertag,
Am liebsten morgen ich sterben mag:
Ich kann nicht singen und scherzen mehr,
Ich kann nicht sorgen und schaffen schwer,
Was tu ich noch auf der Welt?“
Seht ihr, wie der Blitz dort fällt?

Sie hörens nicht, sie sehens nicht,
Es flammet die Stube wie lauter Licht:
Urahne, Großmutter, Mutter und Kind
Vom Strahl miteinander getroffen sind,
Vier Leben endet ein Schlag -
Und morgen ists Feiertag.


Gustav Schwab
1792-1850
Sirona
Sirona
Mitglied

Re: Balladen
geschrieben von Sirona

(Gemälde von Rembrandt)

Belsazar - Heinrich Heine (entstanden zw. 1815 u. 1821)

Die Mitternacht zog näher schon;
in stummer Ruh lag Babylon .

Nur oben in des Königs Schloss,
da flackert's, da lärmt des Königs Tross.

Dort oben in dem Königssaal
Belsazar hielt sein Königsmahl.

Die Knechte saßen in schimmernden Reihn
und leerten die Becher mit funkelndem Wein.

Es klirrten die Becher, es jauchzten die Knecht;
so klang es dem störrigen Könige recht.

Des Königs Wangen leuchten Glut;
im Wein erwuchs ihm kecker Mut.

Und blindlings reißt der Mut ihn fort;
und er lästert die Gottheit mit sündigem Wort.

Und er brüstet sich frech, und lästert wild;
der Knechtenschar ihm Beifall brüllt.

Der König rief mit stolzem Blick;
der Diener eilt und kehrt zurück.

Er trug viel gülden Gerät auf dem Haupt;
das war aus dem Tempel Jehovahs geraubt.

Und der König ergriff mit frevler Hand
einen heiligen Becher, gefüllt bis am Rand.

Und er leert ihn hastig bis auf den Grund
und rufet laut mit schäumendem Mund:

Jehovah! dir künd ich auf ewig Hohn –
Ich bin der König von Babylon!"

Doch kaum das grause Wort verklang,
dem König ward's heimlich im Busen bang.

Das gellende Lachen verstummte zumal;
es wurde leichenstill im Saal.

Und sieh! und sieh! an weißer Wand
da kam's hervor wie Menschenhand;

Und schrieb, und schrieb an weißer Wand
Buchstaben von Feuer, und schrieb und schwand.

Der König stieren Blicks da saß,
mit schlotternden Knien und totenblass.

Die Knechtenschar saß kalt durchgraut ,
und saß gar still, gab keinen Laut.

Die Magier kamen, doch keiner verstand
zu deuten die Flammenschrift an der Wand.

Belsazar ward aber in selbiger Nacht
von seinen Knechten umgebracht.

Anzeige