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Literatur Hagar Peeters: : MALVA

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Hagar Peeters: : MALVA
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Manchmal erfährt man Dinge aus dem Leben berühmter und hoch geachteter Menschen, die man auch selbst sehr schätzt und es ist, als ob ein Bild zerbricht -  normalerweise stelle ich das Gesamtwerk eines Künstlers über seine privaten Schmutzflecke auf seiner "Weste"  aber oft ist es denn doch so, dass ich daran zu knabbern habe. So ging es mir nach dem Lesen des Buches von Hagar Peeters: „Malva“

Es ist ein dunklen Fleck im Leben von Pablo Neruda, den keiner seiner vielen Preise und Ehrungen jemals auslöschen könnte. Es ist die geheime Geschichte seiner Tochter Malva Marina Trinidad Reyes, die an Hydrozephalus litt und im Alter von acht Jahren in den Niederlanden starb. Das Kind – der einzige Nachkomme des chilenischen Dichters – war das Produkt seiner ersten Ehe mit María Antonia „Maryka“ Hagenaar.

Fakten über Nerudas versteckte Tochter begannen vor etwa 20 Jahren ans Licht zu kommen, und soziale Online-Netzwerke haben seitdem das öffentliche Interesse gesteigert.

Die Geschichte begann am 6. Dezember 1930 in Indonesien. Ein jugendlicher Neruda war damals Honorarkonsul Chiles auf der Insel Java. Er lebte  dort fast ärmlich, aber sein Ehrgeiz war schon damals  grenzenlos. In einem Tennisclub lernte er Maryka Hagenaar kennen, die Tochter holländischer Kolonisten, die seit langem in der Region ansässig waren. Sie lebte bei ihrer Mutter. Ihr Vater und zwei Brüder waren alle gestorben. Und vermutlich war sie entzückt von den Versprechungen eines Diplomaten, ihren Horizont zu erweitern. Aber der Charme verflog schnell.

Ihre Eltern  gaben ihr bei der Geburt einen wunderschönen, blumigen Namen, wie er für ein kleines Mädchen kaum schöner sein könnte: MALVA. Aber sie war nicht "liebreizend", sie wurde mit einem Wasserkopf geboren und war zeitlebens geistig und körperlich behindert

Neruda, oder Ricardo Neftalí Reyes Basoalto, um seinen bürgerlichen Namen zu verwenden, ist in seiner Heimat Chile sowohl für seine sozialistischen politischen Ideen als auch für sein Schreiben in Erinnerung geblieben. Und doch verweigerte er der Mutter der Kleinen das Geld, das sie brauchte, um sich um ein Kind zu kümmern, das Neruda das letzte Mal sah, als es gerade zwei Jahre alt war. Später weigerte er sich, ihre sichere Ausreise aus Europa während des Zweiten Weltkriegs zu arrangieren.

Maruca, wie Pablo seine erste Frau nannte , kommunizierte immer auf Englisch mit ihm (wie sie es auch tat, als sie später jahrelang vergeblich schrieb und „mein liebes Schwein“ bat, ihrer Tochter Essensrationen zu schicken). Die einzigen freundlichen Worte, die Neruda über Maruca geschrieben zu haben scheint, waren an seinen Freund, den Dichter Héctor Eandi, den er über seine Ehe mit Maruca und das Leben, das sie in Indonesien teilten, informierte, wo sie „im Sand lagen und auf die schwarze Insel blickten“. Sumatra und der unterirdische Vulkan Karakatau ."

Maruca zog mit Neruda nach Chile in die Hauptstadt Santiago, passte aber nicht hin. Sie reisten nach Buenos Aires, wo Neruda Attaché war, eine Position, die es ihm ermöglichte, Spanier wie den Dichter Federico García Lorca zu treffen.

