Forum Kunst und Literatur Literatur Ich hab mein Herz hineingeschrieben - Briefe

Literatur Ich hab mein Herz hineingeschrieben - Briefe

Sirona
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RE: Ich hab mein Herz hineingeschrieben - Briefe
geschrieben von Sirona
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Susette Gontard und Fr. Hölderlin konnten nach seiner Entlassung als Hauslehrer lediglich durch Briefe in Verbindung bleiben. Mit Susettes frühem Tod 1802 endete diese tragische und aussichtslose Liebe. Seitdem irrte Hölderlin wie ein Fremder in der Welt umher und landete im Tübinger Turm, wo er bis zu seinem Tod gelebt hat. Er überlebte Susette fast 41 Jahre.
Einige Briefe von Susette an Hölderlin sind im Geheimfach seines Reisekoffers erhalten geblieben, die Hölderlins Mutter gefunden hat. Sie machte ihrem Sohn heftige Vorwürfe wegen der „lasterhaften“ Beziehung zu einer verheirateten Frau. 
 
Donnerstag Morgen
 
Wirst Du nun kommen! … Die ganze Gegend ist stumm, und leer, ohne Dich! und ich bin so voll Angst, wie werde ich die starken Dir entgegen wallenden Gefühle wieder in den Busen verschließen und bewahren? – wenn Du nicht kömmst! … Und wenn Du kömmst! ist es auch schwer das Gleichgewicht zu halten, und nicht zu lebendig zu fühlen. Versprich mir daß Du nicht zurückkommen, und ruhig wieder von hier gehen willst, denn wenn ich dies nicht weiß, komme ich in der größten Spannung und Unruhe bis morgen früh nicht vom Fenster, und am Ende müssen wir doch wieder ruhig werden, drum laß uns mit Zuversicht unsern Weg gehen und uns in unserm Schmerz noch glücklich fühlen und wünschen daß er lange noch für uns bleiben möge weil wir darin vollkommen edel fühlen und gestärkt. – Leb wohl! Leb wohl! der Segen sei mit Dir …
 
In einem der letzten erhaltenen Briefe (vielleicht vom 5. März 1800) schreibt sie: 
„Ich kann nicht weiter schreiben, Lebe wohl! Lebe wohl! Du bist unvergänglich in mir! und bleibst so lang ich bleibe. -


 

 
Sirona
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RE: Ich hab mein Herz hineingeschrieben - Briefe
geschrieben von Sirona
 
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Auszug aus einem Brief der Dichterin Anna Louise Karsch
 
01.09.1762
 
Man hat bei meiner Wiege weder von Ahnen noch von Reichthümern gesungen. Mein Großvater war in einer ländlichen Hütte mit dem Titel eines ehrlichen Mannes vergnügt. Sein gnädiger Herr und mehr als 15 umliegende Dörfer gaben ihm noch überdem den Lobspruch des besten Bierbrauers in Schlesien. Er unterrichtete seinen Sohn, der hernach mein Vater ward, in eben dieser Wissenschaft, und der Sohn verdoppelte seinen Fleiß in Zubereitung des Malzes, um gleich berühmt wie sein Vater zu werden. Seine Jünglingsjahre waren vorüber, als ihm meine Mutter bekannt ward. Sie war die Enkeltochter eines ehemaligen Amtmanns und von einer großmüthigen Landedelfrau erzogen. Dieser hatte sie aus Dankbarkeit vom zehnten bis zum siebenundzwanzigsten Jahr als Mädchen aufgewartet und zum Ueberfluß die Stelle einer Ausgeberin und eines Kochs bekleidet; 3 Aemter zugleich! Mein Vater erlöste sie von diesen vielen Aemtern, und die Dame gab ihr eine Aussteuer, die meine Großmutter ihr nicht geben konnte, weil sie arm und eine Witwe mit 7 Kindern war. Indessen hatte sie Ursach zu glauben, daß diese Tochter glücklich sein würde, und sie betrog sich nicht. Mein Vater bezog auf einer Meierei das Wirthshaus. Die Herrschaft ließ in Ansehung meiner Mutter ihm einige Vortheile; er verfertigte die Getränke selbst, die der Reisende foderte, bestellte die Küche, um dem hungrigen Wanderer Essen zu schaffen, und meine Mutter beschäftigte sich an seiner Seite. Er unterstützte sie in jedem Geschäft, und sie hat mir oft gesagt, ich hätte mein Leben dem besten und zärtlichsten Vater zu danken.
Unschuldigerweise verdrängte ich meinen Bruder, als den Erstgeborenen, von der mütterlichen Brust. Er erlebte meine Ankunft am 1. Dezember 1722 nicht, und meine Mutter versagte mir ihren Kuß wegen der finstern Stirn, unter der ich hervorsah, als sie das erste Mal mich anblickte. Ich war niemals der Liebling ihres Herzens, und ich glaube, diese wenige Achtsamkeit auf mich ist Schuld, daß ich meine ersten Jahre durchlebte, ohne mir meines Daseins bewußt zu sein. Sechs Frühlinge ungefähr mochte ich überlebt haben, als der Bruder meiner Großmutter unser Haus besuchte, um sich wegen des Verlustes seiner Gattin zu trösten. Er verlangte seine Schwester auf ein Jahr in seine Wirthschaft, und meine Mutter konnte ihm diese Bitte nicht abschlagen, so nöthig sie auch selbst die Gegenwart einer alten haushälterischen Frau hatte. Die Reise ward beschlossen. Mein Oheim fragte eines Tages nach den Maßregeln meiner Erziehung. »O!« sagte meine Mutter, »das unartige Kind soll lernen, und es ist nichts in sie zu bringen!« Mein Oheim bewies ihr die Unmöglichkeit in dem Geräusch des Wirthshauses. Er nahm mich mit; seine Wohnung war in Polen; er genoß in einem kleinen Hause der Ruhe des Alters und lebte von Dem, was er in jugendlichen Jahren als Amtmann erspart hatte. Die liebreichste Seele sprach in jedem Wort seines Unterrichts, und in weniger als einem Monat las ich ihm mit aller möglichen Fertigkeit die Sprüchwörter Salomonis vor. Ich fing an zu denken, was ich las, und von unbeschreiblicher Begierde angeflammt, lag ich unaufhörlich über dem Buche, aus welchem wir die Grundsätze unserer Religion erlernen. Mein ehrlicher Oheim freute sich heimlich, aber er riß mich oft vom Buche und wandelte mit mir durch ein kleines Gehölz oder durch eine blumige Wiese. Beides war sein Eigenthum, und beides gab ihm Gelegenheit, mit mir von den Schönheiten der Natur zu reden. 
 
