Forum Kunst und Literatur Literatur Für Rätsel-Freunde - Runde XV

Literatur Für Rätsel-Freunde - Runde XV

longtime
longtime
Mitglied

Für Rätsel-Freunde - Runde XV
geschrieben von longtime
Ich setze hier eine neue Rätsel-Runde an, da keiner mehr seit einer Woche einen Beitrag gebracht:



Ein neues Rätsel – für Rätselfreunde!

In einem deutschen Klassenzimmer: Ein Oberlehrer will einen jüdischen Schüler fertig machen:

"Hermann der Deutsche" – das Referat steht an!
(Für diesen Text und seinen Autor gibt es aktuelle Bezüge; die ich aber noch nicht preisgeben will.)


(Aus dem "ersten Buch" des Romans, in einem Berliner Gymnasium:)

Und als der Schüler vorgetreten war, fügte V., heute offenbar sehr gut aufgelegt, mit scherzhaft wohlwollender Aufmunterung hinzu: „Wolfram von Eschenbach, beginne!"

B. stand da, zwischen Katheder und Schulbänken, betont lässig, den rechten Fuß vorgesetzt, den rechten Arm hängen lassend, die linke Handleicht in der Hüfte. Er hatte sich's nicht leicht gemacht, war keiner Schwierigkeit ausgewichen. Aber er hatte es geschafft; er wußte jetzt klar, was uns oder was zumindest ihm Hermann der Deutsche bedeutete. Vom Standpunkt der Rationalisten aus mochte die Tat Hermanns nutzlos erscheinen, aber eine solche Auffassung hielt nicht stand vor dem Gefühl unbedingter Bewunderung, das die Befreiungstat des Mannes gerade in einem Deutschen von heute hervorrufen mußte.
Diesen Gedankengang wollte B. ausführen gemäß dien guten, alten Regeln, die er gelernt hatte: allgemeine Einleitung, Setzung des Themas, prinzipielle Stellungnahme des Vortragenden-, Beweise, Einwände, Widerlegung der Einwände; zum Schluß nochmals, stark betont, die These des Vortragenden. B. hatte, was er sagen wollte, bis aufs Komma schriftlich fixiert. Da ihm aber die Worte leicht von den Lippen kamen, hatte er es verschmäht, sein Manuskript mechanisch auswendig zu lernen. Er wollte, sich streng an die Grundlinien haltend, die Formulierung des einzelnen dem Augenblick; überlassen.
(…)
Denn Oberlehrer V. hielt sich hinter B., in seinem Rücken. Er saß stramm da, ließ sich nicht gehen, hörte zu. B. sah ihn nicht, aber er wußte, der Blick V.s war steif auf ihn gerichtet, genau auf seinen Nacken. Unter dem Kragen spürte er die Stelle, wohin der Blick V.s drang. Es war, wie wenn jemand mit spitzem Finger an diese Stell stieß.

