Forum Kunst und Literatur Literatur Lessing-Preis an Klaus Harpprecht

Literatur Lessing-Preis an Klaus Harpprecht

miriam
miriam
Mitglied

Lessing-Preis an Klaus Harpprecht
geschrieben von miriam
Ich gestehe, dass mir zurzeit das Lesen im Seniorentreff schwer fällt. Noch nie hatten wir es hier mit so einer vehementen und engstirnigen Fremdenfeindlichkeit zutun.

Um so mehr erfreut mich die Nachricht, die ich soeben gelesen habe - und die ich vom Sender 3sat hier übernehme:


Lessing-Preis an Klaus Harpprecht

Mit der Verleihung des Hamburger Lessing-Preises an den Journalisten Klaus Harpprecht sind am 7. Februar 2010 die ersten Lessing-Tage am Thalia-Theater zu Ende gegangen.
Zwei Wochen lang drehte sich bei dem Theater-Festival alles um die Themen Toleranz, fremde Kulturen und Weltenbürgertum.

Die 57 Veranstaltungen mit Gastspielen aus Wien, Berlin, Tel Aviv und New York wurden nach Angaben des Theaters vom Sonntag von 13.116 Zuschauern besucht. Dies entspreche einer Gesamtauslastung von 84,3 Prozent. Das Theater sprach von einer überaus positiven Bilanz.

"Offenbar ist es das, was Hamburg fehlte: ein Themenfestival, das über den Autor Lessing einen starken Hamburg-Bezug hat, und sich zugleich mit dem entscheidenden Thema des 21. Jahrhunderts beschäftigt: mit den Anforderungen einer globalen und kosmopolitischen Kultur", teilte Intendant Joachim Lux mit.

Eröffnet wurde das Festival mit einer programmatischen Rede des Schriftstellers Ilija Trojanow zur kosmopolitischen Kultur heute. Bei der ersten Langen Nacht der Weltreligionen lasen die Ensemble-Mitglieder aus Schriften des Christentums, Judentums und des Islams.

(Kulturzeit mit Material von dpa)


Zur Person des Schriftstellers und Journalisten Klaus Harpprecht - schreibt Wikipedia:

Klaus Harpprecht (* 11. April 1927 in Stuttgart) ist ein deutscher Journalist und Autor.

Leben

Harpprecht arbeitete u.a. für das ZDF in Washington D.C. und für den WDR. 1966 bis 1969 leitete er den S. Fischer Verlag in Frankfurt am Main.

1972 bis 1974 war er Redenschreiber für den deutschen Bundeskanzler Willy Brandt.

Harpprecht war zeitweise Inhaber der „Brüder-Grimm-Gastprofessur“ an der Universität Kassel. Seit Oktober 2007 ist er gemeinsam mit Michael Naumann als Nachfolger Hans Magnus Enzensbergers Herausgeber der Buchreihe Die andere Bibliothek.

2009 erhielt Harpprecht den Lessing-Preis der Freien und Hansestadt Hamburg. In seinem Wirken sei ihm eine „erstaunliche Synthese von Kultur und Politik, Macht und Geist, Journalismus und Literatur“ gelungen, so die Jury.

Klaus Harpprecht lebt heute als Autor im südfranzösischen La Croix-Valmer. Er ist verheiratet mit der Autorin Renate Lasker-Harpprecht, die mit ihrer Schwester Anita Lasker-Wallfisch die Lager von Auschwitz und Bergen-Belsen überlebt hat.




longtime
longtime
Mitglied

Re: Lessing-Preis an Klaus Harpprecht
geschrieben von longtime
als Antwort auf miriam vom 08.02.2010, 18:39:59
Zum 80. Geburtstag habe ich (als "elfenbein") am 11.04.2007 an Klaus Harpprecht mit zwei seiner Texte aus der Züricher "Weltwoche" erinnert; s. Linktipp:

*

Von seinen großen Publikationen sind mir die wichtigsten:

die zweibändige Biografie über TM:

"Thomas Mann. Eine Biografie" (1995)

und

über Marion Dönhoff:
"Die Gräfin" (2008)

Harpprechts Themen und Schriften sind inhaltlich und sprachlich so exzellent (auch in den letzten Jahren seine Rezensionen in der ZEIT), dass ich noch nie ein Buch oder einen Text von ihm nicht zu Ende gelesen habe.

