Literatur L'anomalie Hervé Le Tellier Prix Goncourt 2020
Mit Bezug auf einen Notfall während eines Flugs von Paris nach New York im Juni 2021 behandelt der Autor zwischenmenschliche Probleme sowie grundsätzliche Existenzprobleme. Während vor allem das erste Kapitel den Eindruck vermittelt, es könnte sich um einen Kriminalroman bzw. Thriller handeln, wird dann aber doch deutlich, dass dieser Roman durch Science Fiction(Star Trek), aber auch viele philosophische, religiöse und psychologische Fragen sowie romantische Elemente bzw. Liebesgeschichten geprägt ist. Häufige Zitate(Nietzsche, Descartes, Camus ) und zum Nachdenken anregende prägnante Werturteile der Protagonisten und des Autors sind ein weiteres wesentliches Merkmal dieses ungewöhnlichen Romans. Im Mittelpunkt der Rahmenhandlung stehen die Passagiere des Flugs von Paris nach New York, von denen eine Auswahl in ihrer Entwicklung genauer dargestellt werden. Der Roman, der auch trockenen Humor und Ironie erkennen lässt, ist lesenswert, vor allem wegen seiner intensiven philosophisch-psychologischen Prägung sowie der letzlich positiven Darstellung erfolglos erscheinender Liebesbeziehungen (Victor Miesel und Anne), hinterlässt bei mir allerdings auch zwiespältige Eindrücke. Die Fülle der erfassten Personen kann für den Leser verwirrend sein, der Schluss ist etwas klischeebehaftet und wenig phantasievoll. Dass ausgerechnet der Berufskiller Blake lange Zeit unbehelligt sein Unwesen treiben kann, erscheint schwer vereinbar mit dem deutlichen philoso-phisch- moralischen Anspruch des Romans.