Literatur Herbstgedicht

Milan
Milan
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Herbstgedicht
geschrieben von Milan
Im Herbste

Es rauscht, die gelben Blätter fliegen,
Am Himmel steht ein falber Schein;
Du schauerst leis und drückst dich fester
In deines Mannes Arm hinein.

Was nun von Halm zu Halme wandelt,
Was nach den letzten Blumen greift,
Hat heimlich im Vorübergehen
Auch dein geliebtes Haupt gestreift.

Doch reißen auch die zarten Fäden,
Die warme Nacht auf Wiesen spann -
Es ist der Sommer nur, der scheidet;
Was geht denn uns der Sommer an!

Du legst die Hand an meine Stirne
Und schaust mir prüfend ins Gesicht;
Aus deinen milden Frauenaugen
Bricht gar zu melancholisch Licht.

Erlosch auch hier ein Duft, ein Schimmer,
Ein Rätsel, das dich einst bewegt,
Daß du in meine Hand gefangen
Die freie Mädchenhand gelegt?

O schaudre nicht! Ob auch unmerklich
Der schönste Sonnenschein verrann -
Es ist der Sommer nur, der scheidet;
Was geht denn uns der Sommer an!

Theodor Storm
schorsch
schorsch
Mitglied

Re: Herbstgedicht
geschrieben von schorsch
als Antwort auf Milan vom 26.08.2015, 19:11:48
Na wenn schon der alte Storm den Herbst einläuten muss, dann will der Schorsch auch nicht zurückstehen. Aber:

Herbstmuffel
***************

Der Spätherbst ist nicht meine Zeit;
ich lieb` des Frühlings Lieblichkeit,
wenn Mensch und Tierchen mit den Pflanzen
zusammen Ringelreihen tanzen.
Sirona
Sirona
Mitglied

Re: Herbstgedicht
geschrieben von Sirona
als Antwort auf Milan vom 26.08.2015, 19:11:48
Man "riecht" schon den herannahenden Herbst, einige Blätter verfärben sich schon und auch die Temperaturen deuten - bis auf einige Ausreißer - die kühlere Jahreszeit an. Ich mag Storm sehr und die Herbstgefühle, die Menschen beim Abschied des Sommers empfinden, hat er wunderbar in Worten ausgedrückt.

Milan, dieses Gedicht hätte auch im Thread "Schöne Lyrik" gepasst. Dort sind viele schöne Verse zu lesen. Vielleicht hast Du diese Seite noch nicht entdeckt?

LG Sirona

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Milan
Milan
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Re: Herbstgedicht
geschrieben von Milan
Herbstentschluß

Trübe Wolken, Herbstesluft,
Einsam wandl ich meine Straßen,
Welkes Laub, kein Vogel ruft -
Ach, wie stille! wie verlassen!

Todeskühl der Winter naht;
Wo sind, Wälder, eure Wonnen?
Fluren, eurer vollen Saat
Goldne Wellen sind verronnen!

Es ist worden kühl und spät,
Nebel auf der Wiese weidet,
Durch die öden Haine weht
Heimweh; - alles flieht und scheidet.

Herz, vernimmst du diesen Klang
von den felsentstürzten Bächen?
Zeit gewesen wär es lang,
Daß wir ernsthaft uns besprächen!

Herz, du hast dir selber oft
Wehgetan und hast es andern,
Weil du hast geliebt, gehofft;
Nun ists aus, wir müssen wandern!

Auf die Reise will ich fest
Ein dich schließen und verwahren,
Draußen mag ein linder West
Oder Sturm vorüberfahren;

Daß wir unsern letzten Gang
Schweigsam wandeln und alleine,
Daß auf unsern Grabeshang
Niemand als der Regen weine!
debi
debi
Mitglied

Re: Herbstgedicht
geschrieben von debi
als Antwort auf Milan vom 23.10.2015, 15:38:10
Hallo Milan,
Du hast ganz vergessen, den "Verfasser" dieser Zeilen zu nennen.
Nikolaus Lenau (1802 - 1850), dessen romantische Gedichte ganz sicher nicht nur ich sehr liebe.

Nikolaus Lenau

LG debi
Milan
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Herbstgedicht
geschrieben von Milan
als Antwort auf debi vom 24.10.2015, 10:43:33

Oktoberlied


Der Nebel steigt, es fällt das Laub;
Schenk ein den Wein, den holden!
Wir wollen uns den grauen Tag
Vergolden, ja vergolden!

Und geht es draußen noch so toll,
Unchristlich oder christlich,
Ist doch die Welt, die schöne Welt,
So gänzlich unverwüstlich!

Und wimmert auch einmal das Herz -
Stoß an und laß es klingen!
Wir wissen's doch, ein rechtes Herz
Ist gar nicht umzubringen.

Der Nebel steigt, es fällt das Laub;
Schenk ein den Wein, den holden!
Wir wollen uns den grauen Tag
Vergolden, ja vergolden!

Wohl ist es Herbst; doch warte nur,
Doch warte nur ein Weilchen!
Der Frühling kommt, der Himmel lacht,
Es steht die Welt in Veilchen.

Die blauen Tage brechen an,
Und ehe sie verfließen,
Wir wollen sie, mein wackrer Freund,
Genießen, ja genießen!

Theodor Storm
schorsch
schorsch
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Re: Herbstgedicht
geschrieben von schorsch
Herbstfluss

Die Blätter zieh`n an uns vorbei
auf leisen Wasserwogen.
Dem Wasser ist es einerlei;
es macht nur einen Bogen.

Denn alles fliesst zum Meere hin
und sucht dort seinen Neubeginn.


Georg von Signau, Oktober 15

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