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Literatur Heute etwas Poesie

longtime
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Re: Heute etwas Poesie
geschrieben von longtime
als Antwort auf nasti vom 19.01.2011, 18:24:57
Obwohl es kein Frühlingsgedicht ist, biete ich hier eine andere Übersetzung des hier eingestellten Textes von Alexander Blok:

Alexander Blok:
(Ohne Titel)

Die Kälte der Abende – schrecklich,
Ihr Wind, der aufgeregt schlägt,
Der niemals gegangenen Schritte
Erregendes Rascheln am Weg.

Des Morgens Gesichtszug so kalt
An nahendes Unheil erinnernd,
Als Wahrzeichen, dass wir gefangen
Im Kreisinnern sind, unentrinnbar.

(Juli 1902)
(Übersetzt von Eric Boerner)
Medea
Medea
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Re: Heute etwas Poesie
geschrieben von Medea
als Antwort auf longtime vom 20.01.2011, 13:03:12
Ganz unpolitisch hier dieses "Krokus-Gedicht"

Krokusse

In meinem Garten hinterm Haus
sich Krokusblüten breiten aus,
jedes Jahr sind es dieselben,
weiße, blaue und die gelben,
die das Herze mir erfreu'n,
habet Dank, ihr Blümelein!

Kleine Wunder ihr des Licht's
wisset von den Sorgen nichts,
die uns Menschen lassen bangen
und den düstern Sinn umfangen,
dass die Schönheit der Natur
oft uns stimmt gar traurig nur.

Ihr jedoch, ihr wollt nur blühen,
euch um unsre Gunst bemühen,
lasst euch von der Sonne wärmen,
lauer Frühlingsluft umschwärmen,
freut euch wenn der Wind euch küsst,
fraget nicht was morgen ist.

© Gisela Grob, 2005


Medea.
clara
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Re: Heute etwas Poesie
geschrieben von clara
als Antwort auf longtime vom 20.01.2011, 13:03:12
Dein Rätsel, longtime: Ich tippe auf Max Frisch (wegen seiner Biografie) und der Bahnhof ist wahrscheinlich (noch) der in Stuttgart (Turm, Stern). Clara

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enigma
enigma
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Re: Heute etwas Poesie
geschrieben von enigma
als Antwort auf clara vom 20.01.2011, 13:36:06
Hallo Clara,

ich tippe auch auf Max Frisch.
Ich kenne zwar den von Longtime eingestellten Text nicht, aber Frisch war ja auch Architekt und zufällig weiß ich auch, dass er 1935 seine erste Deutschland-Reise nach Berlin machte.
Stuttgart würde auch gut passen.

Da bin ich auf das Ergebnis gespannt.

Gruß von Enigma
longtime
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Poesie und Geschichtliches von Max Frisch
geschrieben von longtime
als Antwort auf enigma vom 20.01.2011, 13:45:44
Ja - zweimal:

Sehr gut, sehr schön ... und (bitte) weitermachen in Sachen Literatur!


Ja, es war der junge Schweizer Max Frisch, der im Jahre 1935 durch Stuttgart reiste auf dem Weg nach Berlin und Augen und Ohren offen hielt.



Wer Weiteres über diesen Text nachlesen will:
(Ein bisschen muss ich noch verbessern an dem Beitrag im ZEIT-BLOG.)

clara
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Re: Poesie und Geschichtliches von Max Frisch
geschrieben von clara
als Antwort auf longtime vom 20.01.2011, 17:57:35
Da lagen wir also richtig, Enigma und ich!
Gratulation, lieber longtime zu Deinem Blog bei der Zeit! Ich werde sicher mitlesen. LG, Clara

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enigma
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Re: Poesie und Geschichtliches von Max Frisch
geschrieben von enigma
als Antwort auf clara vom 20.01.2011, 18:03:19
Ja, lieber Longtime, “himmelgreifend”, was für ein Begriff...!
Übrigens finde ich es auch schön, Dich wieder zu lesen, wie eine “dame.von Welt” es in einem Kommentar zum Kommentar geäußert hat.
Allerdings verstehe ich es auch gut, dass jemand mal eine Auszeit braucht; manchmal brauche ich die auch.
Den Blog verfolgen werde ich ebenfalls.
Ganz nebenbei habe ich nämlich da (im Blog) Anwort auf meine Frage erhalten, in welchem Band Dein eingestellter Beitrag zu finden ist. Ich hatte schon vermutet, dass er in einem Sammelband stehen könnte.
Stammt er ursprünglich aus den Reisetagebüchern von Frisch?

Die Beziehung zu Käte Rubensohn ist ja nach einigen Jahren zu Ende gegangen.
In irgendeinem Artikel, den ich nicht mehr finde, habe ich gelesen, dass sie den Heiratsantrag von Frisch abgelehnt haben soll mit der Begründung, dass er zwar fürsorglich sei, sie aber nicht liebe.
Es lag ja auch nahe, dass Frisch, nachdem er vor allem in Deutschland eine zunehmende Bereitschaft zum Nationalsozialismus festgestellt hatte, Käte als Jüdin durch eine Ehe schützen wollte.
Aber schließlich ereilte ihn doch noch “die Gewalt der Liebe”, sogar mehrfach in seinem weiteren Leben.