B. bemühte sich, an nichts zu denken außer an seine Sätze. Gute dreißig Minuten sollte er sprechen. Etwa acht Minuten hatte er hinter sich, die Einleitung war vorbei, das Thema gesetzt, seine These gesetzt, er war bei den „Beweisen" Da spürte er, wie der Blick V.s ihn losließ. Ja, V. erhob sich, sehr leise, um nicht zu. stören. Er kam vor, jetzt sah ihn B. an der linken Wand erscheinen. Er ging die linke Reihe der Bänke entlang, auf Fußspitzen, mit gemessenen, doch betont vorsichtigen Schritten; B. hörte das leise Knarren seiner Stiefel. V. ging nach hinten, in die Ecke links. Er wollte B. vor Augen haben, die Worte aus seinem Mund kommen sehen. Da stand er, hinter der letzten Bank, sehr aufrecht - stützte sich nicht die eine Hand auf einen unsichtbaren Säbel? -, die blaß-blauen Augen starr auf B.s Mund gerichtet. B., so beobachtet, fühlte sich unbehaglich. Er wandte den Kopf flüchtig dem Lehrer zu, aber der Anblick störte ihn noch mehr. Er sah geradeaus, rückte, wendete den Kopf, als wollte er eine Fliege vertreiben.
Er führte die „Beweise" zu Endle. Er sprach nicht mehr so gut wie zu Beginn. Es war sehr warm im Raum, die Räume des Königin-Luise-Gymnasiums waren gewöhnlich überheizt, er schwitzte leicht auf der Oberlippe. Er kam jetzt zu den „Einwänden".
Die Tat Hermanns, sagte er, habe, vom Standpunkt nüchterner Vernunft aus gesehen., äußere Folgen auf die Dauer vielleicht nicht gezeitigt; zugeben müsse man, daß die Römer ein paar Jahre später genau da standen, wo sie vor der Schlacht gestanden waren. Ja ...
Er stockte einen Augenblick, wußte plötzlich nicht weiter. Er strengte sich an, sich zu konzentrieren. Im Geist vor sich sah er die schmalen Seiten seines lateinischen Tacitus, die großen Antiqua-Typen seiner schönen deutschen Tacitus-Ausgabe schaute wieder nach der Ecke links hinten, dort stand V. immer unbeweglich, aufmerksam. B. öffnete dem Mund schloß ihn, öffnete ihn, sah vor sich nieder auf seine Fußspitzen.

Jetzt müssen es schon acht Sekunden sein, daß er nicht weiterspricht. Oder zehn. "Was hat er denn zuletzt gesagt? Ja, daß die Tat Hermanns eigentlich keine äußeren Folgen hatte. Keine Frage, Luthers Bibelübersetzung, Gutenbergs Erfindungen waren für Deutschland und sein Ansehen in der Welt bedeutsamer als die Schlacht im Teutoburger Wald. Die Tat des Arminius, das müssen wir zugeben, blieb praktisch ohne Bedeutung.
Wollte er das so sagen? Das wollte er doch viel vorsichtiger ausdrücken, nicht so schroff, so hart. Nu wenn schon. Weiter, B.. Mach Zoff. Nur keine Pause mehr, die erste Pause hat sowieso schon eine Ewigkeit gedauert. Aber jetzt hat er den Faden wieder. Jetzt kann ihm nichts mehr passieren. Von der „Widerlegung" an ist er in Schwung. Eine zweite Pause? Nee.
Herr Doktor, is nich.
Er lächelt schräg hinten in die Ecke, triumphierend. „Aber trotzdem", setzt er an.
Allein was ist denn? Warum verändert sich denn plötzlich das Gesicht V.s so merkwürdig? Warum läuft denn der Schmiß, der das Gesicht zerteilt, so rot an, warum reißt er denn die Augen so auf? Hilft alles nichts, Herr Doktor. Jetzt hab ich dien Faden wieder, jetzt bringen Sie mich, nicht mehr aus dem Konzept.
„Aber trotzdem", setzt er an, frisch, kräftig, „dies alles zugegeben ..."

Da wird er unterbrochen. Scharf, quäkend, kommt es aus der Ecke: „Nein, nicht zugegeben. Ich gebe das nicht zu. Niemand hier gibt das zu. Ich dulde das nicht. Ich höre das nicht länger nicht an. Was denken Sie sich denn, junger Mensch? Was für Leute glauben Sie denn, daß Sie vor sich haben? Hier, vor deutschen Menschen, in dieser Zeit deutscher Notwende, wagen Sie es, die ungeheure Tat, die am Beginn der deutschen Geschichte steht, als nutzlos, als sinnlos zu bezeichnen? Sie geben das zu, sagen Sie. Sie erdreisten sich, die Argumente des ödesten Opportunismus in den Mund zu nehmen, und dann sagen Sie: Sie geben das zu. Wenn Ihnen schon selber jeder Funke deutschen Gefühls abgeht, dann verschonen Sie doch wenigstens uns vaterländisch Fühlende mit Ihren Kotwürfen. Ich verbitte mir’s. (…)


--
longtime
enigma
enigma
Mitglied

Re: Für Rätsel-Freunde - Runde XV
geschrieben von enigma
als Antwort auf longtime vom 21.12.2008, 19:50:59
Könnte es Lion Feuchtwanger und das Buch “Die Geschwister Oppenheim” sein?
Und hier speziell der Schüler Bertold, der mit dem Nazi-Lehrer Vogelsang in Konflikt geriet und sich später das Leben nahm?