Im Juni 1934 reiste Neruda nach Madrid, wo er Chiles Kulturattaché werden sollte. Dort veröffentlichte er einige seiner Werke und lernte Delia del Carril kennen, eine wohlhabende, freidenkende argentinische Kommunistin, die seine zweite Frau werden sollte. Aber im August dieses Jahres brachte Maryka ein Mädchen zur Welt. Malva. Sie sah ihrem Vater so ähnlich, abgesehen von ihrem aufgeblähten Kopf mit Wasserkopf.

Der Dichter Vicente Aleixandre beschrieb später, wie Neruda anfangs stolz darauf war, von seiner Tochter zu erzählen. Aber er begann sich bald nach der Geburt emotional zu distanzieren und beschrieb Malva Marina innerhalb eines Monats gegenüber seiner argentinischen Freundin Sara Tornú als „vollkommen lächerliches Wesen“ und „Drei-Kilo-Vampir“. Er und Maruca, schrieb er, hätten wochenlang versucht, das Kind zu ernähren und ins Bett zu bringen, oder „schreckliche“ orthopädische Schuhe und medizinische Geräte gekauft. „Sie können sich vorstellen, wie sehr ich gelitten habe“, schrieb er.

Malva wuchs, war aber nicht dazu bestimmt zu überleben. Sie konnte weder gehen noch sprechen, sondern summte leise vor sich hin. Lorca beschrieb sie in einem Gedicht, das die Madrider Tageszeitung ABC 1984 entdeckte:

Malva Marina, die dich sehen konnte

Delphin der Liebe auf alten Wellen,

Wenn der Walzer dein Amerika offenbart

Gift und Blut einer sterblichen Taube!

Im Juli 1936 brach in Spanien ein Bürgerkrieg aus. Bomber begannen, Madrid zu bombardieren, Lorca wurde ermordet und kommunistische Brigaden trafen ein, um zivilen Milizen bei der Verteidigung der Republik zu helfen. Neruda wurde inspiriert, España en el corazón (Spanien in unseren Herzen) zu schreiben. Am 12. Oktober 1936 nahm er an einer Hommage in Cuenca teil, wo er sein Canto a las madres de los milicianos muertos (Lied für die Mütter getöteter Milizionäre) las. Die Arbeit war bewundernswert und bewegend – im Gegensatz zu seiner Gleichgültigkeit gegenüber seiner Frau und seinem Kind.

Am 8. November trennten sich Neruda und Hagenaar und er sah Malva zum letzten Mal. Mit seiner später 2. Frau, Delia del Carril,  ging er nach Barcelona, ​​dann nach Paris. Vielleicht begannen dort die langen Jahre der Verleugnung, des subtilen Betrugs und der Geheimhaltung, die in den folgenden Jahren mit der Komplizenschaft von Literaturbewunderern und der kommunistischen Partei Chiles aufrechterhalten werden sollten. Neruda war zu sehr damit beschäftigt, für die Menschheit zu kämpfen, hieß es, um sich um ein Mädchen besonders zu kümmern. Und es war natürlich nicht einfach, in Kriegszeiten Geld zu überweisen.In Wirklichkeit gibt es jedoch keine Beweise dafür, dass er es überhaupt versucht hat.

Maryka und ihre Tochter ließen sich in Den Haag nieder. Mit Hilfe einer christlichen Organisation fand man dort Pflegeeltern,  Hendrik Julsing und Gerdina Sierks, die noch zwei weitere Kinder hatten. Neruda antwortete nie auf Marykas Bitte um Geld: 100 Dollar im Monat. Eine Krankenschwester, die den Julsings half, finanzierte die Mutter der Kleinen, Maryka , alleine und sie besuchte ihre Tochter auch regelmäßig.

Malva Marina starb am 2. März 1943. Neruda wurde in einem Telegramm informiert, das er in Mexiko erhielt, worauf er nicht antwortete. Das Kind fehlt in seinen Memoiren, und er hat ihr nie eine einzige Gedichtzeile gewidmet, abgesehen von der selbstmitleidigen Anspielung in einem Gedicht, Enfermedades en mi casa ("Krankheiten in meinem Haus").