Mehr unter:
http://www.zeno.org/Literatur/M/Karsch,+Anna+Louisa/Autobiographisches/Leben+der+A.+L.+Karschin,+geb.+Dürbach/1.+Brief


 
Sirona
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RE: Ich hab mein Herz hineingeschrieben - Briefe
geschrieben von Sirona
 
DSCF4041.JPG
(eigenes Foto - Susette u. Hölderlin)

Susette Gontard und Fr. Hölderlin konnten nach seiner Entlassung als Hauslehrer lediglich durch Briefe in Verbindung bleiben. Mit Susettes frühem Tod 1802 endete diese tragische und aussichtslose Liebe. Seitdem irrte Hölderlin wie ein Fremder in der Welt umher und landete im Tübinger Turm, wo er bis zu seinem Tod gelebt hat. Er überlebte Susette fast 41 Jahre.
Einige Briefe von Susette an Hölderlin sind im Geheimfach seines Reisekoffers erhalten geblieben, die Hölderlins Mutter gefunden hat. Sie machte ihrem Sohn heftige Vorwürfe wegen der „lasterhaften“ Beziehung zu einer verheirateten Frau.
 
Donnerstag Morgen

Wirst Du nun kommen! … Die ganze Gegend ist stumm, und leer, ohne Dich! und ich bin so voll Angst, wie werde ich die starken Dir entgegen wallenden Gefühle wieder in den Busen verschließen und bewahren? – wenn Du nicht kömmst! … Und wenn Du kömmst! ist es auch schwer das Gleichgewicht zu halten, und nicht zu lebendig zu fühlen. Versprich mir daß Du nicht zurückkommen, und ruhig wieder von hier gehen willst, denn wenn ich dies nicht weiß, komme ich in der größten Spannung und Unruhe bis morgen früh nicht vom Fenster, und am Ende müssen wir doch wieder ruhig werden, drum laß uns mit Zuversicht unsern Weg gehen und uns in unserm Schmerz noch glücklich fühlen und wünschen daß er lange noch für uns bleiben möge weil wir darin vollkommen edel fühlen und gestärkt. – Leb wohl! Leb wohl! der Segen sei mit Dir …

In einem der letzten erhaltenen Briefe (vielleicht vom 5. März 1800) schreibt sie:
„Ich kann nicht weiter schreiben, Lebe wohl! Lebe wohl! Du bist unvergänglich in mir! und bleibst so lang ich bleibe. -
 

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RE: Ich hab mein Herz hineingeschrieben - Briefe
geschrieben von ehemaliges Mitglied
Liebe @Michiko,

auch diesen Thread hab ich mal eröffnet.

Briefe der Autoren sind für mich das Innerste, was ich von einem Menschen
erfahren kann.