Aber - wieder mal - habe ich nicht das Buch, sondern nur über das Buch gelesen und ich meine, auch über einen Film, der dem Roman nachgedreht wurde.

Aber wahrscheinlich weiß der belesene Welling mehr darüber?

Gruß



--
enigma
enigma
enigma
Mitglied

Re: Für Rätsel-Freunde - Runde XV
geschrieben von enigma
als Antwort auf enigma vom 21.12.2008, 21:05:18
Den Film, den ich meinte, habe ich gefunden - Linktipp!


--
enigma

Anzeige

welling
welling
Mitglied

Re: Für Rätsel-Freunde - Runde XV
geschrieben von welling
als Antwort auf enigma vom 21.12.2008, 21:05:18
Ja, das ist sicher Feuchtwanger mit dem Titel "Die Geschwister Oppenheim". Der ursprüngliche Titel war "Die Geschwister Oppermann". Ein Nationalsozialist mit Namen Oppermann hatte eine Namensänderung erzwungen. Ab der dritten Auflagen galt dann wieder der ursprüngliche Titel. Es ist ein Roman über unselige Zeiten.

Longtime wird dir deine Treffsicherheit bestätigen, Enigma.
Ihm sei danke gesagt, ich habe wieder einiges dazugelernt. Lebenslanges Lernen - eigentlich eine herrliche Betätigung.

Gruß

welling
longtime
longtime
Mitglied

Re: Für Rätsel-Freunde - Runde XV
geschrieben von longtime
als Antwort auf welling vom 21.12.2008, 21:55:56
Der ursprngliche Titel war "Oppermann", musste aber, solange er in Deutschland noch gedruckt werden durfte bzw. konnte, umgeändert wreden.


Der Film, den Welling anzeigte hat begeistert und betrübt; ja er war faszinierend.
25 Jahre ist diese Aufarbeitung der Nazi-Diktatur vorbei; und Nazi-Schweinismus ist seit der Einheit wieder schlimmer als vorher, mit Gejohle, Einschüchterung, Verbechen und Mord!

Hat das keinen Sinn gehabt, dass solch ein gut erarbeiteter Film von Machern und Schauspielern eine Basis für Vergangheits-Diskussionen bot. - Auch hier war kein filmes oder Buch Interesse für Feuchtwanger zum Jubiläum.


Nur Michael Degen war noch als heute noch engagierter Schauspsieler zu sehen; die anderen sind verschütt oder haben sich dem Klamauk verpflichtet.

Den jungen Till Topf habe ich gesucht; der hat den mutigen Schüler Berthold gespielt im Kampf ggen den Naazi-Lehrer Vogelsang... und unterlag; seit mehr als zehn Jahren taucht er in keiner Filmografie mehr auf.

Kennt jemand den Mann 'Topf'?


--
longtime
longtime
longtime
Mitglied

Re: Für Rätsel-Freunde - Runde XV
geschrieben von longtime
als Antwort auf longtime vom 21.12.2008, 23:36:26
Ich mache hier weiter...:

Weihnachtszeit:
Geschenkzeit!
Bücherzeit?
Lesezeit!
Rätselzeit?



Ich setze die Texträtsel fort:


Anlässlich ihrer Einsegnung, ihre Konfirmandin, schreibt eine junge Preußin im August 1926 ihre Empfindungen von Religion, Opposition und Rebellion in ein Tagebuch; auch dieses Gedicht, von dem der Autor nicht genannt wird (… auch nicht vom Autor der Biografie, die ich jetzt mit Vergnügen und Gewinn und vielen neuen Informationen über die Frau lese); auch im Internet habe ich das nicht erfahren können.

"Ihr sagtet, unser Gott ist ausser Raum und Zeit
und wollt ihn doch in dumpfe Tempel pressen
und seiner Allmacht ewige Unendlichkeit
mit eurer dürftigen Verstandeskraft ermessen
hat euer Geist, von jedem Wunsch und Zweck befreit,
im Grenzenlosen ganz sich selbst vergessen,
ich sage euch, dass ihr dem Schöpfer näher seid".