Danke noch einmal für die kleine Aufgabe, die so einen aktuellen Bezug zu der gegenwärtigen Situation in Stuttgart hat.

Liebe Clara,

nachdem Du als Erste den Bezug zu Frisch hergestellt hast, würde ich mich sehr freuen, wenn Du uns jetzt auch irgendetwas anbieten würdest, auf das wir reagieren können, so eine kleine Aufgabe oder einen kleinen Auftrag vielleicht?
Bei schneefreiem Wetter bin ich zwar tagsüber auch viel unterwegs, aber ich tue, was ich kann.
Und schließlich gibt es ja auch noch andere literaturinteressierte ForistInnen.


Herzliche Grüße von Enigma


longtime
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Re: Poesie und Geschichtliches von Max Frisch
geschrieben von longtime
als Antwort auf enigma vom 21.01.2011, 08:24:16
Herzichen Dank für die intesive Lese-Bereitschaft, das Interesse und die Nachfragen, liebe enigma!


Frischs Bereitschaft, Käte [nicht: Käthe, wie ich falsch schrieb; ebenso wie den Namen ihrer Kunstfigur in den Romanen; er muss heißen: „Hanna“] Rubensohn, die jüdische Grenzgängerin, zu ehelichen, besonders weil sie schwanger war, hat sie selbst zurückgewiesen. Sie ahnte das darin versteckte Mitleid mit ihrem Schicksal und lehne den Heiratsantrag ab.
Ihr Fluchtweg führte sie über Basel nach London. (Von ihrem weiteren Schicksal weiß ich i.A. leider nichts. Da muss ich mich noch kundig machen.)

Frischs frühe Rezensionen, seine Reiseprosa sind nur in der Zeitungsform überliefert; eine Veröffentlichung hat er erst mit „Blätter aus dem Brotsack“ erreicht, die aber thematisch anders liegen.

Frischs Sammlung "...aus dem Brotsack":

.. und mit zwei wenig bedeutenden Romanen.
Die interessantesten frühen Feuilletons (einige wenige von mehr als hundert) sind im ersten Band der „Gesammelten Werke“ abgedruckt (1976).

Zum politischen Hintergrund des jungen Schweizers:

In einem Interview (1978) sagte Frisch: „Falling in love with a Jewish girl in Berlin before the war saved me, or made it impossible for me, to embrace Hitler or any form of fascism.“ Deutsch: „Dass ich mich in Berlin vor dem Krieg in ein jüdisches Mädchen verliebt hatte, hat mich davor bewahrt, oder es mir unmöglich gemacht, Hitler oder jegliche Art des Faschismus zu begrüßen.“
(Zitiert nach: Alexander Stephan: Max Frisch. In Heinz Ludwig Arnold (Hrsg.): Kritisches Lexikon zur deutschsprachigen Gegenwartsliteratur 11. Nachlieferung, Edition text+kritik, Stand 1992).


*
longtime
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Re: Poesie und Geschichtliches von Max Frisch
geschrieben von longtime
als Antwort auf longtime vom 22.01.2011, 12:56:43
Eine Ergänzung mit Hinweis auf eine Frisch-Biografie von 1997 fand ich hier - mit einem schönen Bild von M.F. und K.R.:
enigma
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Re: Poesie und Geschichtliches von Max Frisch
geschrieben von enigma
als Antwort auf longtime vom 22.01.2011, 14:12:35
Hallo Longtime,

vielen Dank, dass Du Dich so um Informationen über das Verhältnis von Käte Rubensohn und Max Frisch gekümmert hast.
Käte Rubensohn hat mich schon sehr interessiert, denn ihr Verhalten fand ich für die damalige Zeit bemerkenswert.
Obwohl sie wegen ihres Halbjudentums mit Verfolgungen rechnen musste, obwohl sie schwanger und ohne Beruf war, hatte sie den Mut und die Ich-Stärke, den Heiratsantrag eines Mannes abzulehnen, dessen Einstellung zur Ehe in der damaligen Zeit sie bestimmt kannte, der sie also aus mitmenschlicher freiwilliger Verpflichtung heiraten wollte und nicht aus absolutem persönlichem Bedürfnis und Wunsch.
Das nötigt mir wirklich großen Respekt für diese Frau ab. Ich habe mich gefragt, was aus ihr geworden ist.
Danke Dir vielmals für den Artikel mit dem Bild der beiden noch so jungen Menschen.

Über die Bircher-Biografie hatte ich auch einen Spiegel-Artikel aus 1997 gefunden, der mit dem von Dir eingestellten fast identisch ist. Daher hatte ich auch den Begriff von “der Gewalt der Liebe”.
Die gesamte Biografie kommt in der Beurteilung allerdings nicht so gut weg.

Jedenfalls scheint es sicher zu sein, dass Käte Rubensohn in Basel weiter studierte und Lehrerin wurde, später geheiratet und Kinder bekommen hat.
Das freut mich sehr für diese mutige und selbstständige Frau.

Viele Grüße von Enigma



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