Maryka ihrerseits verschwand allmählich aus den Aufzeichnungen, da sie Neruda nicht mehr um Hilfe bat. Freunde von ihr sagten,  sie habe „den Rest ihres Lebens in Einsamkeit und Angst gelebt.  Sie starb 1965 in Den Haag.

unglaublich wie sehr die Kleine ihrem Vater ähnelte 

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 Das Buch Malva erzählt von der kurzen und unglücklichen Liebe der Eltern auf Java, dem Verrat des Vaters, und dem Hinsiechen der Mutter. Der Vater trennt sich von der Mutter des Kindes, das Kind verstößt er und überlässt es Pflegeeltern in den Niederlanden, er, der Vater, beginnt eine neue Liebe  und wird zum heldenhaften Poeten seines Landes und eines ganzen Kontinentes, auf dem noch heute jeder seinen Namen kennt. Dieser miserable Vater, der sich niemals wieder um das Kind Malva gekümmert hat - die große politische Weltlage war wichtiger als das Kind.Malva wurde nur 8 Jahre alt.
Der miserable Vater war Pablo Neruda. der große chilenische Dichter. 
Die niederländische Autorin hat sich sehr gründlich mit dem Leben dieses kleinen Mädchens befasst und auch mit den verlassenen Kindern anderer berühmter Autoren, Poeten, Künstler und Wissenschaftler - 


aus der Buchbesprechung bei DEUTSCHLANDFUNK

Viele Schriftsteller vernachlässigten ihre Kinder
Und sie ist nicht alleine: An ihrer Seite im Totenreich sind neben der (ins Irrenhaus gesperrten) Tochter von James Joyce auch der mit Down-Syndrom auf die Welt gekommene Sohn von Arthur Miller, der gleich nach der Geburt ins Heim gegeben und vierzig Jahre verschwiegen wurde – und Oskar Matzerath aus der Blechtrommel, der seinem Schöpfervater Grass das Verschweigen der Mitgliedschaft in der Waffen SS nicht verzeihen kann.
Malva erzählt von der kurzen und unglücklichen Liebe der Eltern auf Java, dem Verrat des Vaters, dem Hinsiechen der Mutter. Sie kann die Vergangenheit lebendig werden lassen und in die Zukunft sehen. Und sie hat im Reich der Toten kluge Stichwort- und Ratgeber: Die polnische Dichterin Wislawa Szymborska, Sokrates, Goethe, Roald Dahl, der für seinen behinderten Sohn, ein spezielles Röhrchen mit Ventilklappe erfunden hatte, um Hirnwasser abzupumpen. Sie alle sind Freunde der Neruda Tochter, der im Leben nicht zu helfen war, die aber im Tod begehrt ist. Auch die verlassenen Kinder von Gauguin würden gerne an ihrem Tisch sitzen und der hochbegabte, angeblich schizophrene Sohn von Albert Einstein. Der große Wissenschaftler weigerte sich für die Sanatoriumskosten aufzukommen und brach jede Verbindung zum Sohn aus erster Ehe ab.
Sollte uns dieses Wissen dazu veranlassen, anders über Neruda nachzudenken, einen Mann, der sich bemühte, Republikaner zu retten, die nach dem Sieg der Nationalisten 1939 aus Spanien flohen? Antonio Reynaldos, ein chilenischer Journalist, der seit den 1980er Jahren in den Niederlanden lebt und dabei half, Malva Marinas Grab zu finden, glaubt das nicht. Er glaubt, dass es nicht fair ist, Neruda mit einem modernen Maßstab zu beurteilen.


nach Beendigung dieser Lektüre werde ich Nerudas Gedichte weiterhin lieben, als Menschen aber verachte ich ihn


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