Forum Kunst und Literatur Literatur Die Lösung - Der weg aus der Krise

Literatur Die Lösung - Der weg aus der Krise

Milan
Milan
Mitglied

Die Lösung - Der weg aus der Krise
geschrieben von Milan
Die Lösung

Wenn was nicht klappt, wenn was nicht klappt,

dann wird vor allem mal nicht berappt.

Wir setzen frisch und munter

die Löhne, die Löhne herunter –

immer runter!

Wir haben bis über die Ohren

bei unsern Geschäften verloren ...

Unser Geld ist in allen Welten:

Kapital und Zinsen und Zubehör.

So lassen wir denn unser großes Malheur

nur einen, nur einen entgelten:

Den, der sich nicht mehr wehren kann,

Den Angestellten, den Arbeitsmann;

den Hund, den Moskau verhetzte,

dem nehmen wir nun das Letzte.

Arbeiterblut muß man keltern.

Wir sparen an den Gehältern –

immer runter!

Unsre Inserate sind nur noch ein Hohn.

Was braucht denn auch die deutsche Nation

sich Hemden und Stiefel zu kaufen?

Soll sie doch barfuß laufen!

Wir haben im Schädel nur ein Wort:

Export! Export!

Was braucht ihr eignen Hausstand?

Unsre Kunden wohnen im Ausland!

Für euch gibts keine Waren.

Für euch heißts: sparen! sparen!

Nicht wahr, ein richtiger Kapitalist

hat verdient, als es gut gegangen ist.

Er hat einen guten Magen,

Wir mußten das Risiko tragen ...

Wir geben das Risiko traurig und schlapp

inzwischen in der Garderobe ab.



Was macht man mit Arbeitermassen?

Entlassen! Entlassen! Entlassen!

Wir haben die Lösung gefunden:

Krieg den eignen Kunden!

Dieweil der deutsche Kapitalist

Gemüt hat und Exportkaufmann ist.

Wußten Sie das nicht schon früher –?

Gott segne die Wirtschaftsverführer!





Theobald Tiger
Gillian
Gillian
Mitglied

Re: Die Lösung - Der weg aus der Krise
geschrieben von Gillian
als Antwort auf Milan vom 17.12.2011, 14:31:18
Das liest sich so AKTUELL, Milan, dass man kaum glauben kann, dass dieses Gedicht schon etwa 80 Jahre alt sein muss. Denn Kurt Tucholsky ist 1935 gestorben (da war ich grade geboren).
Theobald Tiger war eines seiner Pseudonyme.
Danke für die Erinnerung daran!
G.
enigma
enigma
Mitglied

Re: Die Lösung - Der weg aus der Krise
geschrieben von enigma
als Antwort auf Gillian vom 17.12.2011, 15:30:33
Deutsche Pleite

»Die Geschäfte gehn nicht. Kein Mensch hat Geld.
Es ist ein Elend auf der Welt!
Keine Kredite und keine Kunden!
Wie soll Deutschland dabei gesunden?
Geschäfte machen hat gar keinen Sinn.
Herzliche Grüße! Wir sitzen hier in
Lugano.«
 
»Heut habe ich wieder welche entlassen.
Wissen Sie, eins kann ich gar nicht fassen,
ununterbrochen frage ich mich:
Wovon leben die Leute eigentlich?
Kredite ... Aufwertung ... Großindustrie ...
Agrarpolitik ... Wo wohnen Sie?
Ich im Palace.«
 
Alle klagen und alle stöhnen;
keiner kann sich an Friede gewöhnen.
Alle stöhnen und alle klagen
und jammern nach alten Dollartagen.
Manche hört man aber nicht jammern.
Zu sechsen und zehnen in engen Kammern.
 
Ausgesperrt. Arbeitslos. Ohne Zeitung,
ohne Leitartikel zur Klagenverbreitung.
Die Tuberkulose sei ihnen gnädig ...
Die andern jammern in Rom und Venedig.
»Kein Geld!« in den Bergen. »Kein Kredit!« am Strand.
Armes Land.
Armes Land.
 
 
Theobald Tiger

Heute sitzen bestimmt auch wieder viele im Palace Hotel und stöhnen.....

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