Forum Kunst und Literatur Literatur Gesucht: ein Raetseljubilar des Jahres 2010

Literatur Gesucht: ein Raetseljubilar des Jahres 2010

longtime
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Gesucht: ein Raetseljubilar des Jahres 2010
geschrieben von longtime
Ein literarisches Rätsel aus:

Reclams Literatur-Kalender 2010:

Gesucht wird der Rätsel-Jubilar des Jahres 2010:

Der Rätsel-Jubilar

Ein komplexer Stammbaum bettet einen Autor auch nicht grade auf weiche Daunen. Spross elsässischer und spanischer Vorfahren, kam der Sohn eines Kellereiangestellten auf einem ganz anderen Kontinent zur Welt, das Elend vor Augen:
Im ersten Lebensjahr verlor er den Vater im Krieg, die Mutter kam als Putzfrau kaum über die Runden und lebte mit ihren zwei Söhnen samt Großmutter in einem armseligen Stadtviertel, wo sich Mittellose aus aller Herren Ländern zusammenraufen mussten. Doch war die Heimat nicht nur hässlich und heiß, »eine Siedlung ohne Tauben, Bäume oder Gärten«, sondern auch ein Meer im Licht, in dem »sich am Morgen der Welt die Erde erhoben haben« könnte. Der Kleinere der Buben raufte sich am Strand, auf dem Pausenhof und auf dem Bolzplatz, in ausgemusterten Klamotten und Schuhen. Für sein Alter war er klein geraten, so dass er unter dem Spitznamen »Tiefflieger« dem Ball nachjagte. Der Sport blieb seine Leidenschaft, weil dabei die Herkunft gleichgültig ist, solange man Tore schießen oder den gegnerischen Ball auch halten kann. »Ausschließlich hier habe ich meine moralische Erziehung erhalten«. Hier, das meinte beim Fußballspiel und auf der Straße, sammelte er seine Erfahrungen, die »wie Kleister an der Seele haften bleiben«: die harte Hand der Großmutter, die zu Gehorsam anhielt, die stramme Schuluniform, die immerhin ein Einheitsgefühl vermittelte, mehr oder weniger .elegant - später teilt er die selbstbewusst-kämpferische Devise des Dichters René Char: »Freiheit, Ungleichheit, Brüderlichkeit«.

Zweiteres konnte der Schüler auch als Glück auslegen, wie so manches Ungemach ein Leben lang, denn mit List umging er die Kassenbuden des Stadions, um ohne sein nicht vorhandenes Taschengeld einem Spiel zuzugucken, und mit seiner Intelligenz wurde der 14-jährige Stipendiat am Gymnasium, das sich die Mutter nicht leisten konnte. Der Grundschullehrer hatte seine Begabung erkannt und den »Knirps« auf die philosophische Bahn gebracht. Noch vor Abschluss der Schule aber spuckte er Blut beim Husten, er schob es zunächst auf zu viel Sport und zu viel Sonne, doch die Diagnose lautete auf Lungentuberkulose. Von da an wird sein Leben zur Sisyphos-Arbeit: Angesichts der tödlichen Krankheit, die er als Atemwegserkrankung herunterspielt, gibt er den aktiven Sport auf, studiert Philosophie mit einem Abschluss über Plotin und Augustinus, gründet: ein Arbeitertheater, schreibt, während er zwischen den Berufen des Lehrers und des Journalisten schwankt, bis der Weltkrieg ihn in Europa zum gefürchteten linken Leitartikler im Widerstand gegen die Deutschen macht - und zum Romancier, dessen essayistische Texte der Technik nach »an Kafka geschult« sind, »geschrieben von Hemingway«, wie die Medien urteilen. Ein frühes Meisterwerk behandelt das Böse als Motor des menschlichen Lebens, ein spätes» Schlüsselwerk ist eine Anklageschrift gegen den modernen Menschen. Dazwischen schuf der Autor, der sich treffend als Mischung aus Fernandel und Humphrey Bogart beschrieb, Typen und Rollen fast mythischen Ausmaßes. Dafür hätte man ihm beinahe als jüngstem Kandidaten aller Zeiten den Literaturnobelpreis zugesprochen - als er ihn dann tatsächlich bekam, war er immer noch keine fünfzig. Die erreichte er auch nicht: Gegen die Schwindsucht konnte er noch trotzig revoltieren, er starb im Auto, das gegen einen Baum geschleudert wurde. Das Manuskript, das man in seiner Tasche fand, enthält den Satz, der die eigene Jugend heraufbeschwört: »wenn er mit dem Ball am Fuß voranstürmte, um nacheinander einem Baum und einem Gegner auszuweichen, fühlte er sich wie der König des Hofs und des Lebens«. Im Nachruf schrieb sein einstiger Freund und späterer Rivale, ihr Zerwürfnis sei, »selbst wenn man sich niemals wieder sehen sollte, höchstens eine andere Art, zusammen zu leben«.

Wenn Sie den Namen des Gesuchten kennen, schreiben Sie uns:

Philipp Reclam jun. Verlag GmbH
- Stichwort »Rätsel« -
Siemensstraße 32
71254 Ditzingen

E-Mail: [email protected]

Einsendeschluss: 1. MAI 2010

Aus: Reclams Literaturkalender. 2010. Reclam-Verlag Stuttgart 2009. S. 124ff.

http://www.reclam.de/detail/978-3-15-018626-8[/img]



Der Verlag verspricht:

Wir verlosen unter den Einsendern der richtigen Lösung zehn Exemplare der Sammlung von Georg Heyms nachgelassenen Gedichten, „Umbra. Vitae“, die 1924 im Verlag Kurt Wolff von Ernst Ludwig Kirchner mit Holzschnitten ausgestattet wurde. Mit zwei Nachworten versehen, wird diese Inkunabel (expressionistischer Buchkunst als Reprint (bedrucktes Leinen im Schuber) wiederaufgelegt. Einsendeschluss ist der 1. Mai 2010. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.

[i](Dass der Gesuchte für sein erzählerisches, dramaturgisches, philosophisches und publizistisches Gesamtwerk den Nobelpreis für Literatur erhielt er, verschweigt der Verlag in diesem Steckbrief.)

enigma
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Re: Gesucht: ein Raetseljubilar des Jahres 2010
geschrieben von enigma
als Antwort auf longtime vom 14.12.2009, 12:33:42
Albert Camus?

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