Ich halte ihn für den wichtigsten und gebildetsten Kultur-Publizisten in der BRD, dem Lessing-Gedenken absolut würdig!


*

Ein Gedicht von G.E. Lessing widme ich kleine Leser-Leuchte dem glänzenden Autor Harpprecht:

Auf ein Karussell

Freund, gestern war ich – wo? – Wo alle Menschen waren.
Da sah ich für mein bares Geld
So manchen Prinz, so manchen Held,
Nach Opernart geputzt, als Führer fremder Scharen,
Da sah ich manche flinke Speere
Auf mancher zugerittnen Mähre
Durch eben nicht den kleinsten Ring,
Der unter tausend Sonnen hing,
(O Schade, daß es Lampen waren!)
Oft, sag ich, durch den Ring
Und öfter noch darneben fahren.
Da sah ich – ach was sah ich nicht,
Da sah ich, daß beim Licht
Kristalle Diamanten waren;
Da sah ich, ach du glaubst es nicht,
Wie viele Wunder ich gesehen.
Was war nicht prächtig, groß und königlich?
Kurz dir die Wahrheit zu gestehen,
Mein halber Taler dauert mich.


*
Dank an miriam für den Hinweis!

miriam
miriam
Mitglied

Re: Lessing-Preis an Klaus Harpprecht
geschrieben von miriam
als Antwort auf longtime vom 10.02.2010, 15:40:36
Danke dir Longtime, für die Ergänzungen zu diesem Thema, welches mir in der heutigen Zeit und auch in diesem Forum, besonders wichtig erscheint.

Es ist mir bis jetzt nicht gelungen die Rede von Klaus Harpprecht bzw. die Laudatio von Dr. Hanjo Kesting, im Netz zu finden.

Ich fand aber einen anderen sehr schönen Text, die Ansprache zur Eröffnung des Festivals "Um alles in der Welt Lessing-Tage 2010" - die Joachim Lux* am 24. Januar hielt. (Siehe Link)

Ich zitiere aus der Ansprache von Joachim Lux:


"Ich bin zutiefst der Überzeugung, dass jedes Jahrhundert seine eigeneepochale Aufgabe hat. Die des 18. war der Kampf um die bürgerlichenFreiheitsrechte, die des 19. der um die Nationalstaaten und die des 20.der um die ideologischen Systeme. Wenn nicht alles täuscht, könnte die
Aufgabe unseres Jahrhunderts die Arbeit an einer kosmopolitischen Kultur sein. Dies aber ist leichter gesagt als getan, auch in einer Stadt wie Hamburg, die mit einigem Stolz auf ihre weltbürgerliche Tradition blickt.

Diogenes hat auf die Frage, woher er komme, geantwortet: „Ich
bin ein Kosmopolit“ – also: ein Weltbürger. Die ganze Wahrheit wäre vielleicht gewesen: Ich wäre gern ein Kosmopolit, obwohl ich aus dem Provinzkaff Sinope stamme und erst seit einiger Zeit in Athen lebe, das gerne Weltstadt sein möchte…
Ähnlich verhält es sich mit Lessing, der in einer Zeit, als man noch Postkutsche fuhr und die Welt sehr überschaubar war, als Reaktion auf das Berufs- und Publikationsverbot, das ihn in Hamburg ereilt hatte, seinen „Nathan“ schrieb, einen wunderschönen, naiven, utopischen, kindsköpfigen Traum, Märchen, Illusion und Vision in einem, vor 200 Jahren davon erzählend, dass die Kulturen und Religionen es miteinander aushalten könnten.

In Lessing, dem die Tauben auf dem Gänsemarkt oft genug auf den Kopf scheißen, personalisiert sich die Verbindung von Hamburg und der Welt – und schließlich auch die zum Theater."


*Joachim Lux, der frühere Chefdramaturg des Wiener Burgtheaters, ist der Intendant des Hamburger Thalia Theaters.

Liebe Grüße

Miriam

Anzeige