Mein Freund Rainer Maria Rilke schreibt in einem Brief:
mitten im Lesen schreib ich Dir...

er hat der Schreibenden beim Lesen geantwortet und damit
gleich einen Dialog eröffnet.


Lieben Gruss
Clematis
 
Lorena
Lorena
Mitglied

RE: Ich hab mein Herz hineingeschrieben - Briefe
geschrieben von Lorena
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 11.08.2021, 11:00:01

Oh, was freut es mich @Clematis

was Du hier aus der Versenkung hervorgeholt hast. 
Das war zu einer Zeit, wo ich noch nicht Mitglied bei ST war.
Schön, wenn man auch rückwärts lesen kann 😊
Tolle Einträge 👍

LG Lorena
RE: Ich hab mein Herz hineingeschrieben - Briefe
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf Sirona vom 01.08.2019, 08:10:54
Liebe @Sirona,

ich les grade nach unten:

wir beide haben  noch versucht, irgendwie diesen schönen Thread
zu retten.

Aber - es war doch nach dem Paukenschlag auch für uns zwei die
Luft weg.

Will Dir aber ganz herzlich für Deine Bemühungen danken.

Grüssle zu Dir
Clematis

 

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Mitglied_3fbaf89
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Mitglied

RE: Ich hab mein Herz hineingeschrieben - Briefe
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf Lorena vom 11.08.2021, 11:04:44

Ich habe eben auch einmal rückwärts gelesen und war einigermaßen erstaunt, wie manche Reaktionen auf einen leidenschaftlichen Liebesbrief hier waren, ihn sogar als Pornografie bezeichnete. Ja was wird denn erwartet, dass Liebesbriefe nur "saubere" Gedanken enthalten und Erotik keine Rolle spielt?   
Gerade wollte ich einen Brief von Rilke an Lou Andreas-Salomé hier niederschreiben, diese für den Dichter so unheilvolle Beziehung, aber der passt dann sicher nicht.

So dann nur dieser ,,, 
 



 
RE: Ich hab mein Herz hineingeschrieben - Briefe
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 11.08.2021, 11:31:40
Hallo @Corgy,
auch ich hab diesen besagten Brief als Pornografie bezeichnet.

Das hat sich ja alles geklärt, und wir haben verschiedene Ansichten.
Ich hab ihn jetzt nicht wieder gelesen, vielleicht wurde auch was gelöscht,
ich weiss es nicht.

Was hinterher kam war das übliche, von den Üblichen....

Ich hab wahrscheinlich alle Briefe von Rilke gelesen, ich kann mich
nicht erinnern, dass ich einen davon als Porno empfunden hätte.

Also, schreib ruhig. Der alte Senf hat eine Vorgeschichte und ich
verspreche Dir und mir, diese hol ich nicht rauf

Clematis


 
Sirona
Sirona
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RE: Ich hab mein Herz hineingeschrieben - Briefe
geschrieben von Sirona
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 11.08.2021, 11:21:31
Liebe @Clematis,
 
ja ich war eine ganze Weile hier nicht mehr aktiv, irgendwann braucht man auch mal eine Pause. 😋 Aber bestimmt werde ich demnächst wieder einige Künstlerbriefe eingeben. 
 
💗-liche Grüße
Sirona


 
 

 
Sirona
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RE: Ich hab mein Herz hineingeschrieben - Briefe
geschrieben von Sirona
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Declaracão

Ehe ich aus freiem Willen und mit klaren Sinnen aus dem Leben scheide, drängt es mich eine letzte Pflicht zu erfüllen: diesem wundervollen Lande Brasilien innig zu danken, das mir und meiner Arbeit so gute und gastliche Rast gegeben. Mit jedem Tage habe ich dies Land mehr lieben gelernt und nirgends hätte ich mir mein Leben lieber vom Grunde aus neu aufgebaut, nachdem die Welt meiner eigenen Sprache für mich untergegangen ist und [Streichung] meine geistige Heimat Europa sich selber vernichtet.
Aber nach dem sechzigsten Jahre bedürfte es besonderer Kräfte um noch einmal völlig neu zu beginnen. Und die meinen sind durch die [Streichung] langen Jahre heimatlosen Wanderns erschöpft. So halte ich es für besser, rechtzeitig und in aufrechter Haltung ein Leben abzuschliessen, dem geistige Arbeit immer die lauterste Freude und persönliche Freiheit das höchste Gut dieser Erde gewesen.
Ich grüsse alle meine Freunde! Mögen sie die Morgenröte noch sehen nach der langen Nacht! Ich, allzu Ungeduldiger, gehe ihnen voraus.

Stefan Zweig 
Petropolis 22. II 1942

 

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