Literatur Gedichte 01

hl
hl
Mitglied

Gedichte 01
geschrieben von hl
Gedichte fremder Autoren
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Letzte Warnung

Wenn wir nicht aufhören
uns mit unseren kleinen
täglichen Sorgen
und Hoffnungen
unserer Liebe
unseren Ängsten
unserem Kummer
und unserer Sehnsucht
zu beschäftigen
dann geht die Welt unter.

Und wenn wir aufhören
uns mit unseren kleinen
täglichen Sorgen und Hoffnungen
unserer Liebe
unseren Ängsten
unserem Kummer
und unserer Sehnsucht
zu beschäftigen
dann ist die Welt untergegangen

(Erich Fried)



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hl
pilli
pilli
Mitglied

Re: Gedichte 01
geschrieben von pilli
als Antwort auf hl vom 24.03.2007, 13:14:50
Gegenwart

Was ich verwahre hinter schloß und siegel?

Keine konspiration nicht einmal
pornografie

Vergangenheit tochter

Sie zu kennen kann
die zukunft kosten

(monologe mit der tochter - reiner kunze aus: zimmerlautstärke)

--
chris
chris
Mitglied

Osterspaziergang
geschrieben von chris
als Antwort auf pilli vom 24.03.2007, 23:39:12
Goethe: Osterspaziergang

Vor dem Tor

Vom Eise befreit sind Strom und Bäche
Durch des Frühlings holden, belebenden Blick,
Im Tale grünet Hoffnungsglück;
Der alte Winter, in seiner Schwäche,
Zog sich in rauhe Berge zurück.
Von dort her sendet er, fliehend, nur
Ohnmächtige Schauer körnigen Eises
In Streifen über die grünende Flur.
Aber die Sonne duldet kein Weißes,
Überall regt sich Bildung und Streben,
Alles will sie mit Farben beleben;
Doch an Blumen fehlts im Revier,
Sie nimmt geputzte Menschen dafür.
Kehre dich um, von diesen Höhen
Nach der Stadt zurück zu sehen!
Aus dem hohlen finstern Tor
Dringt ein buntes Gewimmel hervor.
Jeder sonnt sich heute so gern.
Sie feiern die Auferstehung des Herrn,
Denn sie sind selber auferstanden:
Aus niedriger Häuser dumpfen Gemächern,
Aus Handwerks- und Gewerbesbanden,
Aus dem Druck von Giebeln und Dächern,
Aus der Straßen quetschender Enge,
Aus der Kirchen ehrwürdiger Nacht
Sind sie alle ans Licht gebracht.
Sieh nur, sieh! wie behend sich die Menge
Durch die Gärten und Felder zerschlägt,
Wie der Fluß in Breit und Länge
So manchen lustigen Nachen bewegt,
Und, bis zum Sinken überladen,
Entfernt sich dieser letzte Kahn.
Selbst von des Berges fernen Pfaden
Blinken uns farbige Kleider an.
Ich höre schon des Dorfs Getümmel,
Hier ist des Volkes wahrer Himmel,
Zufrieden jauchzet groß und klein:
Hier bin ich Mensch, hier darf ichs sein!

(Johann Wolfgang von Goethe, Faust I)
--

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Medea
Medea
Mitglied

auch von Johann Wolfgang ......
geschrieben von Medea
als Antwort auf chris vom 26.03.2007, 07:16:27
Wir wandeln alle in Geheimnissen.
Wir sind von einer Atmosphäre umgeben, von der wir gar nicht wissen, was sich alles in ihr regt und wie es mit unserem Geiste in Verbindung steht.
--
medea.


enigma
enigma
Mitglied

Re: auch von Johann Wolfgang ......
geschrieben von enigma
als Antwort auf Medea vom 26.03.2007, 11:20:40
Simone Katrin Paul

Ausstand Einstand


Meine Augen fallen zu
wem soll ich mich öffnen
wenn ich erwach aus diesem Traum
dessen schleppender Schritt...
Was erträgst Du?

Ich höre das Licht
mein Herz atmet
einem Haus entliebt und wiedergekommen?
Wohin?
Menschen trinken auf den Morgen
einer muss gehn

eh der nächste kommt.
Wirds nun eng beieinander?

Längst im Kasten die alten Postleitzahlen
neue für Ost und West aufeinander.

Auf einem anderen Kontinent
kennt man die fünfte Himmelsrichtung.

Hand drauf:
jeder Staat
mit endloser Macht
ist ein Albtraum.


Doch stimmt ja in Deutschland
liegt mittig? leicht östlich noch immer
der herrliche Park von
Sanssouci –

so schön durch die Wolken zu fliegen
dann wirklich die rote Sonne des Morgens
mitten ins Herz:

sechs Uhr sieben Berlin.


