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Literatur Deutschland ein Wintermärchen - H. Heine

Sirona
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Deutschland ein Wintermärchen - H. Heine
geschrieben von Sirona

 
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Auszug aus „Deutschland ein Wintermärchen“ H. Heine
 
Was ich aber mit noch größerem Leidwesen voraussehe, das ist das Zetern jener Pharisäer der Nationalität, die jetzt mit den Antipathien der Regierungen Hand in Hand gehen, auch die volle Liebe und Hochachtung der Zensur genießen und in der Tagespresse den Ton angeben können, wo es gilt, jene Gegner zu befehden, die auch zugleich die Gegner ihrer allerhöchsten Herrschaften sind. Wir sind im Herzen gewappnet gegen das Mißfallen dieser heldenmütigen Lakaien in schwarzrotgoldner Livree. Ich höre schon ihre Bierstimmen: »Du lästerst sogar unsere Farben, Verächter des Vaterlands, Freund der Franzosen, denen du den freien Rhein abtreten willst!« Beruhigt euch. Ich werde eure Farben achten und ehren, wenn sie es verdienen, wenn sie nicht mehr eine müßige oder knechtische Spielerei sind. Pflanzt die schwarzrotgoldne Fahne auf die Höhe des deutschen Gedankens, macht sie zur Standarte des freien Menschtums, und ich will  mein bestes Herzblut für sie hingeben. 
 
Beruhigt euch, ich liebe das Vaterland ebenso sehr wie ihr. Wegen dieser Liebe habe ich dreizehn Lebensjahre im Exile verlebt, und wegen ebendieser Liebe kehre ich wieder zurück ins Exil, vielleicht für immer, jedenfalls ohne zu flennen oder eine schiefmäulige Duldergrimasse zu schneiden. Ich bin der Freund der Franzosen, wie ich der Freund aller Menschen bin, wenn sie vernünftig und gut sind, und weil ich selber nicht so dumm oder so schlecht bin, als daß ich wünschen sollte, daß meine Deutschen und die Franzosen, die beiden auserwählten Völker der Humanität, sich die Hälse brächen zum Besten von England und Rußland und zur Schadenfreude aller Junker und Pfaffen dieses Erdballs. 
 
Seid ruhig, ich werde den Rhein nimmermehr den Franzosen abtreten, schon aus dem ganz einfachen Grunde: weil mir der Rhein gehört. Ja, mir gehört er, durch unveräußerliches Geburtsrecht, ich bin des freien Rheins noch weit freierer Sohn, an seinem Ufer stand meine Wiege, und ich sehe gar nicht ein,  warum der Rhein irgendeinem andern gehören soll als den Landeskindern. 
(Ende)
 
In seiner unnachahmlichen sarkastischen Weise kritisiert Heine die damalige Politik. Was würde er wohl heute schreiben, könnte er das politische Geschehen beobachten?
Rührend wie er über „seinen“ Vater Rhein gesprochen hat.
 

Gillian
Gillian
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RE: Deutschland ein Wintermärchen - H. Heine
geschrieben von Gillian
als Antwort auf Sirona vom 09.10.2019, 11:20:34

Na sowas - gerade wollte ich das "Wintermärchen" hier erwähnen - da hast Du es schon gemacht, liebe Sirona! 😊

Uns fiel es heute beim Frühstück ein, als kein Sonnenschein durchs Fenster kam - und wir deklamierten abwechselnd ...

Im traurigen Monat November war´s,
die Tage wurden trüber,
der Wind blies von den Bäumen das Laub,
da fuhr ich nach Deutschland hinüber ...

In unserer Schulzeit war zwar auch das "Wintermärchen" und die "Lorelei" vorhanden, aber mit der Bemerkung "Verfasser unbekannt" .

Sirona
Sirona
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RE: Deutschland ein Wintermärchen - H. Heine
geschrieben von Sirona
als Antwort auf Gillian vom 04.11.2019, 13:50:01

Ich bin froh dass dieser "braune Alptraum" der Vergangenheit angehört und Heine wieder den Platz bekommen hat, der ihm gebührt. 😋 
Es lohnt sich in der Tat Heines Wintermärchen immer wieder zu lesen. Habe damit schon manche schöne Stunde verbracht. 


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