Wer schrieb das Tagebuch, wer die Biografie?
Und:
Kennt jemand den Texter dieser Gedichtzeilen über Gott?


--
longtime

Anzeige

longtime
longtime
Mitglied

Re: Für Rätsel-Freunde - Runde XV
geschrieben von longtime
als Antwort auf longtime vom 05.01.2009, 12:20:32
Geboren wurde die Gesuchte in diesem Schloss, das nicht mehr existiert - außer in den Köpfen vieler Menschen und in einem sehr schnen Buch:


--
longtime
enigma
enigma
Mitglied

Re: Für Rätsel-Freunde - Runde XV
geschrieben von enigma
als Antwort auf longtime vom 06.01.2009, 17:38:33
Hallo Longtime,

den Namen kennen wir alle, aber ich wäre mit Sicherheit nicht so schnell auf sie gekommen ohne das Foto von Schloss Friedrichstein.
Die Biografie von 2008 hat dann Klaus Harpprecht geschrieben?
Und folgerichtig müsste die Gesuchte dann Marion Gräfin Dönhoff sein?

Das Gedicht kenne ich nicht, immer noch nicht, denn Frau Ferri hat in ihrer Antwort ja auch nicht verraten, von wem es ist? )
Weißt Du es denn inzwischen?

Gruß

--
enigma
longtime
longtime
Mitglied

Re: Für Rätsel-Freunde - Runde XV
geschrieben von longtime
als Antwort auf enigma vom 06.01.2009, 18:58:33
Ja, liebe enigma:

Es ist:
Klaus Harpprechts schönes, wichtiges Buch:
Die Gräfin. Marion Dönhoff. Eine Biographie. Rowohlt 2008.

Das abgedruckte Gedicht, dessen Verfasser ich noch nicht kenne, steht auf S. 99. - Auch das Sekretariat Harpprecht hat es nicht herausgefunden.


Verweise:

Rezension:

http://www.faz.net
/s/RubA330E54C3C12410780B68403A11F948B/Doc~EADD7DEE5038A435AA1ACDEADC8F2BD53~ATpl~Ecommon~Scontent.html


http://de.wikipedia.org/wiki/Marion_Gr%C3%A4fin_D%C3%B6nhoff

Dönhoffs prophetisch-realistischer Aufruf, jqa "Befehl" - so kurz wie sinnlos: „Zivilisiert den Kapitalismus!“
(Erst zu der Zeit ist die Endphase des Krank-Kapitalismus inszeniert worden wie eine Seuche...):
Aber, der Text wird länger seine Geltung beanspruchen als die Geldungen der Krank-Aktinöre wie Merckel & Co.):

http://www.zeit.de/2008/10/Zivilisiert-den-Kapitalismus

Zur Biografie im Überblick:

http://www.dhm.de/lemo/html/biografien/DoenhoffMarion/

*

Dann bist du wieder dran mit einem Lektüre-Rätsel, enigma...?! - Lass uns nicht so lange warten, bitte.

--
longtime
enigma
enigma
Mitglied

Re: Für Rätsel-Freunde - Runde XV
geschrieben von enigma
als Antwort auf longtime vom 07.01.2009, 09:38:56
Hallo Longtime,

danke für Deine Auflösung des Rätsels.

Ich melde mich jetzt nur kurz, weil ich mich nicht so ganz fit fühle und mich wieder ins Bett begeben werden.
Was es ist, weiß ich noch icht so genau, denn ich fühle mich nicht so richtig krank, aber auch nicht richtig gesund. )
Also ruhe ich mich noch weiter aus.

Ich melde mich später zum Thema und nehme Stellung zu Deinen Informationen - und werde bemüht sein, auch etwas einzustellen.

Also, bis bald und amüsiert Euch inzwischen gut. Vielleicht stellt auch jemand inzwischen etwas ein.

Liebe Grüße
Enigma
--
enigma

Anzeige