Gereimtes vom "roten" Arno Holz
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf enigma vom 27.03.2007, 22:01:55
Arno Holz:
Selbstporträt

Nur Wenigen bin ich sympathisch,
Denn ach, mein Blut rollt demokratisch
Und meine Flagge wallt und weht:
Ich bin nur ein Tendenzpoet!

Auf Reime bin ich wie versessen,
Drum lob ich plötzlich die Tscherkessen
Und wüst durch mein Gehirn scherwenzen
Verrückt gewordene Sentenzen.

Mein Blut rollt schwarz, mein Herz schlägt matt,
Mein Hirn hat noch nicht ausgegoren,
Denn meine gute Mutter hat
Mich hundert Jahr zu früh geboren!

*
Angesichts solcher Verse urteilte Holz' Dichterkollege Detlev von Liliencron, der klangvolle, impressionistiche Gedichte schrieb:
"Arno Holz ist ja wüster, rothester Socialdemokrat".



--
elfenbein

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Medea
Medea
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Re: Gereimtes vom
geschrieben von Medea
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 13.04.2007, 08:40:47
Wobei ich den feinsinnigen Detlev von Liliencron gut verstehen kann - schon das schwarzrollende Blut in Arno Holz Adern macht bange ).


Medea.

Re: Gereimtes vom Dichter
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf Medea vom 13.04.2007, 09:06:54
Ein Test für eine Geschmacksfrage...?
[... ein Poet:]

Die Dichterin

Powrer noch als Zink und Zinn
ist die deutsche Dichterin!

Vor der ersten gelben Priemel
leiert sie ihr Lenzgeschwiemel.

Lilien, Heliotropen, Rosen
tauchen sie in Duftnarkosen.

Hyazinthen und Azalien
frißt ihr Vers wie Viktualien.

Zwischen Rittersporn und Malven
knallt sie ihre Liedersalven.

In Salbei und Türkenbund
weint sie sich die Aeuglein wund.

Hinter ihr mit ernster Miene
runzelt sich die Georgine.

Erst die herbstlich blaue Aster
klebt auf ihre Wunde Pflaster.

Träumt sie nächtens von Melissen,
klammert sie sich um die Kissen.

Centifolien, Mohn und Nelken,
einsam muß ich hier verwelken.

Tuberosen, Nachtviolen,
und sie wälzt sich, wie auf Kohlen.

Da, auf einem Besenstiel,
naht ein Marschall namens Niel.

Naht sich Bakkios mit dem Eppich,
krümmt sich ihres Leibes Teppich.

Naht sich Gabriel, der Engel,
greift sie nach dem Tulpenstengel.

Küßt das Morgenrot Verbenen,
"sehrt" sie immer noch ihr "Sehnen".

Kaiserkronen und Jasmin,
endlich, endlich hat sie ihn!

Raden, Wegerich und Raps,
ach, er ist ein zweiter Abs.

Hühnerfuß und Hahnenkamm,
endlich nennt man sie Madamm.

Durch Kamelien und Kakteen
hat sie ihn zuerst gesehen.

Bienen summten um des Stock,
blaugrün war sein Havelock.

Klang sein Lied ihr "Still im Stillen"
und sie glitt in die Kamillen.

Schämig hauchten die Skabiosen:
kuck, das Kind hat keine Hosen!

Zärtlich seufzte das Reseda:
ach, sie ist so lieb wie Leda!

Keusch am Busen blaue Veilchen,
kocht sie ihm jetzt Käsekeilchen.

Meyran, Dill und Krauseminze,
alle Mittwoch bäckt sie Plinze.

Bohnen, Erbsen, Weißkohl, Wruken
stopft sie ihm in alle Luken.

Und welch eigne Poesie
schafft ihm erst ihr Sellerie!

Schon fragt sie ein Tausendschönchen:
wirds ein Töchterchen, ein Söhnchen?

Rosmarin und Amaranth,
schließlich siegt das Wickelband!
*
Frage:
Von wem ist denn dieses Gedicht: von Holz oder von von Liliencorn?

Hier nicht nach der Ausgabe, die es auch im Internet gibt; also googeln), sondern nach dem Vorabdruck in einer Zeitschrift (Erstdruck). 1901.


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elfenbein
Medea
Medea
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Re: Gereimtes vom Dichter
geschrieben von Medea
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 13.04.2007, 16:30:53
Hallo Elfenbein,

mir scheint dieses Gedicht von Detlev von Liliencron zu sein, meine Vermutung zog ich aus dem Zweizeiler

"Bohnen, Erbsen, Weißkohl, Wruken
stopft sie ihm in alle Luken."


"Wruke" ist eine nord-ost-deutsche Bezeichnung für Kohlrübe und als geborener Kieler kannte von Liliencron dieses Gemüse sicherlich.



Medea.






Re: Gereimtes vom Dichter
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf Medea vom 13.04.2007, 21:58:46
Nett, dass Du mitgespielt hast, schau mal nach:

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elfenbein

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