Forum Kunst und Literatur Literatur Die Gierigen Karine Tuil 2013

Literatur Die Gierigen Karine Tuil 2013

Alphonse
Alphonse
Mitglied

Die Gierigen Karine Tuil 2013
geschrieben von Alphonse


Der   Roman  „Die  Gierigen”   der französischen  Autorin  Karine  Tuil, der  bereits  20213  unter  dem  französischen  Titel   „L’invention  de  nos  vies”  erschienen  ist, ist  ein   sehr  spannender  gesell-schaftskritischer  Roman , der  viele  relevante  Themen  unserer  Zeit  erfasst (Diskriminierung  von  Minderheiten, Rassismus,  Antisemitismus, Terrorismus, soziale  Not, Suche  nach  einer  Neude-finition  der  Rollen  von  Männern  und  Frauen, Schwächen  der  Leistungsgesellschaft) . Im   Zentrum  der  Handlung  stehen  die   zunächst  miteinander  befreundeten  linksorientierten Studenten  Samir ,Samuel  und   Nina. Der  aus  einer  verarmten muslimischen  Migrantenfamilie   stammende  Samir  kann  nur  mithilfe  eines  Stipendiums  Jura  studieren, wohingegen  der  von  einer  gebildeten  jüdischen  Familie  adoptierte   unehelich  geborene  Samuel  in  begüterten  Verhältnissen  aufgewachsen  ist. Als  Samir  sich  in  Nina, die  Freundin  Samuels  verliebt, kommt  es  zum  Bruch  der  Freundschaft  Samirs  mit Samuel, der  Nina  nach  seinem  gescheiterten  Selbst- mordversuch  wieder  für  sich  gewinnt. Als  Samir  trotz  eines  sehr  erfolgreichen  Studienab-schlusses , offenbar  wegen  seiner  Herkunft, keine  Arbeit  in  Frankreich  findet, nutzt  er  die  Chance  einer  Anstellung  in  einer  jüdischen  Anwaltskanzlei, indem  er  sich als  Jude  vorstellt. Er  macht  schließlich  in einer  Niederlassung  seines  Arbeitgebers  in  New  York  eine Karriere , die  durch  seine  berechnende Eheschließung  mit  Ruth  Berg, der  Tochter  eines  jüdischen  US-Millionärs, von  ihm  noch  gezielt  beschleunigt  wird.  Noch  bestehende  vage Verbindungen  zu  seiner  muslimischen  Mutter  und  zu  seinem   Halbbruder  François, der  als  unehelicher    Sohn  eines  französischen  Politikers  allmählich  auf  die  schiefe  Bahn  gerät, versucht  Samir  in  seinem  neuen  gesellschaftlichen  Umfeld  zu  verheimlichen. Als  Zyniker  und   sexuell   aggressiver  Hedonist  flüchtet  sich  Samir  in  zahlreiche  kurzlebige  Affären, nicht  nur  um  das   von  Nina  und Samuel  herbeigeführte  Ende  seiner  Beziehung  zu   Nina  zu  verdrängen.                               Die  Ehe  Ninas und Samuels  ist  unglücklich, was  durch  das  gesellschaftliche   Scheitern  des  Sozialarbeiters Samuel , dem  der  ersehnte  Erfolg  als  Schriftsteller  verwehrt  bleibt, besonders  verstärkt  wird. Als   der  von  Selbstzweifeln  gequälte  Samuel  nach  20  Jahren  vom   phänomena-len  sozialen  Aufstieg  Samirs  erfährt, gerät  seine  Ehe  in  eine  noch  größere Krise, weil   der  von  Neid  und  Hass  erfüllte  Samuel  Ninas  Treue  testen  will  und  weil  die  als  Model  schlecht  verdienende   Nina  ihre  Gefühle  zu  Samir  wiederentdeckt  und  sich  eine Veränderung  ihrer  sozialen  Lage  wünscht. Sie  akzeptiert  schließlich  lange  die  Rolle  einer  Geliebten  Samirs  mit  üppig  ausgestatteter  Wohnung  in  New  York, zweifelt  aber  schließlich  am  Sinn  dieser  Existenz. Als  Samir, der   seinen Halbbruder   François  auf  dessen  Drängen  finanziell  unterstützt , unter Terrorverdacht  verhaftet  wird  und  2  Monate  unter  unmenschlichen  Haftbedingungen leidet, wird  ihm  klar, dass  sein  in Guantanamo  inhaftierter  Bruder  ohne  sein  Wissen  in  islamistische  Kreise geraten  ist. Die  z. T.  auf  Lügen  basierende  Welt  Samirs  bricht  zusammen. Seine  Frau  reicht  die  Scheidung  ihn, Nina  kehrt  nach  Frankreich  zurück, erwägt   aber  nur  kurze  Zeit  eine  Rückkehr  zu  Samuel, der  inzwischen  durch  seine  zynische    literarische Verarbeitung   des  Lebens  der  ehemals  befreundeten  3   Studenten   ein  sehr  erfolgreicher  Schriftsteller  geworden  ist  und  von  einem  neuen  Leben  mit  Nina  träumt. Diese  lehnt  schließlich  nach  kritischen  Reflexionen, auch  über  die   ihrer  Meinung  nach fragwürdige  Abhängigkeit  der  Frau  in  einer  Ehe  und  die  Kurzlebigkeit  von  Beziehungen  zwischen  Mann  und  Frau,   einen  Neuanfang  mit   dem  psychisch  labilen  Samuel  ab. Sie  ist  auf  der  Suche  nach  einer  neuen  Form   des  Glücks.                                                                                                                               Dieser   extrem  einfühlsame  Roman  ist  auch  eine  harte  Kritik  an  der Leistungsgesellschaft  und  stellt  immer  wieder  die  Frage  nach  der  Sinnhaftigkeit  menschlicher  Existenzformen.
 


Anzeige