Literatur Die Satten und die Hungrigen Roman von Timur Vermes 2018
Dieser Roman von Timur Vermes greift in einer extrem satirischen Weise aktuelle gesellschaftliche Themen auf, vor allem die Flüchtlingsproblematik der letzten Jahre und die Reaktion der Medien, der Politiker und der Bürger, die sich für oder gegen die Aufnahme von Flüchtlingen in Europa einsetzen. Die Starreporterin Nadeche Hackenbusch, die Starjournalistin Astrid Roëll und Sensenbrink als Chef eines priva-ten Fernsehsenders suchen als Vertreter eines erfolgreichen Reality TV nach einer noch gewinnträchtigeren Form der Vermarktung von Sensationen und entwickeln des-halb mit ihren Mitarbeitern ein neues Konzept von Sensationsjournalismus in Verbin-dung mit Werbeblöcken, das sich über die Nonstop-Live-Berichterstattung aus dem größten afrikanischen Flüchtlingslager steigert bis zu einer schließlich von Medien gesteuerten Flüchtlingswelle in Richtung Europa. Ausgelöst wird diese ursprünglich von den Medienverantwortlichen nicht geplante Flüchtlingswelle aber von kriminellen Anführern der Flüchtlinge wie Lionel und Mojo, die von einem besseren Leben in Deutschland träumen. Sie spielen eine besondere Rolle, indem sie ihrerseits ihr orga-nisatorisches Talent nutzen und Druck ausüben auf die deutschen Verantwortlichen, ohne sich trotz aller Machenschaften ganz von einer gewissen Naivität bzgl. der Erfolgsaussichten ihres Handelns zu lösen. Grenzen und Schwächen von Reality TV und Sensationsjournalismus werden dabei sehr deutlich. Die von Medien gezielt ver-marktete scheinbare Liebesbeziehung zwischen Lionel und der naiv-dreisten Repor-terin Nadeche Hackenbusch, die sich trotz ihrer eigensüchtigen und materialistischen Grundeinstellung in die missionarische Rolle einer Retterin der Flüchtlinge hineinma-növriert, ist nur eines von vielen komischen Elementen des Romans, der den Leser auch hinsichtlich der von Lionel erstaunt registrierten mangelhaften Englischkenntisse von Nadine Hackenbusch trotz des eigentlich ernsten Themas immer wieder zum Lachen reizt. Viele Staaten lassen die bis auf 300 000 Personen angewachsene Fluchtwelle schnellstmöglich weiterziehen, um eigene Probleme zu vermeiden. Innenminister Joseph Leubl, der nach vergeblichen diplomatischen Bemühungen um einen Stopp der Flüchtlingswelle sich für eine Aufnahme der Flüchtlinge eingesetzt hat, wird ermordet. Sein Nachfolger steuert mit seinem zunächst harten Kurs auf eine Katastrophe zu. Moralische Widersprüche im Handeln der Politiker werden in diesem Roman sehr deutlich.
An der deutsch-österreichischen Grenze wird der Flüchtlingsstrom schließlich gestoppt. Vor der Grenze bekämpfen Rechtsradikale Angehörige humanitärer Organisationen und bereiten sich auf ein eigenmächtiges gewaltsames Vorgehen gegen die Flücht-linge vor. Obwohl der deutsche Innenminister schließlich die Grenze öffnet, kommt es zu einer Katastrophe. Der lange Grenzzaun mit elektrischer Hochladung, das panische Drängeln der Flüchtlinge, die Naivität ihrer Anführer und der Sensationsjournalisten vor Ort, aber vor allem der Einsatz von drohnengesteuerten Bomben führen dazu, dass die meisten Flüchtlinge den Tod finden und mit ihnen die beteiligten Starjourna-listen. Die deutsche Regierung, aber auch die Regierungen der USA und Israels, be-streiten, für den Einsatz der Drohnen verantwortlich zu sein. Deutsche Regierungspo-litiker entwickeln ein neues Konzept zur Bewältigung der Flüchtlingsfrage: Flüchtlingsla-ger in Afrika mit Deutschkursen und gezielter Berufsausbildung zwecks Überführung und Integration in das demographisch geschwächte Deutschland.
Insgesamt ist dieser Roman vor allem eine knallharte Kritik an modernen Medien. Auch wenn viele der aufgezeigten Entwicklungen der Flüchtlingsbewegung überzeich-net wirken und kein realistisches Bild der Not von Flüchtlingen bieten, regt dieser Roman in besonderem Maße zum Nachdenken über diese Problematik und die Wider-sprüche in der öffentlichen Meinung an.